: Preag-Einstieg gefährdet Bremens Energiepolitik
■ Neues Gutachten stellt Beteiligung des Energieriesen in Frage / Klöckner-Risiko kann auch Chance sein
Die Gegner einer Beteiligung des Energie-Konzerns Preußen- Elektra an den Bremer Stadtwerken haben frischen Wind unter die Flügel bekommen. Ein Beschluß, „Anteile an den Stadtwerken an PreußenElektra zu verkaufen, (ist) gleichbedeutend mit der Aufgabe der Leitziele der Bremer Energiepolitik.“ Zu diesem Ergebnis kommt jetzt ein vorläufiges Gutachten des Instituts für Klima, Umwelt und Energie in Wuppertal, das der Bremer Senator für Umweltschutz und Stadtentwicklung, Ralf Fücks (Grüne), in Auftrag gegeben hat. Sowohl der Ausbau von Fernwärme in Bremen als auch die Reduktion von Kohlendioxid um 30% bis zum Jahr 2005 oder der Ersatz von Kernenergie durch umweltfreundliche Energien werde durch die Beteiligung der Preag gefährdet, meinen die Gutachter, denen u.a. der Klimaforscher Peter Hennicke angehört..
Hauptargument für die Gutachter ist die Geschäftspolitik der Preag. Das Unternehmen habe sich durch zahlreiche Schachtelbeteiligungen u.a. bei der Ruhrgas (Essen), bei der Thüga (München) sowie über die Unternehmensmutter Veba ein Standbein im Gasverkauf geschaffen, das „einer Wärmeauskoppelung bei Kohlekraftwerken entgegensteht“. Der Ausbau des Fernwärmenetzes mit Kraft-Wärme-Kopplung soll aber ein Investitionsschwerpunkt der Stadtwerke Bremen werden. Das die Preag als künfitger Anteilseigener diesbezüglich besondere Rücksichten auf die Stadtwerke Bremen nehmen werde, sei nicht zu erwarten: Die Preag habe in der Vergangenheit gezeigt, daß sie „über aggressive Preisunterbietungsstrategien und Lockvogel- Angebote versucht, eine offensive KWK- Strategie zu verhindern.“ Außerdem werde der Stromlieferant Preag versuchen, „den Eigenerzeugungsanteil der Stadtwerke zugunsten seiner Vorlieferung möglichst klein zu halten, um sein eigenes Kraftwerke auszulasten“.
Auch im Aufsichtsrat der Stadtwerke Bremen würde bei einer Preag-Beteiligung ein anderen Wind wehen, selbst wenn die künftigen Preag-Vertreter in der Minderheit blieben: „Ohne die Leistung der anderen Gremienmitglieder schmälern zu wollen, darf man davon ausgehen, daß den PreussenElektra-Vertretern Personen gegenübersitzen werden, die unvermeidlich weniger kompetent und weniger informiert sind, da diese Aufsichtsräte aus dem politisch- administrativen Bereich und von der Arbeitnehmerseite kommen. Ihnen bleibt nach aller Erfahrung kaum eine andere Wahl, als auf die Großen und wirtschaftlich Starken zu hören. Es wird durchaus möglich sein, mit einem Anteil von deutlich unter 50% die Unternehmenspolitik aktiv zu beeinflussen, und zwar im Sinne des Vorlieferanten.“
Skeptisch sind die Gutachter auch gegenüber den erwarteten Rationalisierungen bei den Stadtwerken. Die könnten in einen ausschließlich auf die Effizienz und Rendite schielenden Unternehmen vor allem durch Personalabbau, Preiserhöhungen und Absatzsteigerungen erreicht werden. Einer an kommunalpolitischen Interessen ausgerichteten Energiepolitik liege aber daran, mit angemessenen Gewinnen eine umwelt- und verbraucherfreundliche Energiepolitik zu betreiben. Demgegenüber sei die klassische „Absatzförderungspolitik eher dem traditionellen –Milchkuh'-Denken verhaftet“, warnen die Gutachter. Wenn denn die Stadtwerke Bremen zu unwirtschaftlich arbeiteten, könnte auch anderer externer Sachverstand in Form von Unternehmensberatern die Strukturen auf Vordermann bringen als ausgerechnet die Preag, die bislang übrigens 15.118 DM pro Jahr und Beschäftigten mehr zahlen als die Stadtwerke.
