Beide Richtungsbestimmungen empfinde ich unklar und nicht ausreichend, um eine neue Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bei der SPD zu verankern.
1. Die SPD ist mit ihrer bisherigen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bei den Wählern, Mitgliedern und Sympathisanten gescheitert.
2. Hartz-IV (das ganze Hartz-Paket) ist in der Realität gescheitert: Eine Prozesswelle erstreckt sich über die Sozialgerichte in Deutschland, es wird kaum in Arbeit vermitteln, Weiterbildung schlägt bei Langzeitarbeitslosen fehl, Kundenfreundlichkeit ist einer Verwaltungsmentalität gewichen und zu allem Überdruss steigt die Armut an, besonders bei Kindern.
3. Die Parteien haben diese Reform nicht selber gelebt, Gas-Gerd, Zeitarbeits-Clement und wie sie alle heißen haben die harten Einschnitte und die ansteigende Armut durch persönlichen Aufstieg (Clement ist jetzt Millionär) kontkarikiert.
4. Die Sozialsystem sind nicht zukunftsfest geworden, sondern das Sozialsystem schützt nicht mehr vor Armut und Perspektivlosigkeit (Mangel an echter Weiterbildung).
5. Ausgaben für die ARGEn und Hartz-IV sind nach Oben hin offen, andererseits verdienen Vermittler und Angestellte dort oft sehr schlecht, das führt nicht dazu, dass dort talentierte Mitarbeiter antreten. In der Tat scheitern die Vermittler an der Vermittlung.
6. Hartz-IV hat die Lohnstrukturen in gewerkschaftsfernen Branchen praktisch erodiert, Aufstocken ist ein Massenphänomen in der Security-Branche, beim Putzen und in der Gastronomie. Die Zeitarbeitsbranche drückt systematisch Löhne und rückt immer nächer an tarifgebundene Branchen.
7. Hartz-IV beinhaltet auch Elemente gegen die Betriebsverfassung: Im 1-EURO-Job gibt es keine Möglichkeiten Arbeitnehmerrechte (Betriebsrat) wahrzunehmen, stattdessen können Träger regelrecht Stasi-Berichte über ihre Klienten schreiben. Eine externe Prüfung findet zudem auch nicht statt (ist wohl nicht zu bezahlen).
8. Bleibt ein offene Frage: Was kostet eine effektive und zukunftsfeste Arbeits- und Sozialpolitik? Wie sieht die aus und wie kann die Arbeitslosigkeit gesenkt werden.
Die SPD muss sich von der Agenda 2010 verabschieden, weil diese Agenda nicht gehalten hat, was beabsichtigt war. Tatsächlich gab es einen parteiübergreiffenden Konsens für diese Reform, aber die beteiligten hatten wohl nicht die Kompetenz, um sie so zu getalten, dass es am Ende klappen würde.
Versprochen war eine Senkung der Arbeitslosigkeit unabhängig von der Konjunktur. Personal-Service-Agenturen und Ich-AGs sind heute der Schrott dieser Sozialpolitik. Es wäre vermessen, wenn die SPD dieses Scheitern nicht diskutiert und daraus eine Neubestimmung ableiten würde.
Und das ist auch das Problem, was ich mit den beiden von der taz publizierten Positionierungen habe, die sind mir nicht konkret, nicht kritisch und nicht wegweisend genug. Es sind genau die Luftnummern, die zum historischen Wahldebakel der SPD geführt haben.
Die SPD muss über Substanz, Intellekt, Theorie und Praxis verfügen, wenn sie zu einem besseren Image kommen will und das Image der SPD hängt zu gut 70 Prozent an der Sozial- und Arbeitsmarkpolitik, an der sozialen Verteilung und Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Es ist die Archilles-Sehne der Partei.
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