„Prince Charming“ über große Gefühle: „Ich finde heiraten toll“
Nicolas Puschmann ist als „Prince Charming“ auf Vox zu sehen. Er steht auf Monogamie – denkt aber, dass es die große Liebe mehr als nur einmal gibt.
taz: Herr Puschmann, Sie wurden vergangenes Jahr in einer Bar „entdeckt“ und als Protagonist für die Datingshow „Prince Charming“ gecastet. Mitgemacht haben Sie, weil Sie Single waren und nichts zu verlieren hatten, wie Sie es nannten. Dabei würde man ja eigentlich denken, dass ein gut aussehender Typ wie Sie auch ohne Fernsehshow problemlos einen Partner finden sollte, oder?
Nicolas Puschmann: Klar, es gibt diese ganzen Dating-Apps, gerade auch für Homosexuelle, von Grindr bis GayRomeo. Aber da geht es meistens nur um das eine, nämlich den schnellen Sex und One-Night-Stands. Seriöse Liebe sucht da meiner Erfahrung nach kaum jemand. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, dass die Männer da immer noch nach was Besserem gesucht haben, selbst wenn man sich gedatet hat. Also gefiel mir die Idee, einen Monat lang mit 20 Männern und ohne Handys, die für Ablenkung sorgen, eingesperrt zu sein, ganz gut.
Gleichzeitig spricht ja nichts gegen One-Night-Stands. Und man könnte auch einwenden, dass die Idee eines Märchenprinzen, der der einzig Wahre ist, womöglich etwas veraltet und heteronormativ ist.
So naiv zu denken, dass es die Liebe meines Lebens nur einmal gibt, war ich nur mit 18 Jahren, als ich meinen ersten Freund hatte. Aber an das Projekt Beziehung bin ich von vornherein trotzdem immer monogam herangegangen. So wurde es mir vorgelebt, das habe ich verinnerlicht und ich mag auch die Vorstellung, einfach nur mit dem Menschen zusammen zu sein, den man liebt. Natürlich gibt es gerade in der Community da auch ganz andere Beispiele, warum auch nicht. Jeder muss eben ganz individuell das Beziehungspaket schnüren, mit dem er am besten lange mit leben kann. Ich zum Beispiel finde heiraten toll und denke auch überhaupt nicht, dass das ein Hetero-Ding ist. Gleichzeitig weiß ich aber auch nicht, was in einer Beziehung nach fünf oder zehn Jahren sein wird. Bislang war ich immer monogam, aber wenn nach zehn Jahren die Luft raus sein sollte zum Beispiel, muss man sich natürlich einen Plan B überlegen, wenn man weiter zusammen sein möchte.
„Prince Charming“ wird immer gern als „der schwule Bachelor“ beschrieben. Aber Sie haben schon vergangenen Herbst in einem Interview gesagt, dass Sie denken, die Show sei ein bisschen mehr und habe auch eine Art Lehrauftrag. Würden Sie rückblickend sagen, dass das geklappt hat?
Yes, absolut, das kann ich mit voller Überzeugung sagen. Ich selbst war natürlich auch sehr gespannt, was aus der Sendung gemacht wird, also wie das Material, das wir einen Monat lang auf Kreta gedreht haben, am Ende geschnitten wird. Aber zum Glück ist das wirklich toll geworden. Neben all dem Spaß und dem Trinken und Rauchen hatten wir auch die Freiheit, unsere ehrlichen Geschichten zu erzählen, über unsere Vergangenheit, unser Outing, unsere Probleme in der Gesellschaft. Und ich hatte den Eindruck, dass wir – obwohl alle um denselben Mann gebuhlt haben – immer eine Einheit waren. Ganz anders als beim regulären „Bachelor“, wo immer Zickenkrieg ohne Ende angesagt ist.
geboren 1991 in Hamburg. Er arbeitete im Vertrieb von Medizinprodukten, bis er 2019 für „Prince Charming“ entdeckt wurde. Das Interview führten wir zwecks Infektionsschutz am Telefon
Ganz ohne Zickenkrieg kommt natürlich auch „Prince Charming“ nicht aus. Und auch nicht ohne Stereotype: Letztlich zeigt die Show lauter durchtrainierte, gängigen Schönheitsidealen entsprechende Schwule, die leicht bekleidet Party machen. Ist das nicht ein bisschen zu viel Klischee?
Aber was wäre denn unsere Community ohne Klischees? Die gibt’s natürlich, und mit denen kann man auch ein Stück weit provozieren und die Aufmerksamkeit auf uns lenken. Natürlich gab es in der Sendung auch Typen, die nicht schrill oder laut waren. Aber die werden in einer solchen Show natürlich nicht so wahrgenommen. Ich war ehrlich gesagt mit der Mischung von Männern eigentlich sehr zufrieden, denn da waren schon sehr viele verschiedene Typen bei. Und ich glaube also durchaus, dass wir einen guten Einblick in ein echtes, normales schwules Leben geben konnten, wenn ich mir die Reaktionen so angucke.
