Privatunis: Der Lack ist ab
Sie galten lange als Vorbilder. Doch oft versagt ihr Management. Die Politik geht auf Distanz, Dabei zeigen private Fachhochschulen, dass es auch anders geht.
Langsam wird es eng für Witten/Herdecke: Denn nach erneuten Finanzproblemen der Privathochschule wird viel Geld gebraucht - von einer Budgetlücke von mindestens 13 Millionen Euro ist die Rede. Die 1982 gegründete Universität war lange Zeit ein Vorzeigeprojekt. Aber schon 2002 stand sie kurz vor der Insolvenz. Nachdem kürzlich die Stiftung der Software AG zurückzog, hoffen die Witten/Herdecker jetzt auf baldige Rettung durch die Stiftung Rehabilitation Heidelberg-Holding (SRH), die Krankenhäuser und private Fachhochschulen betreibt und Gewinne erwirtschaftet.
Weniger als 2 Prozent aller Studenten in Deutschland studieren an privaten Hochschulen. Die sorgen seit einiger Zeit für Aufsehen durch eine Reihe von Beinahe-Pleiten, Übernahmen und stillen Beerdigungen.
So war für die private International University Bremen (IUB) und ihre rund 900 Studenten eigentlich schon im Herbst 2006 das Ende in Sicht - trotz etwa 118 Millionen Euro aus der Wirtschaftsförderung des Landes Bremen. Doch bevor die IUB zur akademischen Ausgabe des Space-Parks (einer Bremer Investitionsruine) werden konnte, sprang Kaffee-Milliardär Klaus Jacobs ein: 200 Millionen Euro will er in den kommenden Jahren geben - und seinen Namen. Mit ihm scheint Vertrauen ins Management der neuen Jacobs University zu kommen: Vor einigen Tagen spendete der Arbeitgeberverband Nordmetall 10 Millionen Euro.
Auch eine andere private International University (IU), die 1998 gestartete IU in Bruchsal, wird mit ihren etwa 200 Studenten nicht fortgeführt. Um die Pleite abzuwenden, soll sie in die Obhut der Technischen Hochschule Karlsruhe übergehen. Für deren Rektor Horst Hippler ein Schnäppchen, so erhält er für seine Exzellenz-Universität die bestens ausgestattete IU als neuen Campus zur Erweiterung.
Ähnliches passierte in Kassel: Dort ging schon 2004 die fünf Jahre zuvor gegründete Kassel International Management School (KIMS) nach Managementproblemen und mangels Nachfrage in die Knie. Die örtliche Industrie- und Handelskammer blieb als Initiatorin auf rund 420.000 Euro Schulden sitzen. Da griff die Universität Kassel schnell zu: Man übernahm günstig die Mehrheit und sanierte den maroden Überflieger, der jetzt als Kassel UniKIMS am Markt aktiv ist.
Kurz vor dem angekündigten Ende im badischen Bruchsal platzte auch der Traum des Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT): Für 1 Euro wurde die Business-School an einen anderen privaten Hochschulbetreiber, die Steinbeis-Gruppe, verkauft. 1,5 Millionen Euro von Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) gab es noch dazu - offiziell für die Studenten, nicht für die Altschulden von rund 1,3 Millionen. Denn das SIMT stand bereits 2002 vor der Pleite und verlor seinen Hochschulstatus, verschlang aber bis heute mehr als 20 Millionen Euro geschätzter Gesamtmittel von Land, Kommune und Industrie. Bis zum Verkauf im Frühjahr hatte das SIMT dafür 281 Absolventen.
Keinen einzigen Absolventen und Studiengang konnte gar die Auto-Uni von Volkswagen nach fünf Jahren vorweisen. Von Peter Hartz initiiert, stand sie bis zur faktischen Abwicklung unter Leitung des Technikphilosophen Walther Chr. Zimmerli, zuvor Präsident in Witten/Herdecke. Zimmerli fand zurück in den Staatsdienst - als Präsident der TU Cottbus.
Ist das Modell Privathochschule in der Krise? Selbst einer seiner eifrigsten Förderer wie Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Frankenberg ließ zum Fall Bruchsal eine Bemerkung über private Hochschulen fallen, die dort manchem als Verrat gilt: "Sie haben vielleicht ihre Rolle in der Evolution der Hochschulen gespielt und werden jetzt von den stärkeren Dinosauriern gefressen." Immerhin: Die Privathochschulen hätten dazu beigetragen, so Frankenberg, die Innovationen an den staatlichen Hochschulen voranzutreiben.
Leider nicht genug. Denn gerade für viele Staatshochschulen, die durch Behäbigkeit und Missmanagement auffielen, sind die Vorgänge bei den Privaten ein Himmelsgeschenk. Sie liefern die willkommene Entschuldigung für eigene Schwächen. Nach dem Motto: Die können es doch auch nicht. Dabei sind die meisten Privaten Fachhochschulen, die durch eine oft besonders praxisnahe Ausbildung eine bemängelte Lücke durchaus erfolgreich schließen.
