Pro und Contra Ära nach Steinmeier: Kann Wowereit die SPD retten?
Falls SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier bei der Bundestagswahl scheitert, brauchen die Sozialdemokraten ein neues Gesicht. Wäre Wowereit der richtige Mann?
J A, sagt Stefan Alberti, Redakteur für Landespolitik der taz Berlin
Er trifft die Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Er gilt selbst engen Vertrauten als beratungsresistent. Und doch ist Klaus Wowereit gegenwärtig die einzige Machtoption der SPD, falls Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei der Bundestagswahl scheitert. Für eine klare Mehrheit der Deutschen und eine noch größere der SPD-Wähler ist Wowereit der zukünftige Bundesvorsitzende der SPD, jedenfalls nach einer Umfrage für das Magazin Cicero. Der Spiegel sieht das diese Woche ähnlich.
Das ist ja auch nur logisch. Denn welche Alternativen bleiben der SPD im Falle einer Niederlage? Rot-Grün ist Lichtjahre von der früheren Mehrheit entfernt. Zur Ampel hat die FDP keine Lust. In der großen Koalition hat die SPD nur verloren. Und Opposition ist nicht nur für Noch-Parteichef Franz Müntefering Mist. Was bleibt, ist Rot-Rot-Grün. Dafür steht in Deutschland nur ein prominenter Sozialdemokrat, und das ist Wowereit. In Berlin hat er seit 2002 gezeigt, dass sich mit der PDS, heute Linkspartei, nicht nur grundsätzlich zusammenarbeiten lässt, sondern sogar besser als zuvor mit CDU und Grünen.
Dass er selbst weiter nach oben will, ist keine Frage. Sein Regierungssprecher versucht ihn seit eineinhalb Jahren als Mann für die Bundesebene zu vermarkten. Das Problem für die SPD wird bloß sein, mit seinem Image aufzuräumen. Die CDU wird zu jeder Gelegenheit alte Fotos eines feiernden Wowereit hervorkramen, der Schampus in der Hand hält und die Ex-RTL-Dschungelqueen Désirée Nick küsst. Diesen Partygänger gibt es unbestreitbar. Aber der sitzt am Morgen danach trotzdem unfassbar fit wieder am Schreibtisch. Selbst Regierungsmitglieder behaupten, er kenne viele Zahlen sogar besser als seine Fachsenatoren.
Dass Wowereit schwul ist, wird angesichts seiner Zielgruppe kaum eine Rolle spielen. Denn Wowereit muss keine konservativen Wähler hinzugewinnen, die sich an seiner Homosexualität stören könnten. Er muss die linken Wähler sammeln und die sollten damit kaum ein Problem haben.
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NEIN, sagt Daniel Schulz, Inlandsredakteur der taz
Laut erschallt der Ruf nach dem Erretter, dem Messias, der deutschen Variante des Obama - dem Libero. Erinnern wir uns: In der Feudalzeit des deutschen Fußballs war er der Kaiser des Teams. Während seine Mitspieler feste Rollen hatten, durfte er alles. Was sie versauten, putzte er allein wieder aus.
Auf so einen Einzelkönner hofft die SPD, einen Machtmenschen wie Schröder, der brillierend ihre Schwäche verdeckt und sie raushaut aus der Scheiße. Dabei liegt das Problem im System. Wie der Rumpelfußball stößt auch die SPD an die Grenzen der eigenen Starre. Alles, was einen Ausbruch verspräche, muss woanders passieren, weil die Sozis sich dagegen wehren. Die Ökos gingen zu den Grünen. Das Grundeinkommen haben die Linken. Der neue Feminismus findet im Netz statt und die Freiheitskämpfer des digitalen Zeitalters werden Piraten. Wie die Nationalelf vor Klinsmann läuft Münteferings Truppe immer hinterher. Konservative können sich das leisten. Bei linken Parteien sollte die Frage nach Fortschritt immerhin eine gewisse Rolle spielen.
Im Fußball hießen die neuen Erfindungen Partizipation und Netzwerk - das Team sollte es richten, das Spiel wurde offener, flexibler, schneller und demokratischer. Im Politischen bildeten sich Netzwerke wie Attac, Negri und Hardt propagierten in ihrem Buch "Empire" die Idee der Multitude, in der jeder Individuum bleiben kann und alle doch gemeinsam ein Ziel verfolgen. Eine unmögliche Utopie vielleicht, ganz sicher eher eine Frage an die Welt als eine Antwort auf alles. Aber hatte die SPD den Mut, sich dieser Frage zu stellen? Nein, sie gab ähnliche Antworten wie ihr schärfster Konkurrent. Dann nannte sie diese alternativlos und zäunte sich weiter ein.
Wie soll Wowereit das ändern? Er ist der Libero, der alle Freiheit für sich will, aber nichts davon an das Team weitergibt. Er ist kein Mann der Frage, er hat eine Antwort: Wowi, und das ist auch gut so. Ist es zu viel von der SPD verlangt, sich radikal zu hinterfragen? Wahrscheinlich ja. Deshalb lautet die Antwort leider: Nein.
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