: Prag garantiert bürgerliche Freiheiten
■ Parlament der CSSR ändert das Strafrecht / Politische Paragraphen gestrichen / Vergehen gegen Umwelt und Eingriffe in die Unabhängigkeit der Gerichte künftig strafbar / Noch keine Einigung über Staatspräsidentenwahl
Prag (dpa/ap/afp) - Die Reformen in der CSSR werden jetzt gesetzlich abgesichert. Das tschechoslowakische Parlament hat gestern das Strafrecht dem internationalen Recht angepaßt und dabei alle Paragraphen gestrichen, die bisher die Freiheit der Bürger einschränkten. Auch der sogenannte „Prügelparagraph“, der den Einsatz der Polizei gegen die Studenten am 17. November möglich gemacht hatte, wurde ersatzlos gestrichen. Die für Mittwoch angekündigte Entscheidung über Datum und Verfahren der Wahl des Staatspräsidenten blieb zunächst noch aus.
Bei der Neuordnung des Strafrechts strichen die Abgeordneten auch den Tatbestand „Behinderung der staatlichen Aufsicht über die Kirche“. Dadurch wurde praktisch die Freiheit der Religionsausübung hergestellt. Ebenso ist künftig das „unerlaubte Verlassen der Republik“ keine Straftat mehr. Neu hingegen kam in das Strafgesetzbuch das Delikt „Eingriff in die Unabhängigkeit der Gerichte“. Auch „Vergehen gegen die Umwelt“ sollen jetzt gerichtlich geahndet werden. In der Parlamentsdebatte wurden zum ersten Mal seit 1968 wieder Rufe nach Abschaffung der Todesstrafe laut.
In der Frage der Präsidentschaftswahl konnten sich die Kommunistische Partei und die Opposition nicht einigen, ob das neue Staatsoberhaupt vom Parlament oder direkt vom Volk bestimmt werden soll. Das Bürgerforum, das den Schriftsteller Vaclav Havel als seinen Kandidaten aufgestellt hat, tritt für eine rasche Wahl vom Parlament ein, während sich die KPC für ein Referendum ausgesprochen hat. Sie hat bislang keinen Kandidaten nominiert. Die Verhandlungsführer stehen unter Zeitdruck, da der Nachfolger des zurückgetretenen Staatsoberhaupts Husak nach der Verfassung bis zum 23. Dezember gewählt werden muß.
Für eine Direktwahl wäre eine Verfassungsänderung nötig. Das Bürgerforum argumentiert, eine solche Änderung mit anschließendem Präsidentenwahlkampf sei gefährlich, weil sie das Land eher spalten würde.
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