Press-Schlag: Ungeliebter Hennes
■ Der 1. FC Köln malträtiert ein Fanzine
Er ist der dickste Manager der Bundesliga, und neben dem Essen ist eine seiner liebsten Beschäftigungen, den 1. FC Köln zu ärgern. Besonders gern verpflichtet er deshalb kölsche Großlegenden (Bernd Schuster) oder Kleinlegenden (Hans-Peter Lehnhoff), Hauptsache, die FC-Fans verbinden mit diesen Namen Erinnerungen an güldene Zeiten, in denen der 1. FC Köln noch die Nummer eins am Rhein war.
Daher reagieren die Anhänger der Geißböcke zumeist auch ziemlich verbiestert auf Reiner Calmund und Bayer Leverkusen. Die Redaktion des Kölner Fanzines Hennes machte es einmal anders und begegnete dem übergewichtigen Quälgeist von der anderen Rheinseite mit sanftem Spott. So richteten sie zuletzt in ihrem Heft eine Rubrik namens „Calmunds Eck“ ein, die sich am FAZ-Fragebogen orientierte, den Marcel Proust, wir wissen schon ... Ein Satire-Standard. „Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? – ,Satt!‘“, erfahren wir dort genauso wie die Lieblingsfarbe („fleischfarben“) des dicken Calli, seine Lieblingsblume („Pilsblume“), Lieblingsmaler („Rubens“) oder, was er am meisten verabscheut („Diäten“). So geht das recht lustig weiter und müßte doch gar nicht weiter erwähnt werden, wenn dieser Scherz nicht traurige Folgen gehabt hätte. Die Pointen auf Kosten des Lokalrivalen bedeuten nämlich das Ende von Hennes.
Schuld daran ist aber nicht, wie man vielleicht meinen könnte, ein überempfindlicher Reiner Calmund, sondern – man staune – der 1. FC Köln. „Ich akzeptiere zwar Satire, aber das ist Diffamierung“, lautete der fachkundige Urteilsspruch von FC-Manager Bernd Cullmann. Das Strafmaß: der Verein wird den Verkauf von Hennes am Müngersdorfer Stadion nicht mehr dulden. Cullmann befürchtet nämlich, das „Fanzine mit dem Namen unseres Maskottchens wird sonst mit dem Verein in Verbindung gebracht“.
Das ist natürlich absurd, denn das DIN A5-Heft sieht beileibe nicht wie die Stadionzeitung aus (sondern besser), und die Unterzeile „1. Freies Cölner Fanzine“ dürfte Verwechslungen sowieso ausschließen. Für Hennes vom St.-Paulianischen Gegenstück Übersteiger als „Stern am Fanzine-Himmel“ mit „p.c.-Faktor von 100 Prozent“ bejubelt, wird es nach dem Verkaufsverbot wohl keine Zukunft geben. Das Non-Profit-Unternehmen ist nämlich auf den Handverkauf am Müngersdorfer Stadion angewiesen, die ersten drei Ausgaben fanden die meisten ihrer jeweils rund 800 Käufer hauptsächlich dort.
So kann sich der 1. FC Köln die Kerbe in den Colt schnitzen, der erste deutsche Klub zu sein, der ein Fanzine gestoppt hat. Was natürlich wiederum bestens zum volksfernen, verklüngelten Image des Klubs paßt. Man muß aber auch wohl annehmen, daß dieser Akt von Zensur auch andernorts jederzeit möglich ist. Denn die meisten Vereinsoberen akzeptieren Fußballfans nur als lautstarke Folklore in der Kurve, die weitere Wortmeldungen doch besser unterlassen sollten. Amüsiert über den Kölner Fall dürfte nur einer sein. Hat Reiner Calmund doch jetzt schon für Aufregung bei der Konkurrenz gesorgt, ohne vom Essen aufstehen zu müssen. Christoph Biermann
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