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■ Press-SchlagEunuchen für den Himmelreich

Sagen wir es ganz nüchtern: Die Fußballwelt kennt doch noch Gerechtigkeit. Kaum hatte der Deutsche Fußball- Bund am Dienstag nachmittag den skandalösen endgültigen Lizenzentzug und damit Zwangsabstieg für Zweitligist Rot-Weiß Essen beschlossen, flogen am Abend die DFB-Teams aus Leverkusen und Frankfurt, sinnigerweise in zwei Duellen Rot gegen Weiß, hochkant aus dem Europapokal. Danke, Austria! Danke, Benfica!

Das Essener Lizenzgerangel war Kuddelmuddel schlechthin: Die Chefetage unter Ex-Präsident Himmelreich hatte im Oktober mit der Selbstanzeige über eine Art gefälschte Bankbürgschaft das Chaos ausgelöst. Folge: Lizenzentzug. Empörung in Essen: Täuscherclub Dynamo Dresden, obwohl nicht einsichtig, bekam zuletzt nur einen Punktabzug. Und die notorischen Bankrotteure von Nachbar Schalke 04 blieben stets unbehelligt.

RWE-Anwalt Rauball entdeckte Verfahrensfehler ohne Ende. Es wurde um Kompromisse gefeilscht – Punktabzug, Geldstrafe? Ohne Erfolg: Der DFB bockte.

Der jetzige „Schieds“-Spruch mag formaljuristisch unangreifbar sein, er bleibt aber ungerecht und unmoralisch. Zudem ist er höchst unsportlich: Die Zweitliga-Tabelle wird grob verfälscht, weil alle ausgetragenen Spiele gegen Essen gewertet werden und alle noch folgenden nur für die Gegner.

Geisterspiele und Wettbewerbsverzerrung, weil es das Busineß so will. Parole: Keine Macht dem Sport. So wird also nicht nur Rot-Weiß aller sportlichen Potenz beraubt, sondern ab sofort auch eine Eunuchenliga ausgespielt. Immerhin lassen sich die DFB-Fürsten die Verhandlungen ohne Resultatsveränderung satt bezahlen. Geschätzte Kosten für RWE: fast eine halbe Million. Allein das neutrale Schiedsgericht kostete 140.000 Mark. So teuer ist kein Verfassungsgericht.

„Der DFB hat uns erst Nikolaus kaputt gemacht, jetzt Ostern“

Dennoch: Es gab in Essen keine Randale, keine Selbsttötungen frustrierter Fans. Die Vereinsfreunde waren nach vier Monaten Hickhack lizenzmüde und weichgeklopft. „Der DFB“, sagt ein Fan, „hat uns erst Nikolaus kaputt gemacht, dann Weihnachten und jetzt auch noch Ostern.“ Es bleiben Trotz und die Hoffnung auf kommende sportliche Feiertage: Die (vielfach erwartete) Kompromiß- Alternative Punktabzug und fette Geldstrafe hätte womöglich den sportlichen Abstieg nach sich gezogen und den Club ruiniert. So aber steht Rot-Weiß wirtschaftlich gesund ab Juli mit einem sofort wiederaufsteigbaren Team in der Regionalliga. Und im Mai erstmal im Pokalfinale. Die schönste Vision: RWE gewinnt gegen Bremen und verweigert, so die derzeit lautstarke Forderung in Essen, den DFB- Bonzen vor Millionen ZuschauerInnen Handschlag und offizielle Entgegennahme des Pokals.

Bis dahin bleibt das Angebot an den RWE, in der Bunten Liga Aachen „Ehrenmitglied mit garantierter Ewigkeitslizenz“ zu werden. Ein entsprechendes Schreiben („solidarisch gegen den DFBismus“) mit Einladung zu einem Benefizspiel ging gestern nach Essen. DFB- Chef Egidius Braun (Aachen), meinen die Alternativkicker, könnte zum Spiel notfalls auch zwangsvorgeführt werden. Bernd Müllender

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