Press-Schlag: Durch die Hölle
■ Olympique Marseille in der 2. Liga
Im Fegefeuer kam sofort die eiskalte Dusche. Olympique Marseille, als Europapokalsieger der Landesmeister 1993 im Fußball-Himmel, aber nach dem Bestechungsskandal im Spiel gegen Valenciennes in die „Hölle“ der zweiten Liga verstoßen, hatte einen klassischen Fehlstart hingelegt. Eine Stunde lang drückend überlegen, drei Pfostenschüsse und kein Rudi Völler mehr, der vollstreckt. Nach der 2:3-Niederlage gegen Le Mans, das im Sport bislang nur durch das 24-Stunden-Autorennen bekannt war, hatte sich Bernard Tapies strafversetzte Mannschaft, die als Vizemeister der letzten Saison für den UEFA-Cup qualifiziert ist, mit der rauhen Luft im Purgatorium abgefunden. Dann aber zwei Siege gegen Saint Brieuc und Sedan – „OM“, die zwei magischen Buchstaben für den Mittelmeer-Klub stehen schon dort, wo sie alle erwarten. Auf einem Aufstiegsplatz.
Doch der prophezeite Spaziergang zurück in die Elite- Liga Frankreichs wird zum Kreuzweg für eine Equipe, in der Torwart Fabien Barthez als einziger Stammspieler der letzten beiden Jahre übriggeblieben ist. Niort, Gueugnon, Charleville und Arles statt Paris, Bordeaux, Lyon und Monaco – für die grauen Mäuse im Profi-Unterhaus ist der Zwangsabstieg von Marseille eine Offenbarung. Überall werden die Zuschauerrekorde purzeln. Michel Rouquette, Verwaltungsdirektor des bescheidenen Klubs von Sedan, sagt es ganz klar: „Der Mythos Marseille existiert immer noch. Man darf nicht vergessen, daß wir alle vor zwei Jahren die blau-weißen Fahnen geschwenkt haben, als OM den Europacup gewann.“ Seinen Spielern ist im „Stade Vélodrome“ vor über 20.000 Zuschauern das Herz in die Hose gefallen. Letztes Wochenende kamen nur zum Gastspiel von Meister Paris Saint-Germain in Straßburg mehr Fans zum französischen Profi-Kick.
Marseille braucht das Eintrittsgeld dringend. Bernard Tapie, der endgültig keine öffentliche Funktion mehr im französischen Fußballverband ausüben darf, hat alle Stars verkauft. Bedient haben sich Turin, Neapel, Glasgow, Porto, aber auch Monaco, Bordeaux und Rennes. Nur Rudi Völlers Zukunft ist noch ungewiß. Aber der Deutsche wäre zu teuer für den Klub, dessen Jahresbudget vom Liga- Ausschuß auf 100 Millionen Francs, also ein Drittel des früheren Etats, begrenzt wurde. Logisch, daß Jean-Philippe Durand, der neue Kapitän, nicht einmal mehr die Hälfte seines letzten Salärs kassiert. Trotzdem, OM bleibt einer der fünf reichsten Klubs in Frankreich.
Für Marseille ist's nur ein magerer Trost, daß Valenciennes, der „Partner“ im Skandalspiel vom 20. Mai 1993, noch tiefer gefallen ist. Letzten Winter flog das Dach der neuen Zuschauertribüne davon, im Mai war der Abstieg ins Amateurlager besiegelt. Und jetzt hat Staatsanwalt Eric de Montgolfier gegen Jean-Louis Borloo ein Verfahren wegen Betrugsverdacht eingeleitet. Zur Erinnerung: De Montgolfier hat seinerzeit die Ermittlungen gegen Marseille und Tapie geführt. Und Borloo, von 1986 bis 1991 Präsident von Valenciennes, ist in der Pariser Nationalversammlung Mitglied der Oppositionsgruppe „République et Liberté“, zu der auch Bernard Tapie gehört. Die beiden Herren kennen sich gut. Schließlich war Borloo früher Tapies Anwalt.
Bei so viel Zufälligkeiten ist es sicher kein Zeichen des Himmels, daß im Juli plötzlich der Rasenmäher in ein zwei Meter breites und einen Meter tiefes Loch im Feld von Valenciennes sackte. Das Nungesser-Stadion in der Bergarbeiterregion des französischen Nordens hat nicht nur Marseilles Träume vom siebten Fußballhimmel verschluckt. Peter Bausch
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