Präsidiale Affäre: Wulffs Maschsee-Connection
Die Darlehensaffäre wirft ein Schlaglicht auf die Männer-Netzwerke, die Christian Wulff in Hannover knüpfte. Nun soll der Ältestenrat prüfen, ob er gegen Gesetze verstoßen hat.
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HANNOVER taz | Während in der Kreditaffäre um den Bundespräsidenten neue Zweifel an den Angaben Christian Wulffs (CDU) aufkommen, gibt sich in Niedersachsen die Opposition mit Wulffs öffentlichem Bedauern über das Verschweigen eines Privatkredits nicht zufrieden.
Grüne, SPD und Linke wollen über den Ältestenrat des Landtags prüfen lassen, ob Wulff 2008 als Ministerpräsident mit der Annahme eines 500.000-Euro-Privatkredits gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat, das es Regierungsmitgliedern verbietet, "Belohnungen und Geschenke in Bezug auf ihr Amt" anzunehmen.
Die SPD will zudem genauen Aufschluss über die Urlaubsreisen, die Wulff als Regierungschef in Hannover unternommen hat - inklusive aller Unterkünfte. Die Affäre wirft ein Schlaglicht auf die Netzwerke, die der erste Mann im Staate in Niedersachsens Landeshauptstadt knüpfte, wo Politik und Wirtschaft Männerbande mit Tradition pflegen. Von der "Maschsee-Connection" ist häufig die Rede. "Erbfreundschaften" trifft es noch besser.
Noch aus den Zeiten, als Ex-SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder an der Leine regierte, stammen die Kontakte, die Wulff später übernahm: RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann etwa, auch der Rechtsanwalt Götz von Fromberg wird genannt, der sich bis vor anderthalb Jahren eine Bürogemeinschaft mit Schröder teilte. In die Medien schafft es Fromberg regelmäßig, weil er den hannoverschen Hells-Angels-Boss vertritt, den er auch als Freund bezeichnet. Ein verbindendes Element: der Fußball.
Maschmeyer finanzierte schon Schröders Werbekampagne
Fromberg war mal Präsident von Hannover 96. Das Stadion ist noch immer nach dem umstrittenen Finanzdienstleister AWD benannt, den der Unternehmer Carsten Maschmeyer, Freund von Wulff wie Schröder, einst gründete. Maschmeyer finanzierte Schröder im Wahlkampf 1998 eine Werbekampagne.
Wulff urlaubte im Sommer 2010, kurz nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten, in Maschmeyers Villa auf Mallorca; im Jahr zuvor hatte der damalige Ministerpräsident die Laudatio gehalten, als die Uni Hildesheim Maschmeyer zum Ehrendoktor machte. Nachdem Wulff erklärte, er habe für die Villa bezahlt, und die Wahl des Domizils als Fehler bezeichnete, kehrte Ruhe ein.
Noch älter als die hannoverschen Erbfreundschaften sind Wulffs Bande zum Unternehmer Egon Geerkens. Wulff nennt den 68-Jährigen einen väterlichen Freund, den er noch aus der gemeinsamen Heimatstadt Osnabrück kennt. Bei Wulffs erster Hochzeit 1988 war Geerkens Trauzeuge. Man habe mit dem Kredit helfen wollen, ein neues Eigenheim zu finanzieren, sagte Geerkens, der als Schrotthändler begann, später auf Schmuck umschwenkte und zuletzt Immobilienunternehmer war.
Finanzhilfe für den frisch Geschiedenen
2008, frisch geschieden und neu verheiratet, sei Wulff finanziell klamm gewesen. Ihren Weihnachtsurlaub 2009 verbrachten die Wulffs dann in Geerkens Villa in Florida, kostenlos. Kostenlos war auch das Upgrade des Flugs dorthin, mit dem sich Wulff Anfang 2010 die Air-Berlin-Affäre einhandelte - und die Oppositionsanfragen zu seinen Geschäftsbeziehungen zu Geerkens, bei deren Beantwortung er den Privatkredit verschwieg.
Geerkens hält Wulff die Treue: Er selbst pflege keinerlei geschäftliche Beziehung zu Wulff, sagt er. Und 2008 sei er ohnehin schon im Ruhestand gewesen. Allerdings begleitete er den damaligen Ministerpräsidenten 2008 und 2009 noch als Teil der Wirtschaftsdelegation auf Auslandsreise.
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