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Privatisierung in NiedersachsenBombenentschärfung bald privat

Das Entschärfen von Bomben aus dem 2. Weltkrieg wird in Niedersachsen ab 2012 von privaten Firmen übernommen. Es soll an Kosten, aber nicht an Sicherheit gespart werden, heißt es.

Kostete 2010 drei Sprengmeister das Leben: Entschärfung einer Bombe in Göttingen. Bild: dpa

HANNOVER dpa | Das Land Niedersachsen privatisiert im kommenden Jahr die Räumung von Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg. Die rund 25 Spezialisten, die Sprengkörper unschädlich machen, sollen an Fachfirmen ausgelagert werden.

Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will damit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung reduzieren und erhofft sich auch Kosteneinsparungen. Eine Summe nannte er bei der Vorstellung der Pläne am Montag in Hannover nicht. Er sicherte den Beschäftigten zu, dass es trotz des vorgesehenen Stellenabbaus in der Landesverwaltung nicht zu Kündigungen kommen werde.

Die Luftbild-Auswertung zum Auffinden von Bomben wird ab Januar 2012 an das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung angegliedert. Schünemann verspricht sich davon eine Beschleunigung der Aufgaben, da die Fachbehörde personell und technisch bereits gut ausgestattet sei. Die Ausgliederung werde zu einer Professionalisierung beitragen, sagte Schünemann. Abstriche bei der Sicherheit werde es nicht geben, versprach er.

Die Kosten für den Kampfmittelbeseitigungsdienst belaufen sich bislang auf insgesamt 8,5 Millionen Euro im Jahr, davon kommen 4,7 Millionen Euro vom Bund. Künftig sollen private Fachfirmen die Bombenräumungen übernehmen, für die eigentlich die Kommunen verantwortlich sind. Das Land will dazu Rahmenvereinbarungen mit den Spezialunternehmen abschließen. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst ist bisher der Zentralen Polizeidirektion angegliedert.

Im vergangenen Juni waren in Göttingen drei Sprengmeister bei der Vorbereitung einer Bombenentschärfung getötet und sechs Menschen durch Splitter und die Druckwelle zum Teil schwer verletzt worden. Schünemann sagte, ohne das Unglück hätte er die Ausgliederung der Bombenräumer wahrscheinlich früher umgesetzt.

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4 Kommentare

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  • DJ
    Dr. Jesus Bin Shopping

    »8,5 Millionen Euro im Jahr, davon kommen 4,7 Millionen Euro vom Bund.« Nur in Niedersachsen oder Bundesweit?

  • K
    Karl

    Was für eine Schweinerei!

     

    Kriegsfolgelastenbeseitigung ist eine Aufgabe der Länder! Zumal das "Entschärfen" ja nur eine Seite der Medallie ist; wer kommt für die Entsorgung auf?

     

    Oder verdient dann daran eine rechtzeitig gegründete Gesellschaft, natürlich nur zufällig?

     

    Was soll denn noch professioneller werden?

     

    Gerade wenn die Kostenseite das Zepter übernimmt? Bestimmt dann nur noch ein Anwalt über entschärfen oder nicht?????

     

    Glück auf!

     

    Karl

     

    PS:(@ Redaktion)

     

    Es handelt sich bei den Verstorbenen um Feuerwerker; "Sprengmeister" gibts nicht, nue "Sprengberechtigte".

  • G
    guntherKummerlande

    Hat man bei der Bahn nicht auch gesagt,

    dass durch deren Privatisierung

    keine Abstriche an der Qualität eintreffen würden?

    Nun gefühlte 40 % der Züge sind unpünktlich,

    die Regionalzüge sind Flickwerk und

    es wird häufig auf Verschleiß gefahren.

     

    Wenn sich so etwas bei einer höchst sensiblen

    Bombenmission wiederholt, ist das verbrecherisch

    und nicht mehr nur naiv und vollidiotisch.

     

    Diese Kernpflicht muß staatlich finanziert bleiben.

    An der Qualität der Absicherungsmaßnahmen bei

    der Räumung müssen hoheitliche Standards mit

    hoheitlichen Bediensteten geknüpft sein.

    Der Schutz vor Kriegswaffen ist eine nur hoheitliche

    Dienstaufgabe! Der Staat darf nicht duch

    dieser Art Spezial-know-how erpressbar werden.

    Das würde auf absehbare Zeit noch viel teurer

    den Steuerzahler kommen.

    Private Public Partnership hat desaströse

    Folgen für die öffentlichen Finanzen gehabt.

    Die Verwaltungen sollten nicht immer dieselben

    idiotischen Fehler wiederholen!

    Der Verdacht korrupter Intrige liegt nahe.

  • O
    Omnibus56

    Wenn man tatsächlich irgendwo sparen könnte, ohne die Sicherheit der Sprengmeister und der Bevölkerung zu gefährden, warum tun es die Behörden (Ministerien) nicht selbst? Warum sparen sie sich nicht die Kosten, die dadurch entstehen, dass "der Private" ja selbst dann, wenn er wirklich fair ist, trotzdem wieder was draufschlagen muss (was die Einsparung auch im fairsten Fall aufzehrt), damit bei ihm auch was hängen bleibt?

     

    Es gab mal vor Jahrzehnten im "MAD"_Magazin eine Rubrik "Was er sagte, was er meinte". Dort gab es mal den hier: "Wenn ihr Arzt sagt: 'Ich möchte ihren interessanten Fall noch drei Kollegen vorstellen.', meint er: 'Ich habe noch drei Golfpartner, die auch an ihnen verdienen wollen.'"

     

    Auf die Politik übertragen, geht der so: "Wenn ein Politiker sagt: 'Wir privatisieren diese öffentliche Aufgabe, um Kosten zu sparen.', meint er: 'Ich habe noch einen Kumpel (bei dem ich demnächst GF werde), der sich eine goldene Nase damit verdienen will.'"