Pressefreiheit: Viel Angst, wenig Courage

175 Jahre nach dem Hambacher Fest ist dort gestern der "Hambacher Appell" unterzeichnet worden. Er soll Journalisten an die Verteidigung der Pressefreiheit erinnern.

175 Jahre Pressefreiheit: Eine Festung, die es zu halten gilt. Bild: dpa

Die "Preßfreiheit" gehörte zu den zentralen Forderungen, als der Homburger Landkommissar Philipp Jakob Siebenpfeiffer und der Journalist Johann Georg August Wirth am Pfingstwochenende 1832 an der Spitze von rund zehntausend Menschen aufs Hambacher Schloss zogen, um gegen Fürstenwillkür und für grundlegende Veränderungen in den damals zersplitterten deutschen Staaten zu demonstrieren. Selbst in der verhältnismäßig liberalen Pfalz war Zensur üblich.

175 Jahre später zieht man nicht mehr aufs Schloss, sondern fährt mit dem Bus: Die Bundeszentrale für politische Bildung und der Deutsche Journalistenverband haben 150 Gäste aus Politik und Medien anlässlich des Jubiläums zu einer zweitägigen Tagung an historischer Stätte eingeladen. Am Donnerstag unterzeichneten der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV) ebendort den "Hambacher Appell". Kernsatz: Es gehört zum Selbstverständnis von JournalistInnen wie VerlegerInnen, "die Pressefreiheit mutig wahrzunehmen".

Auch wenn die heutigen Zustände natürlich nicht denen von 1832 entsprächen, eine "schleichende Veränderung auch in unserem Lande" bereitet dem DJV Sorge: Redaktionsdurchsuchungen, Telefondatenüberwachung oder die geplante Vorratsdatenspeicherung seien nur die Spitze des Eisbergs, sagte DJV-Chef Michael Konken. Denn es wandelt sich Grundsätzliches: "Man hats halt die Journalisten gerne so, wie man sie braucht", brachte es Anton Sahlender, stellvertretender Chefredakteur der Würzburger Main-Post, auf den Punkt. Sein Blatt könne praktisch mindestens einmal pro Woche vor Gericht ziehen, um den in den Pressegesetzen eigentlich klar verankerten Auskunftsanspruch bei unwilligen Bürgermeistern und Behörden einzuklagen. Die "Neigung der Politik hin zur nichtöffentlichen Veranstaltung" gerade im lokalen Bereich spotte jeder Beschreibung. Doch die Zeitungen hätten zu lange versäumt, ihren Lesern zu zeigen, wie sie selbst Pressefreiheit im Alltag durchsetzen.

Dazu kommt eine derzeit hemmungslose Klagefreude: "In Deutschland wird heute viel zu viel und viel zu schnell verboten", sagte der Jurist Klaus Sedelmeier, Verfasser des wohl einflussreichsten Kommentars zum Presserecht. Seine Kollegin Dorothee Bölke machte gar ein "Klima der Angst" in vielen Redaktionen aus. Das ging taz-Chefin Bascha Mika etwas zu weit, doch sie räumte ein, dass JournalistInnen wie Verlage aus Furcht, sich "Ärger und Kosten einzuhandeln", heute weit weniger riskierten.

Und dann ist da ja auch noch die fatale Neigung der Medien, sich mit den Mächtigen gemeinzumachen. Für sie war in Hambach Süddeutsche-Innenpolitikchef Heribert Prantl zuständig: "Manche Journalisten sind wie Schnittlauch - sie schwimmen auf jeder Suppe." Dabei sollten sie doch eigentlich das Pfeffer und Salz sein. Und so droht der Pressefreiheit in Prantls blumigen Worten dasselbe Schicksal wie dem "ausgestopften Viech im Biologieunterricht, das der Lehrer aus dem Schrank nimmt und dann erzählt, was es gemacht und gefressen hat, als es noch lebte."

Um es dann doch nicht so weit kommen zu lassen, steht im Punkt 2 des "Hambacher Appells" ganz fromm, die Medien sollten "zum Schutz der Pressefreiheit maßgeblich beitragen, indem sie diese verantwortlich wahrnehmen". Die Aufrufe der Herren Siebenpfeiffer und Wirth von vor 175 Jahren lasen sich da um einiges mitreißender - so mitreißend, dass beiden schließlich der Prozess gemacht wurde.

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