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Press-SchlagKein Millionending

■ Wie man in Cottbus internationale Leichtathletik unaufgeregt zelebriert

Ein Zeppelin schwebte gemütlich über dem Cottbuser Sportzentrum, die Fahnen der Sponsoren wehten fröhlich im Frühsommerwindchen, und der Stadionmoderator Wolf-Dieter Poschmann, im Hauptberuf Sportjournalist, feierte wohlgemut die auf einem Karren um die Stadionrunde gezogene Hochleistungsikone Marita Koch und ihre ewigen 47,60 Sekunden auf ebendieser Strecke.

Für die einen mag Cottbus das Ende der Welt sein, die anderen aber leben dort und registrieren erfreut, daß sich etwas bewegt. Die Bundesgartenschau hat bereits besten Imagetransfer geleistet, der Bahnhof glänzt nagelneu, das Staatstheater läßt Theaterredakteurinnen wohlwollend nicken, und wer von Populärkultur redet, meint auch das German Meeting. Der Meeting-Direktor Ulrich Hobeck hält es – sich auf die IAAF- Punktwertung berufend – für die Nummer vier im Leichtathletik-Lande, hinter Berlin, Köln und Duisburg. Der, einst ein 3000m-Hindernis-Läufer von internationalem Format, war es auch, der 1990 „wir machen das“ gesagt und das allererste, bescheidene Meeting durchgezogen hatte. Der Zuschauer Rudi Thiel, Berliner Branchen- Impresario, sagte damals: „Versucht doch mal, in die German Meetings reinzukommen“ – und ein Jahr später war Hobeck drin. Heuer hatte man einen Etat von 450.000 Mark und damit die Grenze einigermaßen erreicht. „Ein Millionending wie Nürnberg“, sagen die Macher, „werden wir nie.“ Die Franken unterstützt der ortsansässige Versandkatalog, Duisburg, die „DLV-Gala“, wird vom Verband beschert, die Cottbuser haben in Kleinarbeit einen Pool angelegt: 80 Sponsoren hat man, eine Handvoll gibt größere, der Rest kleinere Beträge. Das ist mühsam, macht aber auch die Abhängigkeit kleiner und die Gefahr, erledigt zu sein, wenn der Sponsor umdisponiert.

Ob Cottbus neben einer der Turner und Radler auch eine Leichtathletik-Stadt ist, ist umstritten. In jedem Fall war es eine. Geblieben ist der Olympiastützpunkt, geblieben ist dem heutigen LC, dem vormaligen SC, der Langstreckenläufer Stephan Freigang (27), den die Stadt in der Polizei-Pressestelle untergebracht hat. Freigang, Hauptgarant für den Ausrüstervertrag des LC, mußte allerdings am Mittwoch passen. Er soll am Wochenende beim Europacup in Lille die 10.000m laufen, und da paßte „der Termin nicht“. Heike Drechsler (30) war gekommen – und quälte sich auch. Erst zu 6,76m und Sieg im Weitsprung, dann zu einem Lächeln, als sie nach zwei Versuchen mit „kleiner“ (Drechsler) Oberschenkelzerrung aufgab. „Der Europacup geht vor“, sprach auch sie, „und da brauch' ich die paar Tage, damit das Bein wieder okay wird.“

Bevor es dunkelte, sich eintrübte, war der Wind zunächst von vorn gekommen, „wie wir das lieben“, und so hatte Diskus-Weltmeister Lars Riedel (27) trotz temporärem Mangel an technischer Akkuratesse seine Weltbestleistung von Bellinzona (69,08m) mit vier Würfen über die 67m (Bester: 67,50m) bestätigt. Riedel und Kumpel Schult sind in Cottbus Athleten der ersten Stunde. Drechsler auch. Und die norwegische Speerwurf-Weltmeisterin Trine Hattestad war auch nicht zum ersten Mal hier. Damit versucht man, so etwas wie eine Corporate identity zu schaffen, soll die Veranstaltung Wiedererkennungswert jenseits der hektischen Geld- und Weltrekordjagden der Golden Four bekommen. Globale Rekorde könnte man in der Lausitz im übrigen auch kaum finanzieren, Meetingrekorde schon, die heuer die Vorzeigeathletin Hattestad (66,38m), Riedel und die Hochspringerin Alina Astafei (1,98m) schafften.

Einst kamen 10.000, um die Junioren-EM zu sehen, diesmal waren es 6.000, soviel wie im Jahr zuvor. Der Termin für kommendes Jahr steht, und die Sponsoren sind zufrieden, weil das DSF zwar mit vager Quote, doch bundesweit 90 Minuten live übertragen hat. Und das Wetter hat auch gehalten. Erst ganz zum Schluß kam ein gar mächtiger Wind auf, daß die Leute von ihren Plätzen eilig aufstanden und mit hoher Geschwingkeit Richtung Straßenbahn liefen. Derweil, als die 5.000m-Läufer auf der Zielgeraden im Gegenwind fast zu stehen schienen, kam auch der Zeppelin des ortsansässigen Sponsors im Sturzflug zur Erde zurück. Peter Unfried

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