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Press-SchlagRenitente Rentnerinnen

■ Dank ausdifferenziertem Typenkanon ist das Frauentennis momentan erfolgreich

Fragte kürzlich jemand, ob Pete Sampras die US Open gewinnt. Die verletzungsbedingte Absage des Weltranglisten-Ersten hatte keine allzu großen Wellen geschlagen. Ausführlich allerdings erfuhr man in der Nacht auf Sonntag, dass sich Martina Hingis mit Richard Williams versöhnte, dessen Töchter sie zuvor als „großmäulig“ beschimpft hatte, woraufhin Serena zurückfeuerte: „Martina sollte ihr Hirn mehr benutzen“ und erst mal Abitur machen wie sie selbst.

Bei den Männern reden sie über Tennis: Die ATP diskutiert Regeländerungen, demnächst werden größere Bälle getestet, um die Ballwechsel länger und das Spiel interessanter zu machen. Allerdings: Der Mangel an Typen ist so nicht zu beheben. Nachdem Goran Ivanisevic in die Niederungen der Rangliste abgesunken ist, bleibt nur Andre Agassi, der aber auch schon glamourösere Tage gesehen hat.

Schnitt zur anderen Hälfte des Zirkus. Dort tummeln sich arrogante Schweizerinnen, kämpferische Minderheiten, frühreife Lolita-Darstellerinnen, tapsige Mauerblümchen, von Gurus verführte Nachwuchstalente, rassistische Rumäninnen und renitente Rentnerinnen. Jede zweite Spielerin entwirft eine eigene Modekollektion, der Rest scheint eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Vater laufen zu haben, und Jennifer Capriati hat ihre Rückkehr aus dem Drogensumpf mit dem Erreichen des US-Open-Achtelfinales abgeschlossen. Das Ergebnis: Nach der Krise in der Mitte der 90er, als die WTA sogar ihren Hauptsponsor verlor, boomt die Frauentour und schlägt die männliche Konkurrenz bei den Einschaltquoten.

Das Erfolgsgeheimnis: Die Umsetzung des Boygroup-Prinzips und die gnadenlose Personalisierung des Sports. Jedes private Detail wird medial aufbereitet, jede sportliche Rivalität zum menschlichen Konflikt stilisiert. So findet die Versöhnung zwischen Hingis und Williams zufällig bei der Pressekonferenz statt. Da wird sogar die Beziehung zwischen zwei solch langweiligen Menschen wie Anke Huber und Andrei Medvedev zum Ereignis.

Im übertragenden Spartensender müht man sich, Grand-Slam-Atmosphäre entstehen zu lassen. Man lässt Erinnerungen an Boris Becker flimmern, im Studio beginnt dessen alter Spezi Patrick Kühnen jeden Ko-Kommentator-Satz mit „Ja, gut“. Aber es scheint, als werde Männertennis immer mehr wie Baseball: Ein antiquierter Sport, der seinen Reiz vor allem aus der Erinnerung an die eigene Vergangenheit bezieht. Und alte Haudegen kommentieren. Im Vergleich hat Baseball aber die besseren Grundvoraussetzungen: Es gibt keine weiblichen Baseball-Profis.

Am Freitag versuchten auf Anweisung der US-Open-Veranstalter der niederländische Tennisprofi Paul Haarhuis und Robin Ventura, Baseball-Star der New York Mets, einen Ball aus dem Arthur Ashe Stadium zu befördern. Keinem gelang es. Blickt man auf Serena Williams' Schulterpartie, muss man unweigerlich denken, dass sie das locker schaffen würde.

Thomas Winkler

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