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Press-SchlagIdentität statt Hoeneß

■ Mit dem Übermanager Schäfer denkt der VfB Stuttgart künftig regional

Die Bösewichte waren schnell ausgemacht. Sensationslüsterne Schreiberlinge hatten es mal wieder geschafft, aus einem völlig normalen Vorgang die „etappenweise Entmachtung des Managers Dieter Hoeneß, die der Präsident allem Anschein nach mit seinem Intimus und Präsidiumskollegen Ulrich Schäfer betreibt“ (Stuttgarter Zeitung), zu machen. So jedenfalls hätten sie es gerne dargestellt, die hohen Herren des schwäbischen Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart.

Aber im Ernst: Was die Qualität von Intrigen anlangt, so machen die jüngsten Vorkommnisse beim Stuttgarter Eliteverein durchaus denen diverser TV-Seifenopern Konkurrenz. Seit Monaten verbreiten hohe Funktionäre des Klubs gezielt Indiskretionen über den ungeliebten Manager Dieter Hoeneß. Hoeneß' Wunschkandidat als Daum-Nachfolger, der Niederländer Gus Hiddink, fiel beim Vorstellungsgespräch mit Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und Schatzmeister Ulrich Schäfer durch. Die Verpflichtung von Jürgen Röber, der Mayer-Vorfelder von seinem Bremer Amtskollegen und Duzfreund Franz Böhmert empfohlen worden war, ging dagegen nach einem kurzen Plausch in der Präsidentenvilla über die Bühne.

Den neuen Trainer soll Hoeneß prompt gegen den Präsidenten aufgewiegelt haben, wurde Mayer-Vorfelder hinterbracht: Wenn es eine positive Zukunft für den unerfahrenen Röber geben solle, müsse er sich dem Manager unterordnen und sich vor allem vom Präsidenten, der häufig angeblich „rational nicht nachvollziehbare Entscheidungen“ treffe, fernhalten.

Auch die verbale Schlammschlacht zwischen Hoeneß und Daum gereichte dem Manager nicht zum Vorteil. Weil der Präsident auch danach über weitere angebliche Verfehlungen des Managers unterrichtet worden war, erhielt Hoeneß inzwischen zwei schriftliche Abmahnungen. Eine dritte hätte die fristlose Kündigung zur Folge gehabt – ohne die ansonsten fällige Zahlung einer siebenstelligen Abfindung.

Dieses As behält Mayer-Vorfelder vorerst jedoch im Ärmel. Anstatt die indirekte Demontage des Managers fortzusetzen, haben die Funktionäre inzwischen die Taktik geändert. Ulrich Schäfer, der vor knapp fünf Jahren nach 15jähriger Geschäftsführertätigkeit beim VfB ausgestiegen war, soll als „geschäftsführendes Vorstandsmitglied“ in die Geschäftsstelle des Klubs zurückkehren. Im Klartext: Mayer-Vorfelders treu ergebener Adlatus wird am kommenden Montag in einer Pressekonferenz als ehrenamtlicher Chef des 850.000-Mark-Jahresgehalts-Chefs Hoeneß eingeführt.

„Das stimmt natürlich nicht“, dementierte CDU-Politiker Mayer-Vorfelder diese Darstellung. Es gehe nicht darum, einen Oberaufseher für Hoeneß zu installieren. Den entscheidenden Satz sprach der Finanzminister des Landes Baden- Württemberg mit dem nötigen Pathos: „Es gibt Überlegungen, die Strukturen in der Vereinsführung effektiver zu machen, und es gibt Überlegungen, ob Ulrich Schäfer da eingebunden werden kann.“ So wurde das Dementi schnell zur Bestätigung.

Dabei haben die eifrigen Reformbemühungen beim VfB Stuttgart durchaus ihren Grund. Von der Sache in Leeds im Spätsommer 1992 hat sich der Verein bis heute finanziell und sportlich nicht erholt. Seither wurde kein internationaler Wettbewerb mehr erreicht. Auch in dieser Saison scheint das Ziel UEFA-Pokal-Platz kaum realisierbar. Die Mannschaft läßt Perspektiven nicht einmal vage erahnen. Der VfB derzeit: eine Truppe ohne Begeisterung, Ausstrahlung und Charakter, eine langweilige Elf nach Landsknechtsart, ohne schwäbisches Element.

In leichter Verklärung der Vergangenheit erinnern sich nun aber die Präsidiumskollegen gerne daran, daß Ulrich Schäfer der eigentliche Vater der ruhmreichen Aufstiegsmannschaft um Hansi Müller und Karl-Heinz Förster gewesen ist. Und daß Schäfer es war, der die schwäbischen Helden Klinsmann und Buchwald entdeckt hat. Solche Identifikationsfiguren fehlen dem Verein heute tatsächlich. Strunz, Berthold, Dunga und Foda – teure Spieler, doch konturlos und in der Summe der Punkte auch erfolglos. Nur die Stürmer Elber, Bobic (Schwabe) und Kruse sowie Torwart Immel (gehört zum lebenden Inventar) taugen als Korsettstangen für eine neuzuformierende Mannschaft nach Schäfers Gusto. Drumherum sollen junge Talente, am besten aus dem Großraum Stuttgart, zu potentiellen Leistungsträgern aufgebaut werden: Regionalisierung statt Internationalität.

In diesem Konzept bleibt wenig Platz für einen Manager Hoeneß, der von seiner aktiven Zeit beim FC Bayern und seinem Bruder Uli geprägt ist. Der ehemalige Stürmer will den kurzfristigen Erfolg und er will eine Mannschaft von internationalem Format. Lieber verhandelt er in Madrid mit dem chilenischen Star Ivan Zamorano, den Real dann doch nicht freigegeben hat, als auf heimischen Bolzplätzen nach begabten Jungkickern Ausschau zu halten. Doch der 41jährige Ex- Profi, mit dem der VfB immerhin zehn Millionen Mark Schulden abgebaut hat und quasi nebenbei und unglaublicherweise Meister wurde, beurteilt die Situation wohl auch nicht falsch, wenn er feststellt, daß er nun als Sündenbock herhalten soll.

Trotzdem sei er jetzt bereit, „einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen und wieder zum Wohle des Vereins zu arbeiten“. Denn intern sei alles gar nicht so schlimm gewesen, wie es von böswilligen Journalisten in fast schon ehrabschneidender Weise dargestellt worden sei.

Immerhin: wenn Hoeneß den widerwärtigen Schreiberlingen eins auf die Mütze gibt, hat er den ersten Schritt zu einer neuen, fruchtbaren Kooperation mit dem VfB-Präsidium schon vollzogen. Herzlichen Glückwunsch! Holger Gayer

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