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Pro und Contra Anti-AKW-WahlkampfIst die SPD noch glaubwürdig?

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Von Wahl zu Wahl erklärt die SPD den baldigen Atomausstieg zum Ziel, um jedesmal danach wieder umzukippen. Wie glaubwürdig kämpft die SPD wirklich für die Abschaltung der Atomkraftwerke?

Ist die Glaubwürdigkeit der SPD schon zerstört? Bild: ap

P RO

Bildungspolitik, Steuerpolitik, Sozialpolitik - alle strittigen Punkte hatten die Koalitionäre aus Union und SPD im Herbst 2005 bereits geklärt, auch die härtesten Brocken. Nur an einer Stelle stand die Einigung noch aus: in der Frage des Atomkonsenses. Die Sozialdemokraten wollten partout nicht nachgeben, weshalb es dann im Koalitionsvertrag heißt: "Zwischen CDU, CSU und SPD bestehen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie unterschiedliche Auffassungen." Bedeutete: Spätestens nach dem Unterschreiben des Koalitionsvertrages geht der Streit in eine neue Runde.

Der Streit war dann tatsächlich ständige Begleitmusik der großen Koalition. Und Vattenfall und Co sorgten brav dafür, dass der SPD für ihre Musik genügend Noten zur Verfügung standen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel war dabei kein Solist, auch wenn die Fraktion deutlich leiser in die Tasten griff. Dass dem Anti-Atom-Wahlkampf, den die Sozialdemokraten führen, nach der Wahl eine gänzlich anderen Politik folgen wird, ist völlig undenkbar.

Mag ja sein, dass die Sozialdemokraten traditionell den Stromkonzernen freundlich gesinnt sind (und in ihren Gremien sitzen). Aber erstens wäre das Gegenteil vom erklärten Abschalten der Atomkraftwerke politischer Selbstmord. Leichter könnten die Sozialdemokraten ihre angeschlagene Glaubwürdigkeit nicht weiter ramponieren. Zweitens ist das Abschalten der AKWs eine energiepolitische Notwendigkeit. Das Stromnetz ist voll, und wenn mehr regenerativer Strom eingespeist werden soll, muss anderer dafür weichen. Drittens hatten die Sozialdemokraten bereits 2005 die Chance, sich vom Atomkonsens zu verabschieden. Damals aber haben sie bis zuletzt zäh für ihn gerungen; der rot-grüne Atomkonsens war für die SPD nicht verhandelbar .

Das wird nach dieser Wahl wieder genauso sein - falls die SPD stark genug wird, an der Macht zu bleiben. Deshalb ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Jede Stimme für die SPD ist eine Stimme für die Energiewende.

NICK REIMER ist Umwelt- und Energie-Redakteur der taz

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CONTRA

Wenn heute in Berlin für den Atomausstieg demonstriert wird, will die SPD nicht fehlen: Die Bundestagsfraktion unterstützt den Demo-Aufruf, Umweltminister Sigmar Gabriel wäre am liebsten persönlich mitgelaufen - und setzt auch sonst im Wahlkampf voll aufs Thema Atom.

Leider lässt ein Blick auf die Taten der Vergangenheit erhebliche Zweifel an den Versprechen für die Zukunft aufkommen. Schließlich hatte die SPD schon kurz nach Tschernobyl beschlossen, innerhalb von zehn Jahren aus der Atomkraft auszusteigen. Mehr als zehn Jahre später kam die Partei tatsächlich an die Regierung, zusammen mit den Grünen, die den Sofortausstieg propagierten. Ergebnis war der "Atomkonsens" - der den Ausstieg mindestens 25 Jahre in die Zukunft verschob. Gerade mal 2 der 19 deutschen AKWs sind seitdem vom Netz gegangen.

Andere Zusagen hielten ebenfalls nicht lang: 2005 hatte Sigmar Gabriel im Wahlkampf noch gegen das Atomendlager Schacht Konrad gekämpft - nur um es kurze Zeit später als Umweltminister zu verteidigen. Auch sonst mussten die Atomkonzerne den Minister in den letzten vier Jahren nicht sonderlich fürchten. Neue Erkenntnisse und Urteile zum fehlenden Terrorschutz von Reaktoren hatten keine Konsequenzen. Neue Sicherheitskriterien wurden nicht verbindlich. Und die Endlager-Kriterien wurden unter Gabriel so aufgeweicht, dass der - vom Minister kürzlich für "tot" erklärte - Standort Gorleben sie theoretisch erfüllen kann.

Natürlich ist es möglich, dass die SPD dazugelernt hat und dem Druck der Stromkonzerne nach der Wahl besser widersteht als zuvor. Doch weil sie die einzige Koalition, die der Atomindustrie wirklich gefährlich werden könnte, kategorisch ausschließt, wird sich die SPD mit den Atomfreunden aus Union oder FDP arrangieren müssen. In einer solchen Situation nützen Wahlversprechen alleine nichts. Sondern nur Menschen, die sich auch nach der Wahl daran erinnern - und weiter auf die Straße gehen.

MALTE KREUTZFELDT leitet das taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

6 Kommentare

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  • H
    hto

    "Ist die SPD noch glaubwürdig?" - OHA, als wenn sie das jemals war!?

  • LW
    Lucie Wilhelm

    Ich verstehe nicht, warum sich NICK REIMER als Umwelt- und Energie-Redakteur der vom Anspruch her kritischen taz zu solch klebriger Lobhudelei der SPD hinreißen läßt. Aus der Sicht der Umweltverbände und der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW war die Atomenergiepolitik der rot-grünen Bundesregierung jedenfalls ein Desaster.