Wie sahen die denn aus?
Ich habe tolle Zuschriften bekommen von Leuten, die sich dank der Sendung getraut haben, sich zu outen. Oder von Menschen, die sich endlich für das Thema sensibilisiert fühlten und meinten, sie würden nun verstehen, was für einen Prozess man als homosexueller Mensch eventuell durchmachen muss.
Schlug Ihnen auch Homophobie und Hass entgegen?
Gar nicht. Bislang wurde mir bei den Reaktionen ganz schön der Arsch gepudert. Sicherlich gab es ein oder zwei Personen, die mich scheiße fanden. Aber die taten das auch schon im Vorfeld. Ein paar Typen, mit denen ich früher schlechte Dates hatte, haben sich jetzt zumindest die Blöße gegeben, mit reichlich Verspätung zu sagen, was ich für ein Wichser gewesen sei. (lacht) Aber das amüsiert mich eher, als dass es mich stört. Da stehe ich definitiv drüber.
Rechnen Sie damit, dass sich an den Reaktionen nun etwas ändern wird, wenn „Prince Charming“ statt auf dem Streamingportal im linearen Programm läuft?
Ich kann das super schwer einschätzen. Aber insgesamt erwarte ich tatsächlich ein gemischteres Feedback. Es wird jetzt sicher hier und da Leute geben, die sich hinter irgendwelchen anonymen Instagram-Profilen verstecken und irgendwelche Hate-Kommentare schreiben. Kennt man ja: null Follower und im Schreiben sind sie riesengroß, aber wenn sie mich auf der Straße treffen würden, würden sie ihren Mund nicht aufbekommen. Immerhin läuft die Sendung um 22.10 Uhr. Da sind die Kinder der sogenannten „besorgten Eltern“ wohl auch schon im Bett und sie können sich nicht unnötig aufregen.
Sprechen wir über die Entstehung der Sendung, in der es ja emotional durchaus hoch hergeht. Haben Sie nie verflucht, von Kameras umgeben zu sein, während Sie Gefühle für Menschen entwickeln?
Doch, die eine oder andere Situation gab es schon. Beim allerersten Date zum Beispiel war alles noch neu und ungewohnt. Da mussten immer mal wieder Kameraeinstellungen verändert werden, sodass wir innehalten mussten. Oder es fuhr ein Partyschiff vorbei und wir mussten warten, weil sonst der Lärm auf der Tonspur gewesen wäre. Da habe ich schon gedacht: Oh Mann, wie gern hätte ich jetzt einfach ein ganz normales Date. Aber insgesamt habe ich mich schnell daran gewöhnt, sodass es mir irgendwann echt egal war, ob da eine Kamera steht. Weil ich mich so hart auf den Typen fokussiert habe, der vor mir saß und den ich wirklich kennenlernen wollte.
„Prince Charming“ lief zunächst auf der Streamingplattform TVNow. Nun wird die Dating-Show vor größerem Publikum wiederholt: ab Montag um 22.10 Uhr auf Vox
Wurde seitens der Produktion viel eingegriffen und das Drama forciert?
Ehrlich gesagt glaube ich, dass man da nicht viel tun musste. Das Drama ist von ganz alleine entstanden. Von meiner Seite aus war auf jeden Fall nichts geskriptet und ich habe auch nie mitbekommen, was zwischen den Kandidaten im Haus passiert ist. Das musste ich schon selbst herausfinden.
Dass – so wirkt es zumindest – die Alkoholvorräte nie ausgingen, dürfte da jedenfalls nicht geschadet haben …
Ich hatte ja jeden Tag ein Date – und es gab immer etwas zu trinken. Egal um wie viel Uhr das Date anfing. Wir haben im September mit den Dreharbeiten angefangen, da war es auf Kreta noch bullenheiß. Wein und Sekt bei Dates in der prallen Sonne – zumindest bei einem Date ist mir das dann auch wirklich zu Kopf gestiegen. Da habe ich dann auch vergessen, dass ich gerade in einer Fernsehshow bin, aber ich stehe zu allem, was passiert ist.
Haben Sie denn im Rückblick das Gefühl, vielleicht hier und da zu viel preisgegeben zu haben? Zum Beispiel beim Thema Anal-Waxing?
Überhaupt nicht. Ich fand es eher schräg, wie pikiert gerade die Homosexuellen im Haus darüber waren, dass ihr Prince Charming über so etwas spricht. Ihr cremt euch schließlich gegenseitig mit Sonnenmilch ein und führt Paarungstänze/Balztänze in der Villa auf – und ich erzähle nur, dass ich es hygienischer finde, mich zwischen den Backen waxen zu lassen?! Auf jeden Fall habe ich mich eher über mich selbst totgelacht, denn ich nehme mich selbst da gerne nicht zu ernst und haue mal einen Spruch raus. Ich schäme mich überhaupt nicht. Und bin ganz überrascht, dass mir nach der Sendung tatsächlich einige Leute geschrieben haben, um zu fragen, wo man denn Anal-Waxing machen kann.
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