Besondere Aufmerksamkeit widmen die Gutachter dem sog. Klöckner-Risiko bei den Stadtwerken. Klöckner nimmt den Stadtwerken 32% des Stromes ab. Wenn die Hütte baden geht, so argumentieren die Verkaufsbefürworter, dann brauchen die Stadtwerke einen starken Konzern, der diesen Verlust ausgleichen kann. Die Gutachter sehen das allerdings völlig anders. „Der Eintritt des maximalen Schadenfalles für die Stadtwerke Bremen ist nach unserer Einschätzung sehr unwahrscheinlich, selbst im schlimmsten Fall für die Stadtwerke Bremen auch ohne neuen Partner tragbar und in jedem Fall ohne gravierende Auswirkungen auf die Unternehmenssubstanz eingrenzbar. Unter günstigen Rahmenbedingungen könnte sich die Situation für die Stadtwerke Bremen sogar gegenüber der IST-Situation verbessern.“
Das hat mehrere Gründe. Zum einen zahlt Klöckner etwa sieben Pfennig weniger pro Kilowattstunde als andere Industrieunternehmen. So reduziert sich das Ertragsrisiko auf rund 16%. Außerdem wird Klöckner zur Deckung der Lastspitzen mit Strom der Preußen- Elektra beliefert. Der Vertrag zwischen den Stadtwerken und PreußenElektra ist aber kurzfristig kündbar, die Gutachter meinen: spätestens zum 30.9.1994. Fällt der Kunde Klöckner aus und werden die Preag-Verträge gekündigt, behalten die Stadtwerke eine Überschußkapazität von etwa 100 MW, die sie selbst weiter verkaufen könnten.
Und dann kommen den Stadtwerken die Neuerungen zugute, denen der Vorstand des Unternehmens bislang immer mit Grauen entgegengesehen hatte: Die Stadtwerke Bremen können nämlich nicht nur Opfer der neuen EG- Durchleitungsrechte für Strom werden, sondern diese auch nutzen, indem sie selbst den Umlandgemeinden Strom anbieten. In Frage kommen dafür mittelfristig die Gemeinden Weyhe/Stuhr, Achim und Osterholz-Scharmbeck, deren Stromlieferverträge ab 1997 auslaufen.
Die von Verkaufsbefürwortern unterstellten 57 Mio. Mark Deckungslücke bei Eintritt des worst- case-Szenarios halten die Gutachter für „deutlich zu hoch angesetzt“ und stellen selbst folgende Berechnungen auf: 121 Mio Mark Erlöse würden den Stadtwerken Bremen im Fall X flöten gehen. Demgegenüber stehen als Einsparpotential: 59 Mio. Mark durch vermiedene eigene Stromerzeugung, 44 Mio. Mark durch den eingesparten Strom der Preag, 17 Mio. Mark durch die Substitution von Gichtgas, das die Stadtwerke derzeit als Recycling- Energie von Klöckner erhalten und bei einem Ausfall der Hütte durch billigeres Erdgas ersetzt würde. Die Ertragseinbuße betrage dann nicht mehr als rund eine Millionen Mark, meinen die Gutachter - allerdings unter Vorbehalt. Die Stadtwerke selbst gehen zur Zeit von einer Deckungslücke von ca. 30 Mio. Mark aus. Insgesamt haben die Gutachter den Eindruck, daß „der Preis, den die Stadtwerke Bremen zur angeblichen –Sicherung' des zukünftigen Stromabsatzes bei Klöckner bereits gezahlt hat und offenbar weiter zu zahlen bereit ist, aus rein versorgungs- und betriebswirtschaftlicher Perspektive und im Vergleich zu den möglichen alternativen Absatzsicherungs-Strategien unangemessen hoch ist.“ So seien „Einzelwertberichtigungen im Geschäftsjahr 1992 rd. 25 Mio. Mark zu hoch angesetzt worden, was auch zu einer Kürzung der Konzessionsabgabe um 32,5 Mio. Mark geführt habe.
Außerdem haben die Stadtwerke trotz ausstehender Forderungen allein im Januar 1992 noch rund 40 Mio. Mark an Klöckner gezahlt, trotz bestehender Forderungen. was nach Ansicht der Gutachter die Vermutung nahe legt, „daß mit diesen Operationen auch finanzpolitische Ziele für den Bremer Haushalt angestrebt wurden, Eine geringere Konzessionsabgabe im Haushaltsjahr des Konsolidierungsschnittes (...) erzeugt im Folgejahr (bei ungekürzter Konzessionsabgabe und Nachzahlung für 1992) den Eindruck einer deutlichen Verbesserung der Einnahmesituation.“
Noch nicht berücksichtigt hat das Gutachten den Erfolg der Bremer Interessentenlösung in der vergangenen Woche, der einen Verkauf von Stadtwerke-Anteilen wahrscheinlicher gemacht hat. Sollte der Verkauf aber beschlossen werden, sei „noch zu prüfen, an wen verkauft werden soll bzw. ob und welche anderen Möglichkeiten mit einem vergleichbaren finanziellen Ergebnis für die Stadtgemeinde genutzt und evt. kombiniert werden können.“ Eine Entscheidung für den Verkauf von Anteilen sei nicht gleichbedeutend mit einem Verkauf an die Preag. mad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen