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■ Press-SchlagGestatten: Steilmann, Britta, Kronprinzessin

Eigentlich ist Britta Steilmann zumeist voller Elan, begeistert an vielen Fronten im Kampf des Guten gegen das Böse verstrickt. Halt so, wie man mit 27 Jahren ist, wenn man nicht bereit ist, sich mit allem einfach zu arrangieren.

Doch manchmal werden ihre Phantasien düster: „Heute morgen hatte ich das Gefühl, als wäre ich umstellt von Wänden mit Sehschlitzen und würde durch diese überall Messer aufblitzen sehen.“ So langsam dämmert es ihr, daß Fußball „ein dreckiges Geschäft“ ist, in dem eine Frau alle möglichen Widerstände auf sich zieht. Besonders wenn sie sich in einem Klub engagiert, in dem sie auch noch die Tochter des Vereinspatriarchen ist.

„Jeder im Klub klammert sich an meinen Vater“, sagt Britta Steilmann, und das ist nicht verwunderlich. Kaum ein anderer Verein in Deutschland ist so von einer einzelnen Person geprägt wie Wattenscheid 09 durch Klaus Steilmann. Seit über 30 Jahren kümmert sich der Textilunternehmer um seine 09er, und mit Steilmanns Aufstieg zum Branchengrößten in Europa stieg auch der Klub auf. Zuletzt vor vier Jahren sogar bis in die Bundesliga.

Britta Steilmann, in des Vaters Fußstapfen bei Wattenscheid 09Foto: Bongarts

Aber die Fixierung der Wattenscheider auf ihren „Boß“ ist zugleich auch das Problem. Inzwischen ist dieser nämlich 65 Jahre alt, die Kämpfe in der Textilindustrie werden härter, sein Engagement im „Club of Rome“ nimmt ihn zunehmend in Beschlag und das zu einer Zeit, wo der Klub in der Krise steckt. Die Bundesliga-Idylle im Bochumer Vorort steht jenseits aller fußballtypischen Aufgeregtheiten, steht vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit.

„Ich bin immer schon ein sehr vaterorientiertes Kind gewesen“, gibt Britta Steilmann zu. Die Welt ihres Vaters ist wie selbstverständlich auch ihre geworden. „Schon früh habe ich liebend gerne in Stoffballen herumgewühlt. Ich bin ganz natürlich mit der Textilbranche verwachsen.“

Und mit dem Fußball auch. Die Stadionbesuche waren von kleinauf eine Selbstverständlichkeit. Daß Fußball eine Männerwelt ist, war für die älteste von drei Schwestern dabei kein Problem: „Ich war sowieso immer wie ein Junge.“

Der fehlende Kronprinz im Hause Steilmann ist eine Prinzessin. Allerdings eine, die ihre Rolle eigen interpretiert. Innerhalb von knapp drei Jahren hat sie es geschafft, das Etikett „die Tocher des...“ abzulegen. Sie ist Sprecherin des 1,8 Milliarden- Unternehmens und provoziert alteingessene Mitarbeiter durch die Forderung nach ökonomischen und ökologischen Neuorientierungen.

Die Textilbranche insgesamt kritisiert sie „als zweitgrößten Umweltverschmutzer der Welt“ und kontert mit einer giftfreien und kompostierbaren „Öko-Kollektion“ unter ihrem Namen. Insgesamt nicht eben das, womit man die Zahl seiner Freunde wesentlich steigern könnte.

Und jetzt auch noch Fußball. Der im Vergleich mit ihren sonstigen Aktivitäten kleine Schritt einer Bewerbung auf einen Vorstandsposten bei Wattenscheid 09 hat die bislang heftigsten Reaktionen provoziert. Weil Zurückhaltung und Geduld nicht gerade ihre hervorstechende Eigenschaften sind, hat sie „dem konservativen Volk in Wattenscheid“ ihre Bewerbung als recht lautstarke Forderung nach mehr Professionalität und grundsätzlicher Reform des Vereins vorgetragen.

Zwischen Vater und Tochter gibt es darüber — wie auch in Unternehmensfragen — zwar mitunter generationstypische Meinungsverschiedenheiten, aber keine grunsätzlichen: „Ich glaube, der wäre genau wie ich, wenn er 1966 geboren wäre.“

Daß gerade sie sich nun auch noch im Verein engagiert, „ist natürlich ein Riesenproblem“, gibt sie gerne zu. Aber ihr unausgesprochener Nachsatz dazu heißt: Wer soll es denn sonst machen? So wie ihre Öko- Mode langfristig die Zukunft des Familienunternehmes sichern soll, so geht es auch bei ihrem Engagement für die SG Wattenscheid um die Bewahrung des väterlichen Erbes. Und das ist nicht Selbstzweck, denn dieser Verein hat „eine wichtige soziale Aufgabe in dieser Stadt“.

Nur möchte mancher ihr Fußball-Engagement lieber anders interpretieren: Als PR-Gag für ihre Person oder das Unternehmen, als neues Spielzeug eines Millionärstöchterchens, als einen feministischen Ein-Frau- Feldzug im Fußball, oder kommt es gleich mit den „Heavy Geschichten“, wie Britta Steilmann das nennt. „Da werde ich gefragt, ob ich mit den Spielern duschen gehe oder ein Verhältnis mit unserem neuen Trainer hätte, weil ich doch dessen Verpflichtung befürwortet habe.“ Sagt's und weiß nicht, ob sie darüber amüsiert oder deprimiert sein soll.

Heute abend nun soll ihre offizielle Inthronisierung stattfinden. Ob sie auf der Jahreshauptversammlung der SG Wattenscheid 09 zur zweiten oder dritten Vorsitzenden gewählt wird, wußte Britta Steilmann am Samstag nachmittag noch nicht. Nur in einem ist sie sicher: „Das wird noch lustig werden.“

Im Klub ist zuletzt hitzig debattiert worden. Doch vielleicht bestimmen diesmal sogar die Frauen mit. Die Zahl der weiblichen Mitglieder ist zur großen Freude von Britta Steilmann in den letzten Wochen nämlich sprunghaft gestiegen. Christoph Biermann

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