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Privatisierung der BahnKoalitionswunschzettel für Privat-Bahn

Union wie SPD fürchten um das Mitspracherecht des Bundes. CDU kann sich Ausgabe von Volksaktien vorstellen. Währenddessen drohen die Lokführer wieder mit Streik

Am 30. September endet die Friedenspflicht der GDL. Bild: dpa

BERLIN taz Die Union hat bei den ersten Beratungen über die geplante Bahn-Privatisierung im Bundestag grundsätzliche Bedenken angemeldet. Verkehrsexperte Dirk Fischer bemängelte, der Gesetzentwurf von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) lasse den ernsthaften Willen zur "effektiven Wahrnehmung der Rechte des Bundes" vermissen.

Tiefensees Entwurf sieht vor, die Deutsche Bahn AG Ende 2008 an private Investoren zu verkaufen. Die Infrastruktur - Schienen, Bahnhöfe und Energieversorgung - soll juristisch in den Händen des Bundes bleiben. Mit dem durch die Teilprivatisierung gewonnen Kapital soll das Unternehmen besser für den ab 2010 vollständig liberalisierten Wettbewerb im europäischen Güter- und Personenverkehr gerüstet werden. Umstritten ist der Entwurf, weil er der Bahn erlauben würde, das Schienennetz zu bewirtschaften, der Bund aber für dessen Unterhalt und möglichen späteren Rückkauf Milliardenbeträge zahlen müsste.

Die Bahn-Reform wurde am Freitag von Union und SPD zwar generell begrüßt. Beide Seiten fürchten aber um das Mitspracherecht des Bundes. Die Unionsfraktion könne dem Gesetz nur zustimmen, wenn bestimmte "unverzichtbare Kernforderungen" erfüllt würden, sagte Fischer. Dazu gehörten ein von der Bahn zu erbringender jährlicher Netzzustandsbericht und eine externe Preiskontrolle.

Der SPD-Linke Hermann Scheer warb erneut für das Modell der Volksaktie, wonach die Teilprivatisierung ausschließlich mit der Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien realisierte würde. CDU und CSU können sich offenbar vorstellen, dabei mitzumachen, wenn die Position des Bundes als Eigentümer des Schienennetzes gestärkt würde. FDP, Linksfraktion und Grüne erklärten übereinstimmend, sie wollten die Pläne ablehnen.

Tiefensee wehrte sich gegen die in den letzten Wochen lauter gewordene Kritik auch aus eigenen Reihen. Er bekräftigte, die Teilprivatisierung werde "die Bahn stärker machen". Das Unternehmen sei schon jetzt eine Erfolgsgeschichte, doch gelte es, den Weg für mehr Wettbewerb freizumachen, auch um die 230.000 Arbeitsplätze langfristig zu sichern. "Der Bund verschleudert kein Volksvermögen", sagte Tiefensee.

Bedenken der Länder, nach einer Privatisierung würden wenig rentable Strecken auf dem Land in Frage gestellt, entgegnete er: "Die Regionalverkehre bleiben unangetastet. So wie bisher wird die Fläche bedient."

Nach dem Scheitern der Vermittlungsversuche über einen eigenen Tarifvertrag der Lokführer bekräftigte indes deren Gewerkschaft GDL ihre Streikdrohung. Sie forderte weitere direkte Verhandlungen mit dem Konzern. "Die GDL ist dazu bereit", sagte der Vorsitzende Manfred Schell. Die Zeit für eine Lösung werde aber knapp: Die Friedenspflicht endet am 30. September.

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1 Kommentar

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  • EA
    Ernst August Peters

    Scheinbar haben die Bundesregierungen immer noch nicht gemerkt, das bei einer Privatisierung Arbeitsplätze abgebaut werden.

    Fangen wir mal bei der Helmut Kohl Regierung an, als sie mit der so Liberalen FDP regierte.

    Zu dem Zeitpunkt fing es mit der Privatisierung an und es wurden laufend Arbeitsplätze abgebaut. So stark das am Ende mehr als 7 Millionen Arbeitslos wurden und die dann dem Staat in die Schulden Misere gebracht haben. "Oder sollte das heute nicht mehr stimmen." Ich schlage daher vor, dass die jetzige Regierung sich die Privatesierung aus dem Kopf schlagen sollte und sich vom regieren verabschieden sollte, und den Weg für eine Neuwahl frei gibt. Denn am Ende würde die Arbeitslosigkeit wieder ansteigen und den Staat in einer neuen Verschuldung stürzen. Das sogar mit größter Sicherheit, denn ich habe darüber eine Bilanz gemacht, um die Ursachen der hohen Arbeitslosigkeit zu ergründen.

     

    Ernst August Peters

    Wolfsburg