Dennoch gilt für die Studierenden an den privaten Hochschulen seit den akademischen Beinahe-Crashs mehr denn je: Trau, schau, wem. Bei der Wahl der Hochschule hilft ein Blick aufs Geld - hat sie es, fehlt es ihr? Einigermaßen planbare Finanzen bringen Stiftungsgelder wie bei der Bucerius Law School in Hamburg, die von der ZEIT-Stiftung getragen wird. Oder bei der Hertie School of Governance in Berlin, finanziert von der Hertie-Stiftung aus Frankfurt, die seit einigen Jahren die Erträge aus ihrem Vermögen von mehr als 900 Millionen Euro ausschüttet.
Sogar der Staat trägt seinen Teil bei: durch steuerliche Förderung. Ob die Arbeit vieler Stiftungen den Steuerbonus wirklich braucht, ist die Frage: "Die Steuerbefreiung für Zuwendungen an gemeinnützige Institutionen scheint angesichts der aktuellen Steuersätze gerechtfertigt", so der Stiftungsexperte Ulrich Brömmling. "Im internationalen Vergleich ist dies keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Eine Grundsatzdiskussion hierüber wird allerdings vermieden."
Bislang verkündeten die Privaten gegenüber den Staatsunis selbstwusst zahlreiche Vorteile und Alleinstellungsmerkmale. Im Wettbewerb werden sie gerade auf den Prüfstand gestellt. Ob professionelleres Management, stabilere Finanzen, bessere Unternehmenskontakte, größere Internationalität, höhere Praxisnähe, gute Verträge für besondere Jobs schon vor dem Examen - wenn der eigene Anspruch der Realität nicht standhält, verschwindet erst der Vorteil, dann der Student. Ob noch manch weitere Privathochschule verschwindet, ist vielleicht nur eine Frage der Zeit.
Professor Ulrich Hommel, Ex-Rektor der privaten European Business School (ebs), hatte schon vor drei Jahren eine konkrete Vorstellung davon, wie viele der privaten Hochschulen nicht überleben würden: "Langfristig werden bis zu 20 Prozent der Privathochschulen eingehen oder übernommen werden."
Wer möchte gern an einer Hochschule mit Verfallsdatum studieren? Wenn es die Uni plötzlich nicht mehr gibt, was ist der Abschluss noch wert? Hommel riet damals: "Wenn eine Hochschule erst wenige Jahre existiert, keine Geschichte hat und nur wenige Studenten, dann sollte man vorsichtig sein." Das Problem: Diese Beschreibung trifft nach dem Privatuni-Boom der vergangenen Jahre auf eine ganze Reihe von jungen, nichtstaatlichen Hochschulen zu.
Einige suchen daher offen nach studentischen Pionieren zum Hochschulaufbau. Zum Beispiel die Zeppelin University aus Friedrichshafen. Doch besondere Gewinne für den risikobereiten Pionierstudenten im Sinne des Ökonomen Joseph Schumpeter fließen auch bei den Privaten nicht mehr von selbst. Bei Einstiegsjobs und Karrierepfaden macht sich allmählich die Konkurrenz guter staatlicher Hochschulen bemerkbar.
Dabei zeichneten sich private Hochschulen gerade dadurch aus, Studierende frühzeitig durch "Placements" an künftige Arbeitgeber zu vermitteln. Was man in Witten/Herdecke poetisch "Heiratsmarkt" nannte, ist für viele Interessenten ein wichtiges Argument für ein Studium bei den Privaten. Doch diese zusätzliche Anstrengung ist teuer - und heute längst nicht mehr bei allen Privathochschulen die Regel. "Es muss klar gesagt werden: Wir vermitteln unseren Studenten keine Jobs", erklärt Hertie-Dekan Michael Zürn. Sein erster Jahrgang mit rund dreißig Studenten verließ im Mai die Politikhochschule nach zwei Jahren - alle mit einem Master of Public Policy in der Tasche, aber viele noch ohne Arbeitsvertrag.
Dass man allerdings sehr wohl gute Lehre und erfolgreiches Hochschulmanagement mit Jobs für Studenten verbinden kann, zeigen einige der kleinen privaten Fachhochschulen: So erwirtschaftet etwa die FH Nordakademie Elmshorn ihr überschaubares Budget von rund 4 Millionen Euro im Jahr vollständig aus Studiengebühren. Die zahlen die 900 Studierenden nicht etwa selbst. Sie werden von Unternehmen übernommen, die eng mit der Hochschule kooperieren. Danach winken entsprechend gute Jobaussichten in diesem Firmen. Auch die Professoren müssen mehr leisten als an einer vergleichbaren FH, können aber auch mehr verdienen.
Die private Fachhochschule Göttingen (PFH) gibt ihren Absolventen sogar eine "Geld-zurück-Garantie": Wer sechs Monate nach dem Examen keinen Job gefunden hat, bekommt die Gebühren eines ganzen Studienjahres zurück - derzeit mehr als 7.000 Euro. PFH-Präsident Professor Bernt Sierke muss nicht lange nachdenken, wie vielen Studenten er in den vergangenen Jahren die Gebühren erstatten musste: "Zwei." Und in einem der beiden Fälle habe es kurz danach geklappt mit einem Arbeitsvertrag. Ob es so eine "Geld-zurück-Garantie" bei den Studiengebühren der staatlichen Hochschulen jemals geben wird?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid