Press-Schlag: Angriff der Krähen
■ Die Adelaide Crows wollen endlich australischer Footy-Meister werden
„Die Crows übernehmen das Kommando“, gab der Advertiser in Adelaide schon vor Beginn der Australian-Football- Saison die Richtung an. Die Krähen müssen diesmal die Meisterschaft holen. Selbst Superstar Tony Modra, „Full forward“ der „Adelaide Crows“, hat begriffen, worum es geht, und versprochen, in Zukunft weniger durch seine tumultuösen Auftritte in der Disco-Szene Adelaides als durch sportliche Leistungen von sich reden zu machen. Nicht, daß seine Eskapaden seiner Popularität geschadet hätten. Die Verrichtung der Notdurft ausgerechnet in ein Piano einer Tanzbar kann hierzulande durchaus auf Verständnis stoßen.
„Footy“ ist die Macho-Sportart schlechthin. Die Spieler verkörpern auf sportlichem Gebiet den Australian Dream des geradlinigen, unbezwingbaren Naturburschen, der mit seinen „mates“ die Widrigkeiten des lebensfeindlichen „Outbacks“ besiegt. Außerdem sieht Modra einfach gut aus und kann sich elegant bewegen, während seine Kumpels ihre Muskelberge wie irregeleitete Wrestler über den Platz schieben.
Nirgendwo in der Welt wird Fußball so gespielt wie in Australien. Mathematisch betrachtet stellt Footy so etwas wie die gemeinsame Schnittmenge der Sportarten Fußball, American Football und Rugby dar. Dabei fallen alle komplizierteren Regeln dieser Sportarten hinten runter, und heraus kommt die Urform des Ballspiels überhaupt: ein (ovales) Spielfeld, zwei Tore, zwei Mannschaften zu je 18 Mann. Ein olivenförmiger Ball wird in die Mitte geworfen, und wäre nicht das Gebrüll der Zuschauer, man könnte die Knochen der Spieler aufeinanderkrachen hören.
Der vom komplizierten Regelwerk europäischen Fußballs verwirrte Beobachter schaut dem Treiben oft etwas ratlos zu. Es scheint, als ginge es weniger darum, den Ball als vielmehr den Gegner zu treten, als sei nicht das Toreschießen, sondern das Dezimieren der gegnerischen Mannschaft der eigentliche Spielgedanke. Dieser Eindruck ist völlig falsch. Natürlich gibt es auch beim „Aussie Rules“, der Name deutet es an, gewisse Vorschriften. So darf der gegnerische Spieler nicht ohne Grund umgetreten werden, sondern nur, wenn er den „Footy“ in der Hand hält. Daher versucht jeder Spieler gewöhnlich, denselben so schnell wie möglich wieder loszuwerden, am liebsten mit einem kräftigen Fußtritt Richtung gegnerisches Tor. Andernfalls findet er sich innerhalb weniger Sekunden unter einem Berg muskelbepackter Männerleiber wieder („a beautiful tackle“), die ihn erst wieder freigeben, wenn der Schiedsrichter mit durchdringendem Pfiff die Unbespielbarkeit des Balles anerkennt.
Damit solche Situationen nicht zu häufig den Spielfluß stören, wurde eine weitere geniale Regel eingeführt: Wird ein mit dem Fuß getretener Ball („a beautiful kick“) aus der Luft gefangen, dann darf der glückliche Ballbesitzer erst umgerannt werden, wenn er weitergespielt hat. Einen „Mark“ in der Nähe des gegnerischen Tores zu erzielen ist soviel wert wie ein Elfmeter beim Fußball und höchste Kunst des Stürmers. „What a beautiful mark!“ schreien die TV-Reporter, wenn Tony Modra („Godra“ nennen ihn die Fans) mit einem unglaublichen Satz seinem Verteidiger auf die Schulter springt, die Beine um dessen Hals geschlungen, den Ball ergreift und beide zu Boden stürzen.
Auch das Toreschießen ist klar geregelt. Das Tor zählt nur, wenn es – man spielt schließlich „Footy“ – mit dem Fuß erzielt wurde. Sechs Punkte gibt es, wenn der Ball zwischen den Torstangen hindurchfliegt, wobei es nach oben keine Grenze gibt. Geht der Ball knapp vorbei oder berührt den Pfosten, gibt es immerhin noch einen Punkt. So sind Ergebnisse um die hundert Punkte die Regel.
Die favorisierten Mannschaften aus Melbourne wurden von den Crows in der Vorbereitung reihenweise vom Oval gefegt. „Leaner and Meaner“, freut sich der Advertiser über das neue Erscheinungsbild der Helden aus Adelaide. Kein Zweifel, die Meisterschaft wird in die südaustralische Metropole geholt – wenn Modra die Pianos trocken läßt! Norbert Faber
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