Press-Schlag: Vogts: „Es wird keine Radikalkur“
■ Indiskret mitgelauscht: Die große Krisensitzung des deutschen Fußballs
Egidius Braun: Liebe Freunde, wir haben uns hier harmonisch und einträchtig zusammengefunden, um über die Zukunft...
Hans-Hubert Vogts: Tschuldigung.
Braun: Ja, bitte.
Vogts: Tschuldigung.
Braun: Warum unterbrichst du mich ständig?
Vogts: Ich soll mich doch entschuldigen...
Braun: Bei diesem Fifa-Heini solltest du dich entschuldigen. Nicht bei uns. Wir wissen natürlich, daß du die Wahrheit gesagt hast. Die wollen uns Deutsche kleinkriegen.
Gerhard Mayer-Vorfelder: Genau, mich haben sie auch nicht mehr in die Fifa-Exekutive gewählt.
Braun: Das ist was anderes.
Wolfgang Niersbach: Sollten wir nicht langsam zum Thema kommen?
Braun: Genau. Bitte, Berti, bleibe Bundestrainer. Nur du bist der beste Mann für den deutschen Fußball.
Vogts: Okay.
Braun: Das wäre geklärt. Das DFB-Präsidium hat für den bevorstehenden Neuaufbau der Nationalmannschaft Bundestrainer Berti Vogts das volle Vertrauen ausgesprochen. Und jetzt müssen wir Tacheles reden. Die Leistung unserer Mannschaft in Frankreich.
Franz Böhmert: Erste Sahne. Wo sind denn diese hochgejubelten Brasilianer jetzt? Zu Hause, wie wir.
Mayer-Vorfelder: Wegen einer Niederlage muß doch der Fußball nicht neu geschrieben werden.
Vogts: Ohne diesen betrügerischen Schiedsrichter wären wir Weltmeister.
Mayer-Vorfelder: Vielleicht können wir das etwas diplomatischer formulieren, etwa: Der DFB wird alles tun, um die Position der Nationalmannschaft zu stärken. Das klingt gut und verpflichtet zu nichts.
Braun: Wohlgesprochen. Weiter im Text. Die Reaktion der Öffentlichkeit.
Vogts: Man darf in dieser fußballosen Zeit nicht alles auf die Goldwaage legen.
Bernd Pfaff: Fußballos? Ich wußte gar nicht, daß du so selbstkritisch bist.
Niersbach: Er meint doch nicht die Mannschaft, sondern die Sommerpause.
Pfaff: Immerhin sagt Schalkes Assauer, jeder Bundesligatrainer hätte mehr aus der Mannschaft rausgeholt.
Allgemeines Raunen: Verräter, Defätist, Nestbeschmutzer, Pfaff wird rot und sagt nichts mehr.
Vogts: Der Assauer ist doch bloß sauer, daß ihn Helmut Schön damals ignoriert hat.
Hämisches Gelächer.
Braun: Jetzt im Ernst. Was ist mit diesem Expertengremium?
Schallendes hämisches Gelächter.
Braun: Gut, aber so können wir das nicht sagen. Wie wäre es mit: Das DFB-Präsidium... wird einen Kreis von Experten nominieren, die speziell Konzepte im Nachwuchsbereich prüfen sollen. Da werden die Herren Netzer und Rummenigge aber gucken.
Niersbach: Weiter in der Tagesordnung. Neuaufbau!
Vogts: Es wird keine Radikalkur.
Böhmert: Aber Effenberg mußt du schon holen.
Vogts: Mit dem rede ich nicht.
Braun: Doch, Berti, du mußt ihn anrufen.
Vogts: Anrufen, okay, aber reden tu ich nicht mit ihm.
Braun: Berti, tu es für mich!
Vogts: Na dann.
Braun: Prima. Also, Zitat Vogts: Ich werde auch mit Stefan Effenberg sprechen. Zitat Braun: Ich bin mit all meiner inneren Kraft und Motivation bereit, die Herausforderung anzunehmen, den DFB in das nächste Jahrtausend zu führen. Klingt toll, was?
Niersbach: Bliebe noch das Nachwuchsproblem.
Mayer-Vorfelder: Lausiges Pack. Völlig versaut. Nur Playstation im Kopf. Und wenn sie einen Ball geradeaus schießen können, wollen sie eine Million.
Böhmert: Genau. Und dann rennen sie alle zu diesem Amisport. Uns bleiben nur arme Würstchen, die nicht wachsen.
Vogts: Höhö.
Braun: Trotzdem, wir müssen wenigstens so tun, als ob wir was tun. Bernd, wieviel haben wir in der Portokasse?
Keine Anwort.
Braun: Na gut, bisher geben wir fünfzehn Millionen Mark dafür aus, drei mehr sollten reichen. Basta. Das Wort haben Sie, Doktor.
Motte: Ich bin hier, um der Nationalmannschaft ein neues, möglichst jugendliches und weltoffenes Image zu verschaffen. One world, one future, Sie verstehen.
Vogts: Nö.
Motte: Nun, wir müssen eine Botschaft verbreiten, die Welt umarmen.
Vogts: Quatsch. Ich will die Welt besiegen, das reicht mir vollkommen. Umarmen! Womöglich auch noch diesen Šuker.
Motte: Nun gut, versuchen wir es andersrum. Für den Draht zur Jugend wäre es nicht schlecht, wenn der ein oder andere Spieler Verbindungen zum Showgeschäft hätte. Jens Jeremies könnte zum Beispiel mit Jazzy von Tic Tac Toe anbändeln. Oder Hamann mit Nena.
Braun: Gute Idee, ich frag' mal nach.
Motte: Dann brauchen wir einen Hit. Irgendwas Hippes oder Hoppes. Am besten mit Puff Daddy. Börti and his Miserable Men with Ollie the Molli feat. Lars the Mega-Monster oder so. Dancefloor, daß die Schwarte kracht, dann kommt der Spielwitz von allein.
Mayer-Vorfelder: Doktor, ich glaube, das reicht. Notieren wir: Berti Vogts muß lockerer werden. In der exponierten Position, die er als Bundestrainer bekleidet, muß er sich auch den Medien gegenüber öffnen.
Vogts: Genau, vielleicht könnte ja auch ich mit Jazzy...
Braun: Berti, nun ist gut. Wir gehen.
Vogts: Tschuldigung. Matti
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