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„Pragmatische Zusammenarbeit“

■ Frau Karadžić: Präsidentin des Roten Kreuzes im serbisch besetzten Bosnien

Genf (taz) – Dr. med. Liljana Karadžić, die Frau des bosnischen Serbenführers, fungiert seit 1992 als Präsidentin der nationalen Rotkreuzsektion in der international nicht anerkannten „Serbischen Republik“ der bosnischen Serben. Das Hauptquartier des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf nannte diese Personalbesetzung auf Anfrage der taz „unakzeptabel“. Man bestätigt dort auch einige schwerwiegende Verstöße der Sektion gegen Prinzipien der Rotkreuzbewegung – oder schließt sie zumindest nicht aus. Dennoch setzt das IKRK die „pragmatische Zusammenarbeit“ mit der Sektion fort.

Seit dem Zerfall der „Jugoslawischen Föderation“ hat das IKRK nur die nationalen Sektionen in Kroatien und Slowenien sowie in Restjugoslawien (Serbien/Montenegro) offiziell anerkannt. In Bosnien-Herzegowina, das seit April 1992 ein unabhängiger Staat und UNO-Mitglied ist, soll dies erst nach einem Friedensschluß geschehen. Bis dahin werde nach Auskunft der IKRK-Zentrale „mit den existierenden lokalen Rotkreuzorganisationen in allen Teilen Bosniens pragmatisch zusammengearbeitet“.

Das IKRK bestätigte, daß in den serbisch besetzten Gebieten die lokale Partnerorganisation eben Frau Karadžićs „Nationale Rotkreuzsektion in der Republika Srpska“ ist. Unter diesem Namen wird die bosnisch-serbische Sektion auch von der restjugoslawischen Rotkreuzsektion geführt, wie eine Nachfrage in deren Belgrader Zentrale ergab.

Die Präsidentschaft von Frau Karadžić sei offensichtlich eine „politische Personalbesetzung“ und verstoße gegen die Regel, wonach Rotkreuzoffizielle „keine politischen oder militärischen Funktionen“ haben dürften, heißt es beim IKRK. „Mehrfache Proteste“ in Pale seien bislang jedoch auf „taube Ohren“ gestoßen.

Das IKRK bestätigte, daß das bosnisch-serbische Rote Kreuz in der Vergangenheit an der „Evakuierung von Flüchtlingen oder Insassen von Internierungslagern gegen Bezahlung beteiligt“ gewesen sei. Dies sei „völlig unakzeptabel“. Auch sei das Rote Kreuz „Partner“ gewesen an der Aushandlung der Entlassungsbedingungen von Lagerinsassen, die zunächst im Ausland Aufnahme fanden. Derzeit in der Schweiz lebende bosnische Flüchtlinge mußten nach Angaben der „Kulturbrücke Schweiz- Sarajevo“ bei ihrer Entlassung unterschreiben, daß sie fünf Jahre lang weder in ihre Heimat zurückkehren noch die Botschaften Bosnien-Herzegowinas in Bern oder Genf kontaktieren werden.

Was tut das bosnisch-serbische RK?

„Nicht ausschließen“ kann das IKRK, daß das bosnisch-serbische Rote Kreuz auch an Vereinbarungen beteiligt war, in denen vornehmlich muslimische Bewohner inzwischen ethnisch „gesäuberter“ Gebiete ihre Häuser und anderen Besitz an die serbischen Besetzer überschreiben mußten. An Maßnahmen des IKRK gegen die „ethnischen Säuberungen“ habe sich das Rote Kreuz der bosnischen Serben „nicht beteiligt“.

Welche Haltung das Rote Kreuz in Pale zur fortdauernden Blockade der Wasser-, Strom- und Gasversorgung Sarajevos einnimmt, die einen Verstoß gegen internationale Konventionen bedeutet, ist beim IKRK „nicht bekannt“. Und dies, obwohl „ständig IKRK-Delegierte“ im Paler Rotkreuz-Hauptquartier „anwesend sind“. Auch weiß die Genfer IKRK-Zentrale nicht, ob Rotkreuzpräsidentin Karadžić etwas unternommen hat gegen die nun schon monatelange Verhinderung der Evakuierung von Schwerverletzten aus Goražde durch bosnische Serben. Ob die „pragmatische Zusammenarbeit“ mit der bosnisch-serbischen Rotkreuzsektion dazu beigetragen hat, daß das IKRK 1992 ihm vorliegende Informationen über die Existenz serbischer Internierungslager zunächst nicht öffentlich gemacht hat, konnte die IKRK-Zentrale gestern nicht beantworten. Andreas Zumach

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