Pro und Contra Dialog: Reden mit den Rechten?

Bei einer taz.meinland-Veranstaltung wird ein AfD-Politiker dabei sein. Welche Diskussionsgrundlagen gibt es mit der und gegen die AfD?

Lässt sich gerne ins Spotlight einladen. Rechtspopulismus à la AFD Bild: Jens Jeske

Von JAN FEDDERSEN (Pro) und VOLKAN AĞAR (Contra)

Zur kommenden taz.meinland-Veranstaltung in Bitterfeld wurde ein kommunaler Politiker der AfD zum Runden Tisch eingeladen. Auch Team-intern wurde diese Frage kontrovers diskutiert. Eine Einladung – von der taz (!) – an einen Rechten, dessen Partei bei der letzten Landtagswahl die meisten Stimmen erhielt. Ist das ok?

PRO

Menschen, die sich von den inhaltlichen Üblichkeiten der AfD angesprochen fühlen oder mit ihr politisch gar Erfolg haben, sind für Linke kaum satisfaktionsfähig. Unterm Strich gibt es mit jenen, die in vielen Fällen allzu harmlos als Rechtspopulisten charakterisiert werden, kein Sprechen. Das lohnt sich schon deshalb kaum, weil sie, die anderen, nur rechtsgewirkte Sentimentalitäten („das System“), völkisches Gift („Boateng“) oder paranoiden Dünnsinn („Lügenpresse“) abzusondern vermögen: Im Zweifelsfall redet man zu verschiedenen Planeten.

Aber sich dem Talk in der öffentlichen Arena mit AfD-Leuten verweigern? Das ginge zu weit, weil es das Geschäft dieser Systemoppositionellen besorgt. Wenn Sahra Wagenknecht mit Frauke Petry zum Zeitungsinterview geht, ist das für manche schon Zumutung genug – dabei waren es einige der Aussagen der Linkspolitikerin und die Petrys ohnehin. Miteinander in die Debatte gehen heißt nicht, dem Gegenüber im öffentlichen Streit schon recht zu geben. Sondern sich der Auseinandersetzung zu stellen, weil der, offenkundig, über eine Wählerbasis verfügt, die, nebenbei, bis ins linke und alternative Lager hin­einreicht.

Von der Tatsache abgesehen, dass die AfD zur politischen Realität der Bundesrepublik gehört und sie auch durch Verweigerung der Debatte mit ihr nicht schwinden wird, birgt die Debatte natürlich auch Risiken. Als Jörg Haider in Österreich und seine FPÖ immer populärer wurden, war er in einer Talkshow mit Erich Böhme zu Gast, seine Kritiker gleich dazu. Und die waren Ralph Giordano und Freimut Duve, wackere linksliberale Streiter für das Gute und Wahre und Schöne in der Welt. Hinterher war Niederschmetterndes zu bilanzieren: Haider war der Sieger des Abends, denn sowohl der Moderator als auch Duve und Giordano wussten es mit Haider nur moralisch aufzunehmen – und waren nicht faktensicher.

Beide dachten offenbar, mit einer Gesinnung humanistischer Gutherzigkeit kriegt man gegen einen Fiesling wie Haider auch nur einen einzigen Stich. So durfte gelernt werden: Gegen rechte Zumutungen ist nur dann ein Kraut gewachsen, weiß man mit Argumenten die offene Gesellschaft zu preisen – integrativ, also nicht völkisch oder doitsch.

Und mit Selbstbewusstsein. Ohne Opfergestus. Sondern aus einer Haltung heraus, die rechtes Gedankengut und die aus diesem folgenden Praxen in die Defensive zu drängen sucht: Ey, Alter, was willst du? Wer sich auf einen Code verständigt, sich dem Streit mit der AfD zu verweigern, hat schon verloren. Sieht aus wie eine beleidigte Leberwurst. Und gibt durch schiere Verweigerung dem anderen recht. Wer nicht in die Arena will, wer nicht kämpfen will – demokratisch: mit Sachkenntnis –, hat schon verloren. Ich möchte das mir nicht einmal vorstellen.

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CONTRA

Ein Dialogversuch mit der Alternative für Deutschland (AfD) endete im Mai 2016 mit einem Eklat: Eine Delegation der Partei traf sich mit dem Zentralrat der Muslime (ZdM), darunter dessen Vorsitzendem Aiman Mazyek – um über den Islam zu reden. Zuvor beschloss die AfD ihr erstes Grundsatzprogramm. Darin steht: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Nach knapp einer Stunde verließ Frauke Petry den Gesprächsort, frühzeitig.

Dreierlei veranschaulicht dieser Fall: Erstens: Die AfD will gar nicht reden, sie will Aufmerksamkeit. Zweitens: Aus fortschrittlicher Perspektive gibt es keine Gesprächsgrundlage mit dieser Partei. Drittens: Wenn man trotzdem mit der AfD diskutiert, dann diskutiert man meistens nur über die AfD.

Nach dem gescheiterten Dialog echauffierte sich ein Teil der Öffentlichkeit ob des Eklats. Als wäre das Malheur überraschend gewesen. Großer Wirbel um ein kurioses Treffen, das vor seinem Beginn allein deshalb schon spektakulär war, weil die Gesprächskonstellation ein Widerspruch in sich ist. Aufmerksamkeitsökonomisch war es ein Coup für die AfD. Es nützte nur ihr.

Ohnehin und zweitens: Auf welcher Grundlage sollen Vertreter einer Religionsgemeinschaft und eine Partei, die jene Religionsgemeinschaft programmatisch zum Feindbild kürt, miteinander sprechen? Hier lassen sich Fürsprecher des Dialogs überführen, die oft mit der negativen NPD-Folie argumentieren, um die AfD als akzeptablen Gesprächspartner vorzustellen.

Der ideologische Kern beider Parteien ist kongruent: Menschen sind nicht gleich, ihr Wert lässt sich an Herkunft, Glauben oder Geschlecht unterscheiden. Das ist nicht nur mittelalterlich, sondern auch verfassungswidrig. Wie soll da ein Dialog funktionieren? Und vor allem: Welchen Sinn hat er?

Der Sinn eines Dialogs, und das drittens, ist es, Probleme zu lösen, die Menschen umtreiben. Mit der AfD lassen sich jedoch keine Sachdiskussionen führen, weil die Partei jede Debatte auf sich selbst zuspitzt – sie hat inhaltlich nichts Vernünftiges zu bieten. Den diskursiven Raum muss sie trotzdem füllen. Sie muss präsent sein. Deshalb provoziert sie Debatten über sich selbst. Und diese immer wieder zu führen ist mühsam. Mittlerweile wissen alle, wer die AfD ist. Lasst uns deshalb auch im Wahlkampf über Gerechtigkeit und Teilhabe oder andere Themen diskutieren – aber nicht schon wieder über diese AfD.

Nach Erfolgen bei Landtagswahlen ist es ruhig geworden um die Völkischen. So ruhig, dass sich die entthronte Parteivorsitzende Petry gezwungen sieht, mit ihrem Neugeborenen auf Wahlplakaten zu posieren. Das ist gut so. Lassen wir die Demokratiefeinde einsam in ihrer Ecke versauern.