Privatisierungsdoku auf Arte: Kritik, unverwässert
Privatisierungskritische Dokus haben dem Filmer Herdolor Lorenz schon viel Ärger eingehandelt. Heute läuft sein neues Werk "Water Makes Money" (Arte, 20.15 Uhr).
![](https://taz.de/picture/274657/14/110322_watermoney_03.20110322-10.jpg)
Am Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gibt es viel zu kritisieren. Ein konkreter Vorwurf gerade der letzten Zeit: Dokumentarfilme würden verdrängt.
Nun spricht einer der profiliertesten politischen Dokumentarfilmer einem gebührenfinanzierten Sender ein Lob aus: Herdolor Lorenz, der zusammen mit Leslie Franke die privatisierungskritischen Filme "Wasser unterm Hammer" und "Bahn unterm Hammer" produziert hat, nennt die Ausstrahlung seines im Herbst erschienenen Films "Water Makes Money" am Dienstagabend auf Arte "heldenhaft".
Der Grund: Der Film sei von Beginn an Arte-interner Kritik ausgesetzt gewesen. Kürzlich habe sogar der Chef des Energiekonzerns GDF Suez, Gérard Mestrallet, bei der Arte-Vorstandsvorsitzenden Véronique Cayla angerufen, um die Ausstrahlung des Films zu verhindern. Dass sein kritischer Film es trotzdem ins Fernsehen schafft, bezeichnet Lorenz darum als ein "Wunder".
Die Arte-Leitung also kämpferisches Vorbild für die anderen Gebührenfinanzierten? Vorstandsmitglied Cayla ist zurzeit nicht zu sprechen. Auf taz-Anfrage erklärt die Arte-Pressestelle: "Dass Herr Mestrallet Frau Cayla angerufen hat, stimmt nicht. Dieses Gerücht, das seit Anfang Februar kursiert, stammt nicht von Arte." Wahrscheinlich liege eine Verwechslung vor - Suez klage weiterhin gegen Arte wegen Verleumdung, nachdem Arte 2008 den Film "Flow - Wasser ist Leben" von Irena Salina gezeigt hatte. Im November 2010 habe es einen ersten Freispruch für den Sender gegeben.
Mehrfach juristisch überprüft
Eine Verleumdungsklage hat auch die Firma Veolia gegen den aktuellen Film von Lorenz und Franke eingereicht. Veolia und GDF Suez sind die beiden weltgrößten Wasserbewirtschafter, in Frankreich beliefern sie angeblich rund 80 Prozent der Bevölkerung. Die werde dabei zu "Milchkühen", sagt Jean-Luc Touly, 30 Jahre lang Verwaltungsdirektor bei Veolia, im Film.
Lorenz und Franke haben dazu viel Material gesammelt. Das französische Pendant zur Stiftung Warentest etwa stellte fest, dass viele privatisierte Betriebe stark überteuertes Wasser verkaufen. Für Bordeaux, Grenoble und Toulouse arbeitet der Film die Tricks der Unternehmen auf, die im ersteren Fall schon zu einer Rückzahlung unrechtmäßiger Gewinne in Höhe von 200 Millionen Euro führten.
Lorenz betont, dass die Fakten im Film mehrfach juristisch überprüft worden seien und dass Veolia lediglich gegen die Bezeichnung als "korrupt" klage. In Frankreich seien am Film Beteiligte bereits verhört worden, der Prozess finde wahrscheinlich Ende des Jahres statt. Das Presseecho dort sei groß, möglicherweise habe die Klage dazu geführt, dass die Arte-Führung sich voll hinter den Film stelle.
Ähnliches wünscht sich Lorenz auch von der ARD. Sein Film "Wasser unterm Hammer" sei nämlich 2005 ohne Vorankündigung im NDR gelaufen, dann groß für den UNO-Weltwassertag im März 2006 angekündigt gewesen, jedoch eine Woche vor dem Sendetermin von der NDR-Leitung aus dem Programm gestrichen worden. Der Veolia-Geschäftsführer behaupte auf Flugblättern, die bei Filmvorführungen verteilt wurden, dass das auf einer Veolia-Intervention beim NDR beruhe. Volker Herres, heute ARD-Programmdirektor und damals beim NDR beteiligt, bestreitet das aber mittlerweile.
Bis auf auf Phoenix hat kein öffentlich-rechtlicher Sender jemals wieder "Wasser unterm Hammer" gesendet. Das scheint etwas merkwürdig, hat man doch auch bei Arte die Relevanz des Themas erkannt. Dort begründet man die Ausstrahlung von "Water Makes Money" damit, "dass der Film ein zentrales Thema des heutigen Alltagslebens anspricht, das unsere Mitbürger sehr stark besorgt".
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen