: Prima Klima für die Industrie
Heute tritt die Internationale Konvention zum Schutz des Klimas in Kraft. Auch die Bundesrepublik hat das Papier unterzeichnet ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Die Bundesrepublik bleibt in ihrer Klimapolitik weit hinter ihren Ankündigungen zurück. Kurz vor dem Inkrafttreten der Internationalen Klimakonvention am heutigen Montag faßte die Bundesregierung auf 146 Seiten noch einmal ihre bisherigen Maßnahmen zusammen. Höhepunkt: Der neue Bundesverkehrswegeplan mit geplanten 11.500 Autobahnkilometern trage „zum Erreichen des Ziels der CO2-Reduzierung bei“.
In ihrer Antwort auf eine große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Thema erklärt die konservative Koalition, daß sie vor allem auf ökonomische Instrumente setze, um die Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2005 auf jährlich unter 765 Millionen Tonnen zu drücken (Stand 1992: 910 Millionen Tonnen). Andererseits tut sich die Regierung aber gerade mit den ökonomischen Instrumenten sichtlich schwer. Strommonopole scheint sie nicht zu kennen, wenn sie schreibt: „Die Preise für verschiedene Energieträger bilden sich grundsätzlich am Markt.“ Geld will sie nicht ausgeben für den Klimaschutz und die großen Anheizer des Treibhauses nicht zur Kasse bitten.
Beispiele: Die Bundesregierung bekräftigt zwar die Forderung, das „längerfristig wirtschaftliche Potential der erneuerbaren Energien ... zu erschließen“, für die Markteinführung solcher Energien hat sie aber kein Geld übrig. Die Folge: Selbst Siemens macht Teile der Solarzellenfertigung zu.
Das im Musterland der Marktwirtschaft, den USA, seit einem Jahrzehnt übliche, marktkonforme Instrument des Least Cost Planning vor dem Bau neuer Kraftwerke lehnt die Bundesregierung ab. Es ist den Stromunternehmen nicht zuzumuten, zunächst auszurechnen, ob Stromsparen nicht billiger ist als Neubauen. Das liefe darauf hinaus, das 1936 entstandene „Energiewirtschaftsgesetz zu einem stärker dirigistischen Kontrollgesetz umzugestalten“, heißt es in der Antwort der Regierung. Stromtarife, bei denen große Kunden pro Kilowattstunde genausoviel zahlen wie kleine, will die Bundesregierung schon gar nicht einführen. Industrielle Stromfresser dürfen weiter besonders billig einkaufen. Eine europäische Energiesteuer ist in weite Ferne gerückt, einen Alleingang will die Bundesregierung der deutschen Industrie nicht zumuten: „Aus ökonomischen und ökologischen Gründen“. Dabei wissen Minister Töpfer und Kanzler Kohl, wie sie selbst schreiben, daß die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Steuer jährliche CO2-Einsparungen von 40 Millionen Tonnen ergeben würde. Und nicht nur das: Die Regierung könnte endlich auch schärfere Energiesparstandards für Altbauten vorschreiben. Doch solche Maßnahmen würden „den Bürger unzumutbar hoch belasten“, meint die Regierung. Bis zu 100 Millionen Tonnen CO2 können deshalb nicht eingespart werden.
Sogar das unbestritten wirksamste ökonomische Instrument gegen den größten Klimasünder Verkehr, eine beständig, kräftig steigende Mineralölsteuer, schließt die Regierung vorläufig aus. Das sei höchstens im Rahmen der EU denkbar. An sogenannte „Flottenverbrauchverordnungen“ nach US-amerikanischem Vorbild wagt die Bundesregierung schon gar nicht zu denken. Die Amerikaner schreiben ihren Autokonzernen vor, daß Neuwagen im Schnitt nicht mehr als 8,6 Liter brauchen dürfen. Brauchen sie mehr, müssen sie Strafe zahlen – deutsche Konzerne zahlten 1991 rund 35 Millionen Dollar Strafe für den Verkauf ihrer großen Schlitten in die USA. Eine solche Regelung sei für Deutschland unbefriedigend, „weil sie keine Rücksicht auf die jeweilige Produktpalette des einzelnen Herstellers nimmt“, meint die Bundesregierung.
Und nicht nur dieses haben Daimlers und BMWs Lobbyisten im Wirtschaftsministerium durchgesetzt: In der Antwort auf die Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen durfte von der Möglichkeit, insgesamt kleinere Autos zu bauen, vom sogenannten „Downsizing“, welches das Umweltministerium gern erwähnt gewußt hätte, nicht mehr die Rede sein.
Bei so wenig (ökonomischer) Steuerung nimmt es nicht wunder, daß die klimapolitische Bilanz düster ist. Im Westen der Republik hat sich so gut wie nichts getan. Nahmen die Emissionen im Osten seit 1987 um 47,4 Prozent ab, weil die Industrie zusammenbrach und vor allem energiefressende Branchen schließen mußten, stiegen die Emissionen im Westen sogar noch um reichlich zwei Prozent an. Noch 1990 wollte die Regierung die Emissionen im Westen allein um 25 Prozent senken.
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