■ Press-Schlag: Bavaria ante portas
Wir sind wieder wer! Volle Bundesligahäuser, und auch international marschiert die Truppe endlich wieder. Gleich fünf von sechs Mannschaften der Elite-Liga erreichten vergangene Woche die nächste Runde des Europapokals, einzig der FC Bayern schied aus – ehrenhaft gegen ein Spitzenteam einer ähnlich ruhmreichen und zivilisierten Nation. Und bevor doch Mißverständnisse aufkommen konnten, griff der „Kaiser“ ein mit seinem vielzitierten Kommentar zu Frankfurts Gegner Dnjepropetrowsk („Domoprowski oder wie der Kas da heißt“), der die Verhältnisse ins rechte Licht rückte.
Weniger bekannt wurde dagegen, daß auch ARD-Kommentator Gerd Rubenbauer, der die Live-Übertragung der Frankfurter Auswärtspartie vor Ort kommentierte, unbewußt den landsmannschaftlichen Schulterschluß mit Beckenbauer vollzog, als er ein ums andere Mal Formulierungen heim ins Reich schickte wie: „Hier im Stadion ist es mindestens so kalt wie in unserem Hotel“, oder schwärmerisch davon berichtete, wie er Eingeborene mit harten D-Mark zum Putzen der beschlagenen Kabinenscheiben animierte.
Aber auch im badischen Karlsruhe, wo der europacup- berauschte KSC heute den VfB Stuttgart zum Bundesliga- Nachholspiel empfängt, gewinnt beim Fußballvolk das aus dem Nachbarland herüberschwappende Weltbild an Raum. Winfried Schäfer, früher selbst einige Jahre beim FC Bayern aktiv, hat den einst übermächtigen Gegner längst zum Leitstern auserkoren. Stolz berichtete er im „Aktuellen Sportstudio“, wie er die Karlsruher Reihen geschlossen hat, indem er seinem Präsidenten einen Vereinsanzug nach Bayern- Vorbild – „mit Vereinswappen, das stärkt das Wir-Gefühl“ – abgerungen hat. Höchste Zeit war es gewesen, erzählte „Winnie Wahnwitz“, wie der Karlsruher Cheftrainer neuerdings gerufen wird, dem freundlich nickenden Moderator Michael Steinbrecher, denn letztes Jahr, als „wir schon Fünfter waren, da sind wir noch rumgereist wie eine Zigeunertruppe“.
Als Kronzeugen hatte der Winnie seinen beim FC Bayern sozialisierten Kicker Manfred Bender mitgebracht. Der hatte schon in der ersten Europapokalrunde bewiesen, was so ein Mannsbild drauf hat, als er unter selbstlosem Einsatz mit seinen Schienbeinen gegen den Pfosten gerutscht war, daß sie „aufploatzt waren wie Weißwürschtel“. Als es dann unberechtigterweise die Rote Karte setzte, hatte der Manni befunden, daß der portugiesische Schiedsrichter „bestenfalls noch Doamenliga pfeifen“ dürfe.
Ja, da pfeift jetzt ein Bayern- Wind im badischen Karlsruhe, dank Winnie und Manni, und wie sie alle noch heißen, die den angestammten Schlendrian ausgetrieben haben. Als er nach Karlsruhe gewechselt war und es zum erstenmal auf Auswärtsfahrt ging, erzählte der Manni dann noch, da waren die Kollegen „mit zerrissene Jeans und was woaß i net wie“ aufgekreuzt. „Doa hoab i mi scho gfroagt, wo bin i denn doa g'landet?“ Zigeunerlager? Asylantenheim? Judenschule? Ulrich Fuchs (Baden)
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