Press-Schlag: Schönheit in Gefahr
■ Andreas Möller zum 30. Geburtstag
Unfaßbar: Andreas Möller ist 30! Richtig volljährig! Man kann sich das gar nicht vorstellen – sieht er doch aus, als schliefe er noch immer in Kinderbettwäsche und ginge nach der Schule zum Spielen auf den Fußballplatz.
Jungenhaft scheu ist sein Blick und manchmal feucht auch wie der des jungen Rehs, des Bambis. Elegant ist sein Gang, sein Lauf übers Spielfeld, als trüge er Ballerinenschuhwerk, so federleicht fliegt er dahin – als wolle er zeigen und zelebrieren, daß Fußball, dieses frauenlose, harte Brot, doch voller Anmut sein kann und Schönheit. Bei diesem Anblick schmilzt jeder echte Freund des Fußballspiels dahin.
Entsprechend harsch wird er kritisiert und verspottet von Rohlingen fürs fast schon Feminine. Der blanke Neid ist's, denn wohltuend unterscheidet sich Andreas Möller von sogenannten „Siegertypen“ wie Oliver Kahn, Mario Basler oder Matthias Sammer, über die Oscar Wilde schon vor 100 Jahren schrieb: „Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht der Versager.“ Und hat auch nichts gemein mit Franz Beckenbauer, der aussieht, als creme er sich sein süßliches Erfolgsschnäuzchen täglich mit seinem eigenen Sperma ein zur nicht enden wollenden Feier seiner nicht enden wollenden Banalität.
Nein, Andreas Möller ist gut; an guten Tagen bringt er sogar das Kunststück fertig, vergessen zu lassen, daß man im Land der Sekundärtugenden lebt. Das macht ihn zu einem Künstler – stellvertretend erhebt er sich wenigstens für Sekunden über die Trostlosigkeit von Disziplin, Ausdauer, Fleiß und Ordnung.
Haarig wird es nur, wenn Möller seinen angestammten Platz verläßt – das Spielfeld. Auf den Nebenschauplätzen macht er leicht eine schlechte Figur bzw. auch Frisur:
Die Frisur sieht seltsam aus
Nach zwei Pfund Drei-Wetter-
Taft
Tapfer haben Spielerfrau
und Frisör daran geschafft.
Weit ärger aber noch geht es zu, wenn Andreas Möller von medialen Fieslingen aufs Glatteis der freien Rede gezerrt und gedrängelt wird. Das tut ihm nicht gut, da sagt er dann Sätze wie „Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl“. Zwar lachen nur dumme und schäbige Menschen über den restringierten Code begnadeter Fußballer, aber weh tut es trotzdem, wenn einer, der sie in seiner eigentlichen Tätigkeit alle an die Wand spielt, sich den Hyänen ausliefert, statt sie weiträumig zu umfahren.
Deshalb an dieser Stelle, Andreas Möller zum heutigen 30. Geburtstag, dieses Warngedicht, dieses
Memento mori!
Nicht umsonst ist Medien
Ein Anagramm von meiden
Willst du dich nicht beschedien
Bleib weg – die sind halbseiden
Die ziehen dich ins Unglück
Das heißt: zu sich hinab
Und manchen hetzen sie
Ins Autounfallgrrabb
Wontorra, Beckmann, Dahl-
mann
Sieh nicht in ihre Fratzen
Die Jäger von Sat.1-ran
Sind Killer-Paparazzen!
Schieß die Bälle in den Winkel
Schön berechnet auf ein Haar-
breit.
Und laß dich nicht ,Andi‘ nen-
nen
Denn das klingt nach „An die
Arbeit!“
Wiglaf Droste
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