Press-Schlag: Die langweiligste Liga der Welt
■ Nur Rekorde können noch helfen
Sprechen Amerikaner über Fußball, schütteln sie verständnislos den Kopf. „Langweilig. Da passiert nichts.“ Bislang wurde diese These belächelt. Zumal in den USA der statische Sport schlechthin populär ist: American Football. Doch nun ist festzustellen: Die Amerikaner haben recht. Die Bundesliga spielt null-null. Früher trösteten wir uns mit der tollkühnen These, es passiere zwar nichts – dies aber wenigstens in der besten Liga der Welt. Dann hieß es, die Bundesliga sei zwar nicht mehr die beste, aber die ausgeglichenste. Jetzt ist festzuhalten: Die Bundesliga ist die langweiligste überhaupt.
20 Spieltage sind rum, und wir resümieren: Der Vorhang schließt sich, keine Fragen offen, Gladbach, Nürnberg, Rostock sehen's betroffen – und die „Bauern“ (Welke) sind Meister. Und jetzt?
Vom „Siedeln“ im Bekanntenkreis kennt man folgende Reaktion: Der eigentlich recht intelligente Freund feuert frustriert das Spielbrett in die Ecke – nur weil er keine Straßen mehr bauen kann. Rehhagel reagiert ähnlich. „Chancenungleichheit“, brüllt er und wirft den finanzstarken Bayern vor, sie hätten von vorneherein zwei Siedlungen mehr im Spiel gehabt. Nichts entlarvt die Überforderung der Liga mehr, als die unzureichenden Versuche, die Bayern- Dominanz zu analysieren. Münchner Siege werden mit dem schon nicht mehr zitierfähigen Rotationsprinzip erklärt. Rotation mag auf dem Spielfeld ein Erfolgsrezept sein, auf der Auswechselbank ist sie es sicher nicht. Schließlich rotieren auch die Dortmunder wie Silberfische auf der Badezimmermatte. Ergebnis: Der Spieler, der sich mit wenig Selbstbewußtsein auf die Bank gesetzt hat, kehrt ohne jegliches zurück. Und Möller fordert noch häufiger als sonst, man müsse die Spieler (sprich: ihn) stark reden.
Nein, die Bayern sind so dominant, weil sie taktisch flexibel agieren: Mal zwei, mal drei Stürmer, mal Dreier-, mal Viererkette, mal mit Libero, mal ohne. Weil sie mit Effenberg den „Spielmacher“ haben, der diese Rolle am modernsten interpretiert – hemdsärmelig und dennoch mit genialen Einfällen. Weil sie mit Elber über einen technisch überragenden Stürmer verfügen, der wöchentlich die These ad absurdum führt, der stärkste Mannschaftsteil der DFB- Elf sei der Angriff. Und weil Hitzfeld die richtige Mischung aus kampfstark (Jeremies) und brillant (Elber), erfahren (Matthäus) und jung (Salihamidzic), ehrgeizig (Kahn) und Basler wählt.
Wie kann man der Langeweile noch etwas abgewinnen. Vielleicht hilft ein Blick in die USA. Dort werden mit Hilfe hanebüchener Statistiken absurde Rekorde gefeiert, um so auch der biedersten Veranstaltung Glamour einzuhauchen. Also: Wann setzt Elber seinen 750. Tunnel an? Wann spielt Brinkmann seinen 123. Paß in den menschenleeren Raum? In welchem Stadion wird der 25. Schwalben-Elfmeter gepfiffen? Superspannend. Markus Geling
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