Pro Abriss: Sollen diese Hochhäuser weg?
Bezirksamtsleiter Andy Grote schlägt vor, die denkmalgeschützten City-Hochhäuser am Hauptbahnhof abzureißen. Endlich!
H AMBURG taz Ästhetik darf nicht das entscheidende Kriterium sein. Dann hätten die City-Hochhäuser am Hauptbahnhof eh keine Chance. Und es ist auch kein Volksentscheid notwendig, um zu ermitteln, ob die vier Betonriegel potthässlich sind. Sind sie, basta.
Die Frage ist, ob sie erhaltenswert sind, und die Antwort ist ein klares Nein. Der Schrecken vom Klosterwall sperrt die Stadt gleichsam ab, er weist zurück, statt einzuladen. Die Ungetüme, die da stehen, sind eine Barriere für jede sinnvolle und lebensfreundliche Aufwertung des Kontorhausviertels. Allein der Umstand, dass jenes wahrhaft denkmalwürdige Quartier im Hinterhof der Betonblöcke liegt, ist ein Skandal. Im Sinne einer lebendigen Stadtentwicklung, die immer eine soziale und ökologische sein muss, ist der Abriss der Hochhäuser nach dem Auszug des Bezirksamts Mitte 2018 unabdingbar.
Dass die elf Stockwerke unter Denkmalschutz stehen, ist wohlwollend betrachtet ein Irrtum. Jeder macht mal Fehler, auch Denkmalschützer, wie ihre Begründung zeigt. Die Hochhäuser seien ein „unübersehbares am Eingang zur Innenstadt platziertes Dokument zeitgemäßer Nachkriegsarchitektur“. Genau das ist das Problem.
Das „Unübersehbare“ bedeutet eben, dass das Unding Blickwinkel verstellt und Sichtachsen nicht zulässt, dass es trennt, nicht zusammenführt. Und mit dem Hinweis auf die Nachkriegsarchitektur ließe sich auch die Ludwig-Erhardt-Straße unter Denkmalschutz stellen, weil heutzutage kein Stadtplaner mehr auf die Idee käme, eine solche menschenfeindliche Asphaltschneise quer durch eine Innenstadt zu schlagen. Was aber als Fehlentwicklung erkannt wurde, wird erstens nicht mehr nachgemacht und muss zweitens auch nicht erhalten bleiben.
Zudem ist auch das Innenleben der vier Blöcke furchteinflößend. So sehr die Gebäude äußerlich abschrecken, so bedrückend sind sie von innen. Wenn es stimmt, und es stimmt ganz sicher, dass die Arbeitsatmosphäre auf Motivation und Leistung durchschlägt, dann sind die MitarbeiterInnen im Bezirksamt Mitte um ihre Amtsstuben nicht zu beneiden.
Sicher ist sorgfältig zu planen, was an Stelle der City-Hochhäuser zu errichten wäre. Natürlich kommen dort Geschäfte hin, Büros und Praxen obendrauf, dazu selbstverständlich reichlich Wohnungen. Wenn die Bezirkspolitiker aus früheren Fehlern gelernt haben, sorgen sie für einen Drittelmix aus Eigentums-, Miet- und geförderten Wohnungen, für buntes Gewerbe statt Ladenketten und für eine fußballfeldgroße Quartiersgarage im Keller, die das Kontorhausviertel autofrei macht und allein dadurch schon qualitativ aufwertet. Der Abriss der City-Hochhäuser ist eine große Chance für die Belebung der öden Innenstadt.
Nur ein Argument spräche für ihren Erhalt. Dahinter, im Johanniswall, residieren im dritten Stock der Innenbehörde die Schergen vom Verfassungsschutz. Denen wäre der Blick auf die scheußlichen Betonriegel weiterhin zu gönnen. Aber: Seien wir großherzig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?