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Preisgekrönte ReiheMusikdroge trifft Mann

Das Theater Lübeck bekommt für sein Langzeit-Projekt „Wagner trifft Mann“ den Rudolf-Stilcken- Preis für Kultur-Kommunikation. Unverdient ist das nicht.

Im typischen Thomas-Mann-Milieu angesiedelt: die aktuelle "Tristan"-Produktion am Theater Lübeck. Bild: Jochen Quast

LÜBECK taz | Acht Jahre wandelten sie gleichzeitig auf europäischem Boden, aber getroffen haben sie sich nie: Richard Wagner und Thomas Mann. Der eine erkundete jugendlich-viril die Bürgerlichkeit hansestädtischer Kaufmannschaft, während der andere senioren-viril zwischen Bayreuth und Italien pendelte – posthum aber noch Einfluss auf die Literatur des anderen gewinnen sollte.

Um sich diese Beziehung mal genauer anzuschauen, wurde das Projekt „Wagner-trifft-Mann“ ins Leben gerufen. Nicht an einer Universität zu literaturwissenschaftlichen Forschungszwecken, sondern am Theater Lübeck, um die Stadt als Marke für den Kulturtourismus zu promoten.

Die beiden Heroen unserer Kulturnation sollten dort aufeinander treffen, wo der spätere Literaturnobelpreisträger erstmals den faszinierenden Klangrauschmitteln des Opernkomponisten begegnete: Im Theater seiner Heimatstadt, das 1908 durch einen Jugendstil-Neubau ersetzt wurde, verführte eine Aufführung des „Lohengrin“ den Schüler Thomas Mann, er verlor sich hingebungsvoll in der Musik: „rettungslos zu Hause“.

Die „Passion für Wagners zaubervolles Werk begleitet mein Leben, seit ich seiner zuerst gewahr wurde“, schrieb Mann 1933. Und notierte 65-jährig im US-Exil in sein Tagebuch: „Hörte mit Rührung das Lohengrin-Vorspiel, musste weinen, weil mir schien, ich hörte das in der Jugend Geliebteste wieder im Untergang.“

In vielen Werken Manns gibt es Anspielungen auf den „Meister“, „in dessen Schatten ich lebe“, in kritischer Zuneigung sind ihm zahlreiche Reden und Essays gewidmet. Doch wie kann man all das im Stadttheateralltag vermitteln?

Beginnend mit der Spielzeit 2007 / 08 produzierte die damals neue künstlerische Lübecker Theaterleitung jedes Jahr die Dramatisierung eines Thomas-Mann-Romans und eine Wagner-Oper, wobei sie erstmal alle vier Teile des „Ring des Nibelungen“ abarbeitete: den Anfang machten „Buddenbrooks“ und „Rheingold“, dann kamen „Der Zauberberg“ und „Die Walküre“, „Felix Krull“ und „Siegfried“, „Doktor Faustus“ und „Götterdämmerung“. Derzeit laufen „Lotte in Weimar“ und „Tristan und Isolde“.

„In Anerkennung der längerfristig angelegten Programmatik und deren erfolgreicher Kommunikation mit erweitertem Zielpublikum sowie überdurchschnittlich guter Auslastung“ erhielt die Bühne jetzt den erstmals ausgelobten „Rudolf-Stilcken-Preis für Kultur-Kommunikation“. Der Preis soll „Spitzenleistungen bei Kampagnen und von Kommunikationsmanagement“ fördern.

Stifter Rudolf Stilcken, Jahrgang 1925, ist Imagebeschwörer, Marken-Regisseur und Konsumentenbetörer der ersten Nachkriegsstunde. Seine Karriere begann in den 1950er-Jahren als PR-Berater des ersten Bundeswirtschaftsministers, Ludwig Erhard, noch immer leitet er eine eigene Werbeagentur.

56 Kulturinstitutionen bewarben sich um seinen Preis. Das Theater Lübeck triumphierte in der Kategorie „Kontinuität und Marke“ gegen renommierte Hamburger Konkurrenz – Bucerius Kunst Forum, Deichtorhallen, Ernst Deutsch Theater. Die Auszeichnung ist mit 7.500 Euro dotiert.

