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Press-SchlagVerräterische Lippen

■ Neue Rassismusvorwürfe gegen Manchesters Keeper Schmeichel

Eigentlich hätte Peter Schmeichel, dänischer Nationaltorwart in Diensten von Manchester United, allen Grund, zufrieden zu sein. Nach lausigem Saisonstart steht sein Klub inzwischen wieder an der Spitze der Premier League, und in der Champions League müßte es morgen in Porto schon mit dem Teufel zugehen, wenn der englische Meister nach seinem 4:0-Hinspielsieg noch den Einzug ins Halbfinale verpassen würde. Einziger Wermutstropfen könnte höchstens das Ausscheiden aus dem FA-Cup sein, wenn da nicht die wenig schmeichelhaften Vorwürfe wären, denen der Keeper seit knapp fünf Monaten ausgesetzt ist.

Der Däne steht im Mittelpunkt einer Rassismus-Affäre, die jetzt durch ein sechs Jahre altes Videoband, das nach Presseinformationen dem englischen Verband (FA) zugegangen sein soll, neue Nahrung bekam. Auf dem Band sei zu sehen, wie Schmeichel den schwarzen Spieler von Leeds United, Rod Wallace, mit rassistischen Schmähungen eindecke. Dies könne man zumindest an seinen Lippen ablesen.

Im letzten November durften sich die Fußballfans im ganzen Land als Lippenleser betätigen und kamen ziemlich einhellig zu dem Ergebnis, daß Schmeichel den Arsenal-Stürmer Ian Wright nach dessem wüsten

Peter Schmeichel Foto: taz-archiv

Tackling mit gestrecktem Bein einen „fucking black bastard“ nannte. Aufgrund des mittleren Wörtchens wurden sogar polizeiliche Ermittlungen aufgenommen, und dem Torwart droht als erstem Fußballer in England eine gerichtliche Verurteilung wegen Rassismus. Doch damit nicht genug: Im Februar, beim Rückspiel in Arsenals Highbury-Stadion, sprang Wright erneut mit gestrecktem Bein auf den Dänen zu, diesmal zur Abwechslung beidfüßig. Eine Schlägerei zwischen den Erzfeinden konnte mit Mühe verhindert werden, doch auf dem Weg in die Kabine soll Schmeichel nach Zeugenaussagen – von Arsenal-Anhängern – zu seinem Dauerkontrahenten gesagt haben: „Und du bist immer noch ein dreckiger schwarzer Bastard.“ Eine Äußerung, die er vehement bestreitet.

Rückendeckung bekam der 33jährige von Alex Ferguson, was wenig verwundert, denn dieser ist der Manager von Manchester United. „Wir bestreiten kategorisch jede rassistische Bemerkung Peter Schmeichels“, sagt er. Eine Behauptung, die, sollte das verspätet aufgetauchte Leeds-Tape der Lippenlesekunst standhalten, auf leicht tönernen Füßen stünde.

Während Arsenal-Coach Arsène Wenger sich darauf beschränkte, Ian Wright in bezug auf seine rüden Attacken gegen den Keeper in Schutz zu nehmen („Ich kann euch mehr als 30 üblere Fouls seit Saisonbeginn zeigen“) sprang ausgerechnet Ruud Gullit, verdienter Vorkämpfer gegen Rassismus im Fußball, für Schmeichel in die Bresche. In der Erregung würde ein Fußballer eben die schlimmste Beleidigung rufen, die ihm einfiele. Und wenn ihn jemand „schwarzer Sowieso“ nenne, sei er ohnehin nicht beleidigt: „Ich bin ja schwarz.“ Selbst Schmähungen von Zuschauern seien nicht so schlimm, die Grenze wäre jedoch da erreicht, wo es sich um organisierten Rassismus handle.

Kompliziert wird der Fall Schmeichel zusätzlich durch die Persönlichkeit des Opfers. „Es gibt niemanden im Fußball, der schneller Schmähungen brüllt, und niemanden, der schneller die Rassismus-Karte spielt, wenn es ihm paßt“, schreibt der Observer und verweist auf einen Zwischenfall, bei dem Ian Wright einen behinderten Linienrichter als „spastisch“ bezeichnete. „Do two wrongs make Ian Wright?“ fragt das Blatt voller Zweifel. Eine Frage, die auch vor Gericht kaum zu klären sein wird. Matti Lieske

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