Presschlag: Schwanengesänge
■ Hertha träumt von trauter Harmonie
„Robert Schwan hat eingesehen, daß er einen Fehler gemacht hat“, verkündete Dieter Hoeneß nach dem 1:1 von Hertha BSC gegen Arminia Bielefeld. Schwer zu glauben. Noch schwerer zu glauben, was der Hertha-Manager außerdem über den Alten vom Berge kolportierte. Der Aufsichtsratsvorsitzende aus Kitzbühel könne sich vorstellen, mit Trainer Jürgen Röber in die nächste Saison zu gehen. Bald wolle man sich in gemütlicher Runde zusammensetzen und „gewisse Regeln aufstellen für uns“. Gemeint waren wohl in erster Linie Regeln für Herrn Schwan, zum Beispiel, daß ein ausgerasteter Aufsichtsratsvorsitzender einen Trainer nicht eigenmächtig im Stadion vor laufender Kamera entlassen sollte. Lernen müsse man vor allem, „mit Krisen umzugehen“. Robert Schwan dürfte an dieser Art Erziehungsprozeß wenig Interesse haben – in seinen Vereinen hat es Krisen nicht zu geben.
Bei Hertha BSC befindet er sich da am falschen Platz. „Die Geburtswehen eines aufstrebenden Vereins“ nannte Dieter Hoeneß euphemistisch die Possen, die sich zuletzt bei Hertha abspielten, einem Klub, der mehr als hundert Jahren auf dem Buckel hat, seit seiner Gründung aufstrebt und zu dem ein unter Omnipotenzphantasien leidendes Urgestein wie Schwan hervorragend paßt. Seit Jahrzehnten krankt der Verein daran, daß er sich für größer hält, als er ist, durch den Einstieg eines Medienkonzerns, der schnellen Ruhm und Profit anstrebt, wurde die Sache nicht besser. Die Bestrebungen Schwans, den bodenständigen Röber durch einen weltgewandten und möglichst in teures Tuch gekleideten Coach zu ersetzen, passen ins Bild. Solche Leute hatte Hertha schon früher. Rudi Gutendorf etwa, der dem Verein zum Abschied bescheinigte, daß er in einem Hühnerstall statt in einer prächtigen Villa residieren sollte, oder Pal Csernai, der verkündete, bei dem Gedanken, hier noch ein Jahr verbringen zu müssen, würden ihm die letzten Haare ausfallen. Man möchte sich gar nicht vorstellen, welche Worte etwa die italienische Sprache in ähnlichem Falle für Leute wie Fabio Cappello oder Arrigo Sacchi bereithielte.
Die Fans sind ohnehin mit Jürgen Röber, dem ehrlichen Malocher. In donnernden Sprechchören wurde der Trainer am Freitag als „bester Mann“ gefeiert, obwohl seine Spielern lange Zeit Fußball eher stolperten als spielten. Auf Volkes Stimme wird jedoch selten gehört im rauhen Fußballgeschäft, und im übrigen ist nur zu hoffen, daß Schwan und seinen Ufa-Spießgesellen nicht eine prekäre Äußerung zu Ohren kommt, die Röber nach dem Match entwich: „Natürlich ist es keine schöne Geschichte, wenn man jeden Tag auf der Titelseite ist.“ Matti
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