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Press-SchlagDer König von Marbella

■ Jesús Gil y Gil, der Präsident von Atlético Madrid, sitzt mal wieder im Knast

„Ich komme wieder“, rief Jesús Gil y Gil den Journalisten zu, dann schloß sich das Tor des Provinzgefängnisses von Málaga hinter ihm. Der Staatsanwalt für Korruptionsdelikte ordnete am Donnerstag abend U-Haft für den Präsidenten von Atlético Madrid und Bürgermeister des spanischen Urlaubsortes Marbella an, „damit der Beschuldigte keine Beweise vernichtet“. Gil soll 1992/93 450 Millionen Peseten (nach damaligem Kurs sechs Millionen Mark) aus der Gemeindekasse in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.

Dazu tätigte der 65jährige mit sich selbst ein Dreiecksgeschäft: Bürgermeister Gil schloß mit Atlético-Chef Gil einen Werbevertrag. Die Elf des hauptstädtischen Erstligisten spielte fortan mit dem Namen des Mittelmeerortes auf der Brust. Das Rathaus von Marbella zahlte besagte sechs Millionen Mark. Angesichts der leeren Gemeindekassen streckte Privatmann und Bauspekulant Gil zusammen mit anderen Unternehmern das Geld vor und bekam es drei Jahre später mit Zinsen zurück. Um dem Ganzen einen halbwegs legalen Anstrich zu geben, fälschte Multitalent Gil kurzerhand einige Dokumente.

Marbella ist für Gil nicht nur wegen der Trikotwerbung ein rundes Geschäft. Seit Gils Wählervereinigung Grupo Independiente Liberal (GIL) 1991 erstmals die Gemeinderatswahlen gewann, verdiente Grundstücksspekulant und Bauherr Gil 750 Millionen Mark in der Stadt.

Widerspruch duldet der König von Marbella nicht. Gemeinderäte der Oppositionsparteien werden immer wieder des Rathauses verwiesen. Eine sozialistische Kommunalpolitikerin beschimpft Gil gerne als Nutte. Und „rechtzeitig einen Kommunisten totschlagen hilft“, lautet eine seiner politischen Grundüberzeugungen. Um gewählt zu werden, hatte sich Gil eine Art kapitalistisches Feudalsystem einfallen lassen: Nur wer in Marbella wohnt, bekommt bei der Gemeinde auch Arbeit. Das gilt selbstverständlich nicht für die, die der falschen Partei huldigen.

Die Reichen und Berühmten aus aller Herren Länder lieben ihren Jesús. Er hat ihnen mit Marbella „einen schönen, sauberen und sicheren Ort“ geschaffen, den viele längst nicht mehr nur als Sommerresidenz zu schätzen wissen. Zuletzt, an Weihnachten, erlagen auch Bundeskanzler Gerhard Schröder und Gemahlin dem Charme des südspanischen Miami. Was die Gäste gerne übersehen: Ruhe und Ordnung haben einen Preis. Gegen Gil laufen mittlerweile über 80 Ermittlungsverfahren. Von „Bauen ohne Genehmigung“ bis „Steuerbetrug“ ist alles dabei. Gil läßt das kalt. „Normalen Leuten schicken sie die Steuerfahndung. Mich können die mal“, prahlte er stolz. Politiker sind für ihn „Ratten“, Richter „Abschaum“ und die Ermittlungen „eine Konspiration“, um ihn aus dem Amt zu vertreiben.

Schon einmal hat Gil mit dem Gefängnis Bekanntschaft gemacht: vor 30 Jahren, zu Beginn seiner Karriere als Baulöwe. Das Dach des Restaurants einer von ihm bei Madrid erstellten Neubausiedlung stürzte ein. 58 der anwesenden 300 Gäste verloren dabei ihr Leben. 18 Monate saß Gil ab, dann wurde er von Diktator Francisco Franco begnadigt und konnte fröhlich weiterbauen. Bis heute ist er dem spanischen Caudillo dafür dankbar. Die Eingangshalle des Rathauses von Marbella ziert eine Büste des Generals.

Den spanischen und europäischen Fußballgremien verursacht Gil ebensoviel Arbeit wie den Gerichten. Immer wieder beschimpft er Schiedsrichter oder andere Präsidenten. 1996 verpaßte er dem Geschäftsführer des FC Compostela gar einen Faustschlag ins Gesicht. Seit Gil 1987 Atlético aufkaufte, wurde er vom spanischen Ligaausschuß 12mal gesperrt. Die Uefa suspendierte Gil 1990 für 18 Monate, nachdem er den französischen Schiedsrichter Michel Vautrot als Schwulen beschimpft hatte. In seinen zwölf Jahren als Clubvorsitzender mußte Gil seinen Präsidentensessel insgesamt neun Jahre und fünf Monate leerstehen lassen. Die Hälfte der einst knapp 70.000 Clubmitglieder haben in der Ära Gil Atlético den Rücken gekehrt. Reiner Wandler, Madrid

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