    Siehe bitte das Zeugnis von Henrik Paulitz, Internationale Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW):

    http://www.netzwerk-regenbogen.de/stoipfiff020917.html

  • PW
    Peter Wald / IG-Strahlenschutz

    Der Atomindustrie ging es noch nie so gut wie heute.

     

    Sigmar Gabriel gehört offensichtlich zu jener Gattung Politiker, die sich von Hühnern dadurch unterscheiden, daß sie zwar auch heftig gackern, aber keine Eier legen. Ein mutiges Ehepaar bringt es auf den Punkt:

     

    (Zitatanfang) Minister Gabriel will Atomkonzerne mit 2,5 Milliarden beschenken ! Der Nuklearsozialist Minister Gabriel führt die Feder, wenn es darum geht, den vor Stromgewinnen schier platzenden Atomstromkonzernen weitere circa 2,5 Milliarden zu schenken. Der an Finanzschwindsucht leidende Steuerzahler soll die Zeche für das einstürzende Atomlager Asse bei Wolfenbüttel bezahlen. Die Verluste sollen, wie in der Atombranche leider üblich, sozialisiert werden, wogegen die Stromgewinne privatisiert werden. Das alles nennt sich dann freies Unternehmertum in einer Marktwirtschaft. In Wirklichkeit ist das Beutelschneiderei der Atomstromkonzerne gegenüber dem Steuerzahler mit Hilfe der drei Koalitionsparteien und beiden Bundestagsfraktionen SPD und CDU/CSU, die ihre Hand zu diesem Stück aus dem Tollhaus leihen. Das Verursacherprinzip wird mit Füßen getreten. Bundesumweltminister Gabriel mit der SPD führt immer das Wort im Munde: "Die starken Schultern sollen mehr tragen, als die schwachen". Die von Gewinnen platzenden Atomkonzerne sind eindeutig die stärkeren schultern gegenüber den schwachen schultern des schwindsüchtigen Steuerzahlers, dessen schulden schon jetzt nur noch in Billionen zu beziffern sind. Wir stehen als Mittelständler im Wettbewerb, das heißt: in direkter Konkurrenz zur Atomwirtschaft. "Fast unser gesamtes Kapital steckt in der Produktion von Zukunftstechnik, d.h. erneuerbarer Energie.

    Warum sollen wir zukünftig noch jemanden wählen, der 1. uns augenscheinlich wirtschaftlich schädigt?

    2. unserer Alterssicherung gefährdet?

    3. den Totalschaden unserer Volkswirtschaft riskiert? 4. im Schadensfall bei Atomkraftwerken das Verursacherprinzip außer Kraft setzt?

    5. augenscheinlich Tausende Strahlentote in Kauf nimmt? (Zeugnis: IPPNW)

    6. verhindert, daß sich die Atomwirtschaft einem fairen Wettbewerb stellen muß?

    7. und damit der nuklearen Schmutzkonkurrenz gigantische Privilegien gewährt? (Zitatende)

     

    Quelle:

    www.fair-news.de/news/--/10752.html

  • AD
    Axel Dörken

    Vielleicht erlebe ich es nicht mehr. Doch eines ist mir gewiß, die Dinosaurier in SPD UND CDU sterben entweder aus oder werden von jenen ausgerottet, die in immer größerer Zahl begreifen, dass die menschliche Art nur im Einvernehmen mit Natur und allen Menschen überlebt.

     

    Vielleicht finden dann sogar die Grünen wieder zurück zu ihrer Friedenspolitik. Deutscher Angriff in Afghanistan. Danke ihr lieben achtsamen Grünen und auch danke an die Wähler, die sie noch immer wählen. Natürlich geht der Dank auch an die SPD, die CDU, die FDP und all deren Wähler, wie auch an jene, die nicht gewählt haben.

     

    Is schonn tragisch, dass die Linken den Grünen vormachen, wie der Abmarsch aus Afghanistan Wahlstimmen bringt.

     

    Glaubt eigerntlich irgendjemand, dass wenn hier Krieg wäre und die Islamisten marschierten mit der Geisteshaltung ein, wie wir es in Afghanistan machen, dass wir sie mit offenen Armen begrüßen würden? Wer die Kultur und die Sprache in dem Land, in dem er einmarschiert nicht kennt, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Dialog scheitert und zum Krieg führt.

     

    Demokratie? Ist das das Maß an Demokratie, was wir in die Welt tragen wollen?

     

    Ach, schon wieder abgeschwiffen...

     

    Atomkraft. - Nein Danke!

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

     

     

     

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • V
    vic

    Nein, die SPD ist nicht (mehr) glaubwürdig. Vielleicht könnte sie es wieder werden, würde sie die verdammte Verbindung zur CDU lösen.

    Aber das will die verkalkte Parteispitze nicht. Posten haben Priorität.

    Wenn selbst die Grünen mit der CDU liebäugeln, wo soll da noch Hoffnung wachsen.

    Natürlich wähle ich links, obwohl und weil die einzig Vernünftigen täglich von den Medien übelst verleumdet werden.

    Eines Tages kriegen wir euch...

    Ob die SPD glaubwürdig ist?

    Nein

  • J
    joHnny

    nur noch grüne krüm(m)el der glaubwürdigkeit...