Praktikanten-Papierchen: Diese Kolumne ist auf Mitarbeiterebene entstanden
Liberal ist, wenn man mal etwas nicht mitbekommt. Wie Christian Lindner vertraut unser Autor seinen Mitarbeitern – und distanziert sich von ihnen.
S ehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, eigentlich sollte hier ein Text über die Krise der FDP, die Krise des bürgerlichen Liberalismus im Allgemeinen und die Wahlkampagne der Partei im Speziellen stehen. Und grundsätzlich übernehme ich als Vorsitzender dieser Kolumne natürlich die volle Verantwortung für alles, was hier zu lesen ist.
Verantwortung, das ist für mich als bürgerlicher Liberaler einfach selbstverständlich. Allerdings sind an diesem Text jede Woche auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt, da möchte ich Ihnen gegenüber einfach transparent sein, denn das gehört sich so. Wenn in dieser Kolumne jetzt also steht, dass Christian Lindner ein durchtriebener Lurch ist, dann möchte ich an dieser Stelle ganz klar sagen: Das ist nicht meine Wortwahl, das ist nicht meine Ausdrucksweise.
Die Kolumne, so wie sie hier steht, erscheint zwar unter meinem Namen, ich habe sie auch in Auftrag gegeben, aber ich habe sie nicht zur Kenntnis genommen. Die Kolumne ist auf Mitarbeiterebene entstanden. Liberal ist, wenn man auch mal etwas nicht mitbekommt. Ich vertraue meinen Mitarbeitern, deswegen distanziere ich mich von ihrer Arbeit, das ist für mich völlig logisch.
Wobei, Mitarbeiter, das ist auch so ein großes Wort. Genau genommen war es ein Praktikant, der diese Woche diesen Text geschrieben hat. Ich schreibe jetzt seinen Namen hier nicht rein, das ist für mich als Vorsitzender dieser Kolumne völlig klar. Aber kommen Sie gern mal in der taz vorbei, dann zeige ich mit dem Finger auf ihn. Ich würde also eher von einem Praktikanten-Papierchen schreiben, das Sie hier gerade lesen. Und wenn Sie jetzt ein drittes Mal nachfragen, dann sage ich Ihnen ganz offen: Eigentlich war es nicht mein Praktikant, sondern der Hund meines Praktikanten.
Geschlossene Feldschlacht, das wäre geschmacklos
Ich war mit Julian Reichelt und Paul Ronzheimer gerade auf eine gute Flasche Wein und ein paar Zigarren verabredet, um darüber zu sprechen, wie wir im Wahlkampf please die FDP stärken können, da muss der Hund meines Praktikanten das Passwort meines Laptops geknackt haben („LiberalerAal1979“) und mit seiner Zunge diesen Text geschrieben haben. Der Hund meines Praktikanten heißt übrigens Olaf und ist eine fiese Hamburger Promenadenmischung.
Nun möchte ich mich nicht weiter rechtfertigen und mit Ihnen zusammen nach vorne oder nach rechts schauen, Hauptsache, woandershin. Ich will nicht ablenken, aber haben Sie mal gesehen, was sonst noch auf dieser Nachrichtenseite steht? Es wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn nur bei uns Liberalen genau geschaut wird, ob da mal ein Wort etwas unpassend ist.
Ich verstehe nicht, warum sich alle so an Begriffen stören. D-Day, das kann doch auch etwas anderes bedeuten, ohne Nazis. Duck-Day, zum Beispiel, der Tag, an dem man sich vor der Verantwortung wegduckt. Ich komme aus der Startup-Welt, da ist es normal, Englisch zu sprechen. Get over it! Und „offene Feldschlacht“, das ist doch liberal pur! Geschlossene Feldschlacht, das wäre geschmacklos. Wir als Liberale sind für offene Märkte und offene Kämpfe. Jeder gegen jeden. Liberal, das bedeutet: Nach unten treten. Auf meine Mitarbeiter und Praktikanten.
Wenn das der Mehrheit nicht gefällt, ist das in Ordnung, da bin ich total liberal. Ich brauche jede Woche nur sechs Prozent dieser Zeitung, in dem Rest kann weiter der Rot-Grüne Mainstream abgefeiert werden.
Manche Leserinnen und Leser werfen mir vor, dass diese Kolumne inhaltsleer geworden ist. Darauf möchte ich antworten: Haben Sie das schöne Foto von mir gesehen? Das können Sie sich an den Kühlschrank hängen oder auf Plakate drucken. Denn der Inhalt, das bin ich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl