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Press-SchlagEin romantischer Unsinn

■ Nur gut, daß Regionalligist Eintracht Trier nicht das Berliner DFB-Pokalfinale verödet

So richtig schön gemein hat es der MSV Duisburg angestellt. Quälende zwei Stunden lang hat der Bundesligist seinen bekannten Langeweilerfußball gespielt. Brav haben Stefan „hinten ist vorne“ Emmerling oder Thorsten „Rückpaß“ Wohlert den Ball im Zweifelsfall zum Torwart zurückgespielt. Wie üblich haben sie eineinhalb Torchancen herausgearbeitet und daraus ein Tor gemacht. So richtig hinterhältig durfte Eintracht Trier zwei Minuten vor Schluß doch noch ausgleichen, und entschieden für den MSV war die ganze Chose erst, als auch die Torhüter im Elfmeterschießen angetreten waren.

Eigentlich hatte Trier nie eine wirkliche Chance, das Pokalfinale zu erreichen, aber der MSV Duisburg verstand es, des Gegners lustige Außenseiterrolle nicht mit Paukenschlägen zu beenden, sondern mit bleierner Gründlichkeit zu zermahlen. Und irgendwo muß schließlich auch mal Schluß mit lustig sein, sonst wird das nie mehr was mit dem DFB-Pokal.

Einerseits wird er sowieso schon in irgendwelchen unzugänglichen Ecken des Spielplans versteckt und folglich von den meisten Klubs halbwegs lustlos heruntergenudelt.

Zudem hat sich durch das automatische Heimrecht für Amateurmannschaften (dazu später mehr) in den letzten Jahren auch noch eine gänzlich horrible Kultur von öden Pokalsensationen ergeben, deren triumphalster Ausdruck das bizarre Erreichen des Cup-Finales durch die Amateurmannschaft (dazu gleich wirklich mehr) von Hertha BSC vor fünf Jahren war.

Orchestriert werden die inzwischen zur Regel gewordenen Sensationen durch eine Berichterstattung, die so tut, als ob Kicker wie wir, die nach Abpfiff auf dem Bierkasten hocken, Borussia Dortmund geschlagen hätten. Oberster Zeremonienmeister für diesen romantischen Unsinn ist Rolf Töpperwien, der dazu tonnenweise absurde Informationen beizutragen hat und zur Belohnung das Halbfinale in Trier fürs ZDF kommentieren durfte.

Und im Geiste Töppis vermeldet die Deutsche Presse- Agentur kongenial, daß „die Amateure bis zum Umfallen kämpften“ und MSV-Torwart Gill „zum Retter der Bundesligastars aus Duisburg“ wurde. Wirklich fielen die Trierer hinterher um und rettete Gill sein Team im Elfmeterschießen, ansonsten ist das aber selbstredend völliger Tinnef.

Schließlich würden selbst die meisten Spieler des MSV Duisburg in heiteres Gelächter ausbrechen, wenn man sie „Stars“ nennen würde. Wie mit Blick auf ihre Bankauszüge auch die Akteure von Eintracht Trier wohl eher bestreiten würden, für Gotteslohn vor den Ball zu treten.

Kurzum, die lustigen Amateure sind Profis, die nur nicht so gut sind wie die richtigen in der Bundesliga. Weil sie in aller Regel nicht viel weniger trainieren als ihre Profikollegen in den höheren Klassen, können sie auch genauso lange rennen. Nur spielen tun sie schlechter, was der DFB eben durch die fragwürdige Automatik des Heimrechts auszugleichen versucht. Mit dem erschütternden Erfolg, daß in beständiger Penetranz Regionalligisten ganz weit kommen.

In England, wo der Pokalwettbewerb erfunden wurde, gibt es so einen Unsinn natürlich nicht. Da wird gespielt, wie gelost wurde – und das Halbfinale auf neutralem Platz. Wer dann durchkommt, hat es auch wirklich verdient. Wie am Ende dankenswerterweise doch die Spaßverderber vom MSV Duisburg, den Meistern des unterhaltungsfreien Fußballs. Mögen sie im Berliner Finale am 16. Mai gegen Bayern München das Beste aus ihrer Außenseiterrolle machen – daß sie dabei irgendwelchen Humor entwickeln, davor brauchen wir uns nicht zu fürchten. Christoph Biermann

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