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Pressefreiheit in der TürkeiDas war es dann

Eine nationalistische Gruppe hat die Leitung der „Cumhuriyet“ übernommen. Zentrale Köpfe verlassen das Blatt, ein Kurswechsel ist zu befürchten

Bekämpft von Außen und umkämpft im Inneren: Wem gehört die „Cumhuriyet“? Foto: dpa

Am Freitag wurde bei den Vorstandswahlen Alev Coşkun zum Vorstandsvorsitzenden der Stiftung gewählt, die die Cumhuriyet herausgibt. Umgehend danach folgte ein radikaler Umbau der Redaktion: Chefredakteur und die Textchefs wurden verdrängt, zahlreiche Redakteure, Autoren und Reporter verließen das Blatt. Die Zeitung ließ verlautbaren, ihr Kurs sei nun „zur Aufklärung und den Reformen Atatürks zurückgekehrt“.

Wer verstehen will, was von diesen Worten zu halten ist, muss sich erinnern. Daran, wie sich die türkische Justiz am 31. Oktober 2016 gegenüber der Cumhuriyet verhalten hat. An diesem Tag wurden die Führungsriege plus mehrere Journalisten der Zeitung festgenommen. Sie saßen anschließend lange in Untersuchungshaft. Der Fall galt als Musterbeispiel für den Druck, den Staatspräsident Erdoğan auf die Meinungsfreiheit ausübt. In ihren Verfahren, die sich über Monate hinzogen, mussten sich die inhaftierten Journalisten vor Gericht für ihre Berichterstattung verantworten. Die Opposition in der Türkei und auch viele internationale Unterstützer solidarisierten sich mit der Cum­huriyet – ein Teil der Mitarbeiterschaft der Zeitung jedoch schlug einen anderen Weg ein.

Nach Aufforderung der Staatsanwaltschaft sagte eine Gruppe alter und neuer Cumhuriyet-Mitarbeiter*innen während des Prozesses gegen die eigene Zeitung aus. Darunter waren der ehemalige Mitarbeiter Alev Coşkun – genau jener, der am vergangenen Freitag zum Vorstandsvorsitzenden gewählt wurde – und Aykut Küçükkaya, der am Freitag zum neuen Chefredakteur gewählt wurde.

Hinter dem staatlichen Vorgehen gegen die Zeitung steckte zum einen die Behauptung, die Cumhuriyet-Journalisten würden mit ihrer Berichterstattung „Terrororganisationen unterstützen“. Das ist jedoch nicht der einzige Prozess: Ein weiterer Vorwurf bezieht sich auf die Vorstandswahlen der Cumhuriyet-Stiftung von 2014, die regelwidrig verlaufen sein sollen.

„Diese Zeitung ist die Zeitung Atatürks“

Jenen zweiten Prozess instrumentalisierten die Cumhuriyet-Mitarbeiter, die die Terrorvorwürfe gegen Kolleg*innen erhoben hatten, für ihre Zwecke: Im August erklärte der oberste Gerichtshof die Vorstandssitzung von 2014 für ungültig. Weswegen die Wahl zum Vorstand wiederholt werden musste.

Im Terrorprozess dagegen hatte die Gruppe um Coşkun behauptet, dass sich der Kurs der Zeitung geändert habe, als Can Dündar Chefredakteur geworden sei. Dieser Prozess gegen die Cumhuriyet endete im April mit der Verurteilung von 14 Mitarbeitern der Zeitung zu insgesamt 73,3 Jahren Haft.

„Diese Zeitung ist die Zeitung Atatürks. Hier gibt es Prinzipien, hier ist man Atatürk und der Republik verbunden. Das ist nicht der Ort, an dem man eine Terrororganisation auf den Ehrenplatz setzt“, hatte Alev Coşkun im September 2017 im Terrorprozess ausgesagt. Er bezog sich auf eine Titelseite der Cumhuriyet vom Mai 2015, auf der ein Bericht über Fethullah Gülen – dem einstigen Freund Erdoğans, der für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht wird – angekündigt wurde. Mit einem Bild, das das Logo der Zeitung überdeckte.

Ein Reporter, der die Cumhuriyet jetzt verlassen will, sagte der taz, Coşkun habe Journalisten und Leiter der Zeitung denunziert und ins Gefängnis gebracht. „Es ist undenkbar, unter seiner Leitung zu arbeiten“, sagt er. „Wie wenig die neue Riege an Journalismus interessiert ist, wurde klar, als die besten Autoren der Zeitung gefeuert wurden oder selber gingen.“

Mit Vertrauten zusammenarbeiten

Ein anderer Mitarbeiter der Cumhuriyet, der bei der Zeitung bleiben möchte, sagte der taz, dass niemand gefeuert würde und dass diejenigen, die die Zeitung nun verlassen, dies freiwillig täten: „Alle wollen mit ihren jeweiligen Vertrauten zusammenarbeiten. Das ist normal bei einer Zeitung. Sie werden sehen, dass sich diese Zeitung nicht ändert und dass sie keine Zugeständnisse bei Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit machen wird.“

Die meisten der Jour­na­lis­t*innen, die sich nach den Vorstandswahlen vom letzten Freitag von der Zeitung trennten, saßen in Silivri in Untersuchungshaft: Chefredakteur Murat Sabuncu musste die Leitung abgeben, er und bisher zehn weitere Mitarbeiter verließen die Cumhuriyet. Der bekannte Investigativjournalist Ahmet Şık, der die Zeitung bereits vor einigen Monaten verlassen hatte, um als Abgeordneter tätig zu werden, protestierte in den sozialen Medien: „Zwischen denen, die uns ins Gefängnis brachten und falsche Zeugenaussagen machten […] und jenen, die den Staat ausplündern und das Land ausrauben, besteht kein Unterschied.“

Übersetzung: Sabine Adatepe

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