Die rein äußerlichen Preiskriterien hat Lübeck übererfüllt. „Langer Zeitraum“: Die Produktionen der ersten Jahre sind zwar alle abgespielt, Sättigungseffekte auf dem „Wagner-trifft-Mann“-Markt aber noch nicht sichtbar, so dass derzeit in der sechsten und auch in der kommenden siebten Spielzeit weiter Wagner und Mann inszeniert wird.

Da den Machern nun die Romane ausgehen, bedienen sie sich mit „Der blaue Engel“ bereits beim Bruder Heinrich Mann und dessen „Professor Unrat“. Parallel wurde ein weiterer Nobelpreisträger-Sohn der Stadt für die Bühne hergerichtet: Willy Brandt.

Auf „fortwährend auf hohem Niveau“ agierte dabei sicherlich das Musiktheater: Die DVD-Edition „Der Ring des Nibelungen“ wurde mit dem „Echo Klassik“ und bereits 2011 mit dem „Vierteljahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik“ ausgezeichnet. „Dauerhaft breites Kommunikationsspektrum“:

Zumindest für das Kernprojekt gab es Großplakate an Lübecker Einfallstraßen, Banner an Fassaden, Direktmarketing, Kinotrailer, Internetauftritt – und für den Nachwuchs wurden Wagner-Mann-Scouts im Jugendclub des Theaters ausgebildet, um in die Schulen zu gehen. Logo und Design setzen exklusiv auf die Farbe Türkis. Ein kräftiger Ton, eisig zwischen Blau und Grau changierend, strahlend edel.

Der Publikumszuspruch war in allen Zuschauersegmenten üppig. Wagnerianer-Jetset wurde gesichtet, Hamburger reisten neugierig an die Trave und begeistert zurück. Mundpropaganda funktionierte. Annähernd 120.000 Besucher haben nach Auskunft des Theaters die ersten acht Produktionen besucht, das entspricht einer Auslastung von 95 Prozent. Hinzu kommen weiterhin im Spielplan befindliche Jugendtheaterprojekte.

Inhaltlich interessiert sich das Theater weniger für den Einfluss Wagners auf Mann, etwa die Leitmotivik, die sich bei den Mannschen Romanfiguren finden lässt. Deutlicher wird dagegen der Einfluss Manns auf die Wagner-Rezeption: Die aktuelle „Tristan“-Produktion (wieder durch „Ring“-Regisseur Anthony Pilavachi) ist im typischen Thomas-Mann-Milieu angesiedelt, spiegelt Wagners (Tristan) Liebe zu Mathilde Wesendonck (Isolde) – und setzt sich mit einem Thema auseinander, für das die Figur Christian Buddenbrook steht: Inwieweit in der Kunst ausgelebt werden kann, was einem in wohlanständiger Bürgerlichkeit versagt bleiben muss.

Wagners „Siegfried“ spielte sogar in einem abgeschiedenen Altersheim – als Anlehnung an das „Zauberberg“-Sanatorium. Und Siegfried selbst war wahrlich kein Held, geschweige denn ein Nationalheld. Auch musikalisch prunkte der die gesamte „Ring“-Aufführung nicht romantisch salbadernd, sondern durch analytische, geradezu kammermusikalische Transparenz.

Das wiederum passt zu Thomas Manns Kritik an der nationalsozialistischen Vereinnahmung der Wagnerschen Musikdroge, der er selbst verfallen war – so dass er Hitlers Begeisterung für Wagner schmerzlich nachvollziehen konnte. So fragte Mann 1939: „Wenn zweien dasselbe gefällt und einer davon ist minderwertig – ist es dann auch der Gegenstand?“

■ Nächste Aufführungen: „Lotte in Weimar“: Do, 26. 12., 18.30 Uhr, Kammerspiele; „Tristan und Isolde“: So, 29. 12., 17 Uhr, Großes Haus

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