: Prima Leben unterm Stiefel
Montagsexperten kommen zu Wort: Egon Campari ■ Ü B E R L E B E N S B Ö R S E ‘ 8 9
Als gebe es nicht noch Blöderes: Das konzentrierte Funkausstellungs-TV-Bombardement ist an Peinlichkeiten kaum zu überbieten, bloß eine kleine Riege versucht die Stellung zu halten - mit intellektuellen Darbietungen in Talk-Show -Manier. Der Kultur-Kanal der ARD, „eins plus“ bemüht sich, der Flut der Dummheit entgegenzutreten, aber in einer Weise, die nur unsere Empörung hervorruft: Am Samstag wagte es Carola Wedel mal wieder fernsehöffentlich, ebenso originell wie ungefähr zum hundertsten Male zu fragen, was denn rot -grüne Kulturpolitik sei: „Schrippe oder Schampus - wo geht es lang?“ und da durfte originellerweise eine nicht fehlen: Kultursenatorin Anke Martiny.
Nun wissen wir längst, was sie zu sagen oder eben nicht zu sagen hat, bloß das Entscheidende bringt sie nicht heraus. Deshalb wollen wir es ihr hier abnehmen: Wir fordern: Schluß mit diesen inquisitorischen Verhören nach der Jürgen-von-der -Lippe-Manier, bei der es keine Gewinner gibt: Anke Martiny soll sich zu ihrem eigenen Opfer stylen, das fordert unser aufrichtiges Mitleid und Einschreiten. Gnadenlos wird sie von Talk-Show zu Talk-Show verheizt, mit immer den gleichen Fragen, auf deren Beantwortung niemand dringender wartet als sie selber. Die Moderatorinnen müssen ja nicht beantworten, was das alles heißt: dezentral und multikulturell. Martiny versucht es erstmal mit buchstabieren, und das verläßt wirklich die kulturell hochstehende Ebene dieses Kulturkanals. Aber wie in den billigsten Quiz-Spielen weidet man sich brutal an seinem Opfer, das nochmal zuckt, mal dezentral, mal multikulturell. Schon versetzen sie ihm den nächsten Schlag: Wenn die Senatorin schon kein Konzept habe, dann doch wenigstens eine Utopie. Diese fordernde Frage ist zutiefst unfair, denn natürlich hätte Anke Martiny auch eine Utopie als Konzept verkauft, wenn sie denn eine hätte.
Leichte Beute also für die anspruchsvollen Moderatoren, die sich ruhig mal etwas mehr anstrengen könnten: Wenn sie sich intellektuell streiten wollen, dann sollten sie sich die passenden Gäste einladen. Was wiederum nicht heißen soll, Martiny hätte nichts zu sagen, man muß sie bloß zu den richtigen Themen fragen. So weiß sie zum Beispiel, daß der Kommunismus weg ist in seiner abschreckenden Form. Das ist doch mal eine klare Antwort und ein Defizit weniger, von denen sie ansonsten so viele zu beklagen hat, angefangen mit den fehlenden Büchern für die junge Generation in Deutschlands jüngster Großstadt Berlin. Und was die im Osten schaffen, sollte sich hier doch schon lange machen lassen, und da ist er doch, der multikulturelle Ansatz.
Und wenn das alles noch nicht so klappt, wie sie sich das vorgestellt hat, dann weiß sie auch, warum nicht: Ihr fehlen die geeigneten Berater - die unter 50: Die will sie sich jetzt suchen, und da gibt es reichlich Auswahl: Soviel wie sie, wissen die jungen Menschen schon allemale und sind gegen das entsprechende Entgelt aus den Töpfen für Multikuturelles und Dezentrales gerne bereit, ihr flächendeckende Vorschläge zu machen allerdings unter einer Bedingung: No more talk shows please!
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