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Pressefreiheit in NRWErmittler sollen CDU-Leck finden

Die NRW-CDU hat ein Problem mit Indiskretionen aus den eigenen Reihen. In Blogs finden sich vertrauliche E-Mails wieder. Der Generalsekretär hat Ermittler eingeschaltet.

„Wir sind kein Anti-Rüttgers-Blog“: Webseite Ruhrbarone. Bild: Screenshot

BERLIN taz | So schnell hat sich selten einer vom Paulus zum Saulus gewandelt: Letzte Woche sang NRW-Noch-Medienminister Andreas Krautscheid (CDU) das hohe Lied auf Investigation und Qualitätsjournalismus. Jetzt hat er – schon ganz der neue Generalsekretär seiner durch die Rent-A-Rüttgers-Affäre angeschlagenen Partei – die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die ermittelt gegen „Unbekannt“, gemeint sind aber Lecks im Parteiapparat – und unabhängige Blogs.

Zwei Monate vor der Wahl in NRW geht es geht um die in Medienkreisen zirkulierenden peinlichen E-Mails zwischen Rüttgers Staatskanzlei und der Düsseldorfer CDU-Zentrale. Da wird über SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft schon mal im schönsten Ruhrdeutsch geschrieben: „Das geschieht der Alten recht. Immer auf die Omme“. Oder man erfährt, dass Boris Berger als Chef der strategischen Planung in Rüttgers Staatskanzlei offenbar deutlich mehr mit der Parteiarbeit zu tun hatte, als sich das für einen Beamten der Landesregierung gehört. Nachzulesen war das schon seit langem in den NRW-Blogs Ruhrbarone und //www.wir-in-nrw-blog.de/:Wir-in-NRW, die anstelle der zurückhaltenden NRW-Regionalpresse von Rheinischer Post bis WAZ weitgehend die kritische Berichterstattung über Landespolitik übernommen haben.

Krautscheid erklärt zwar tapfer, es gehe ihm nicht um kritische Blogger: „Wir freuen uns über die Vielfalt im Netz“. Im Handelsblatt monierte er allerdings, es sei „eine neue Qualität, dass ein Blog mit geklauten E-Mails“ arbeite. In einer CDU-Videobotschaft forderte Krautscheid daher „die anderen Parteien auf“, die „illegal ausgespähten Daten nicht zum Inhalt von Wahkampfauseinandersetzungen zu machen“. Das ist ähnlich rührend wie die von der NRW-CDU nun betriebene Flucht nach vorn mit angezogener Handbremse: Einem kleinen Kreis – laut nicht geladenem WDR „genehmen“ - Journalisten hatte Krautscheid bereits am Mittwoch Nachmittag 150 ausgewählte E-Mails zugänglich gemacht. Die Verantwortlichen von Wir-in-NRW, der ehemalige WAZ-Politikchef Alfons Pieper und Ex-tazler David Schraven von den Ruhrbaronen, waren natürlich auch nicht dabei. Sie weisen die indirekten Vorwürfe aus Düsseldorf zurück: „Wir sind kein Anti-Rüttgers-Blog“, heißt es auf Wir-in-Nrw. Und weiter: „Unser Blog erfreute sich heute vieler Zugriffe: Neben der CDU-NRW hatten wir auch intensiven Besuch von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf!“

Die CDU-Strategie, nun mit der Staatsanwaltschaft Kritiker in den eigenen Reihen wie die Blogger einzuschüchtern, halten die Betroffenen schlicht für „dämlich“. Staatskanzlei und NRW-CDU hätten nicht „nur ein Leck, die sind durchlöchert“, so Schraven zur taz. Und es seien höchst „ehrbare Leute, keine verrückten Spinner“, die sich jetzt gegen die Machenschaften von Rüttgers Club in ihrer Partei und im Land wendeten. Dass nun die Staatsanwaltschaft zur „Hilfstruppe im Wahlkampf“ werde, spreche für sich: „Sollen die jetzt Hausdurchsuchungen bei den Bloggern machen?“

Zur Vielfalt im Netz gehört auch der parteieigene CDUNRW/Blog, der zu Krautscheids Klage aktuell ganze vier Kommentare aufbietet – auch diesen von 1.68er: „Wenn Sie wirklich an Bloggern interessiert sind, sollten Sie sich überlegen, ob Sie hier wirklich selbst die harmlosesten Kommentare zensieren. Das könnte eine ganz lustige Internet-Welle nach sich ziehen, wenn man das in den richtigen Foren publik macht. Na dann mal viel Spaß!“.

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1 Kommentar

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  • V
    vic

    Nicht die Entdeckung eines politischen Fehlverhaltens ist zu verfolgen, sondern das politische Fehlverhalten selbst.

    Das eklige Thema muss jetzt primär über den Wahltermin gezogen werden, wie auch immer.

    Sicher ist anschließend nur noch die undichte Stelle der öffentlichkeitswirksame Skandal. Wie gewöhnlich in solchen Fällen.