Praktikantenstreik in Berlin: "Generation P." will Mindestlohn
200 Praktikanten gingen in Berlin auf die Straße, um gegen ihre Arbeitsbedingungen zu protestieren. Wie desolat ist ihre Lage wirklich?
BERLIN taz | "Null-Euro-Jobber" steht auf dem Plakat, das sich eine junge Frau umgehängt hat. Wie viele der knapp 200 Praktikanten, die sich am Freitagvormittag zur Streikkundgebung auf dem Potsdamer Platz versammelt haben, trägt sie eine weiße Maske vor dem Gesicht.
Unter dem Motto "Uns gibts nicht umsonst" hat ein Bündnis aus fairwork e.V., Ver.di, GEW Berlin, und DGB-Jugend zu dem Praktikantenstreik aufgerufen. Viele der jungen Leute, die dem Aufruf gefolgt sind, arbeiten im Medienbereich, sie schreiben für Zeitungen, organisieren Konzerte oder drehen Filme fürs Internet. Einige studieren noch, andere hoffen, nach dem Studium in einen Job reinzukommen.
So wie die junge Frau, die Medientechnik studiert hat und nun in Vollzeit als Cutterin bei einer Filmfirma arbeitet. "Mein Chef hat anfangs gesagt, dass es da eine Chance auf Übernahme gibt. Jetzt werde ich mit 400 Euro abgespeist und nix mit Übernahme", erzählt sie. In ihrer Abteilung arbeiten vier Festangestellte und 18 Praktikanten.
Die Initiatoren des Streiks fordern deshalb Verträge, eine Mindestvergütung von 600 Euro monatlich für Hochschulabsolventen. "Praktikanten sollen keine Vollzeitarbeitsplätze ersetzen", sagt Tobias Singer vom Streikteam.
Nach einer DGB-Studie absolvieren fast 40 Prozent der AkademikerInnen in Deutschland ein Praktikum, mehr als die Hälfte von ihnen ohne finanzielle Gegenleistung. 50 Prozent der PraktikantInnen gaben an, die Ergebnisse ihrer Arbeit seien fest vom Betrieb eingeplant worden.
Viele Praktikanten eint die Überzeugung, ohne einschlägige Vorerfahrung durch Praktika in vielen Branchen völlig ohne Jobchance zu sein, von einer "Generation P" ist vielfach die Rede. Doch eine groß angelegte Studie ergab jetzt, dass Uni-Absolventen in Deutschland immer schneller einen Job finden.
Dass sich eine ganze Generation von Praktikum zu Praktikum hangelt sei "empirischer Unsinn", sagt Harald Schomburg vom Internationalen Zentrum für Hochschulforschung in Kassel (Incher). Das Incher koordiniert das "Netzwerk Absolventenstudie". Darin haben 48 deutsche Hochschulen die Ergebnisse der Befragung von über 35.000 Absolventen zusammengetragen, die 2007 ihren Abschluss erworben haben.
"Wir waren erstaunt, als wir feststellten, dass der Übergang von der Uni in den Job rascher gelingt", sagt Schomburgs Kollege, der Soziologe Ulrich Teichler. Nur noch drei Monate dauert es im Durchschnitt, bis Akademiker zum ersten Mal eingestellt werden. Dieser Übergang sei im Vergleich zu den letzten Studien "quer durch die Fachrichtungen etwas kürzer geworden," sagt Teichler. Für die Absolventen von 2008 "könnte es wegen der Krise aber etwas holpriger werden".
Das bedeute aber nicht, dass die Absolventen weniger Aufwand betreiben müssten, um einen Job zu kriegen. "Auch Betriebswirte schreiben 100 Bewerbungen. Aber 99 Prozent kriegen einen Job." Die Unternehmen "wollen heute eben mehr sehen, bevor sie sich festlegen".
Dabei gleichen sich die Unterschiede zwischen Natur-, Geistes- und Ingenieurswissenschaften an. Nur rund 2 Prozent aller Akademiker müssen laut den Incher-Zahlen fürchten, längere Zeit arbeitslos zu sein. Etwa ein Viertel der Befragten sei nur mit dem dreijährigen Bachelorabschluss von der Uni gegangen, berichtet Teichler. Der Bachelor wurde oft als "Uni-Light"-Abschluss kritisiert. Doch nach den Merkmalen, die die Forscher erhoben, werde dieser auf dem Jobmarkt "immer besser akzeptiert," sagt Teichler.
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