Press-Schlag: Manches ist heute besser
Hach ja ... Warum 1996 die Zukunft so vielversprechend vor der Bundesliga lag wie einst der Wilde Westen vor den Siedlern
Der letzte Spieltag der Hinrunde war erst 33 Tage her – und trotzdem musste man sich am Freitagabend vor dem Zwoeins in Hamburg erst mal wieder sortieren und erinnern. Wie lief noch mal die Hinrunde? Klar, Bayern und Dortmund auf Platz eins und zwei. Aber dahinter? Die Aufsteiger? Ach ja, die halten sich beide im Mittelfeld. Wie auch die eher enttäuschenden Schalker und Leverkusener. Werder knapp überm Strich, wie meistens. Stuttgart spielt eine Art magischen Dreck; an Köln erinnern sich wie immer nur die eigenen Fans. Und alle schütteln noch mal den Kopf über den Dusel, der dem HSV einen Rückrundenauftakt gegen die Bayern statt gegen Bochum beschert hat. Okay, alles wieder präsent. (Außer einem: Spielt Hertha eigentlich momentan Bundesliga?)
Die großen Protagonisten des ersten Spieltags nach der Winterpause waren Scholl, Breitenreiter und natürlich: Uwe Jähnig. Siegtreffer in der 89. Minute! Ob man von dem noch mehr hören wird? Und hätte man wirklich gedacht, dass Labbadia in der 64. Minute nochmal so entscheidend … äh, Moment. Sorry! Versehentlich den Rückrundenauftakt von vor 20 Jahren erwischt. Am 11. Februar 1996 schlug der HSV die Bayern mit 2:1. Tore: Scholl, Breitenreiter, Jähnig. Labbadia glich für Werder in Düsseldorf aus; Frank Mill und Mario Basler trennten sich also 1:1. Die Aufsteiger St. Pauli und Hansa Rostock schlugen sich gut; am Saisonende retteten sich alle drei, also auch Düsseldorf. Lautern und Frankfurt stiegen erstmals ab (dazu offenbar ein Verein namens „Bayer Uerdingen“), und Andi Brehme heulte sich bei Rudi Völler aus. In Stuttgart spielte sich das magische Dreieck warm (und im folgenden Jahr die Gegner schwindlig). Den Meistertitel verteidigte 1996 Borussia Dortmund. (Hertha wurdeübrigens 14. – in der zweiten Liga.).
Die Zukunft lag damals noch so vielversprechend vor der Bundesliga wie einst der Wilde Westen vor den Siedlern. Die Bayern waren am Saisonende nur Zweiter, mit sechs Punkten Rückstand – aber Uli Hoeneß war noch nicht vorbestraft. Mainz, Wolfsburg und Claudio Pizarro hatten sich noch nie hier oben blicken lassen. „Ran“ auf Sat.1 ging in seine vierte Saison. Blutige Anfänger waren die Dreipunkteregel und die festen Rückennummern. Matthias Sammer trug die Sechs auf einem schwarz-gelben Trikot, rote Haare statt eines roten Gesichts – und war schon damals sauer auf jeden, der sich nicht 24/7 wie ein NVA-Offizier verhielt. Und Bernd Heynemann war noch nicht CDU-Politiker, sondern pfiff das Spiel in Hamburg.
Aber wir wollen nicht jammern. Manches ist heute auch besser. Der Zusammenhang zwischen Toren und Ergebnis ist weitgehend aufgehoben, wie Ingolstadt mit den 23 Punkten belegt, die sie mit ihren zwölf Toren ergattert haben. Heute kommt auch keiner mehr auf die Idee, Spiele wegen eines fast vergessenen Phänomens auf irgendwelche März-Dienstage zu verlegen. 1995 zog sich der18. Spieltag bis kurz vor Frühlingsanfang hin, weil im Februar mancherorts „winterliche Platzverhältnisse“ herrschten. Oliver Domzalski
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