Präsidentschaftswahlen in Serbien: Etappensieg für Nationalist
Im ersten Wahlgang hat Tomislav Nikolic mit seinem EU-feindlichen Kurs das Rennen gemacht. Für den prowestlichen Amtsinhaber Boris Tadic wird die Aufholjagd schwierig.
Die größte Überraschung bei den am Sonntag abgehaltenen Präsidentschaftswahlen in Serbien war die, wie Analytiker sagen, "enorm" hohe Wahlbeteiligung von rund 61 Prozent. Und das obwohl der Präsident gewählt worden ist, der laut serbischer Verfassung größtenteils nur zeremonielle Befugnisse hat. Der Wahlstab des amtierenden Präsidenten, Boris Tadic, und viele Analytiker behaupteten vor den Wahlen, daß Tomislav Nikolic bei einer hohen Wahlbeteiligung keine Chancen hätte, weil es die vorwiegend jungen Wähler von Tadic sind, die ansonsten zur Wahlabstinenz neigten. Gleich nach der ersten Wahlrunde fiel diese These ins Wasser
Nikolic gewann mit 39,4 Prozent oder 1,6 Millionen Stimmen die erste Runde vor Tadic, der mit 35,4 Prozent oder rund 1,4 Millionen Stimmen an zweiter Stelle landete. Es folgt mit 7,6 Prozent der Kandidat des Volksblocks, Velimir Ilic, den sein engster Verbündeter, der national-konservative serbische Premier, Vojislav Kostunica, ins Rennen schickte. An vierter Stelle landete Milutin Mrkonjic, Kandidat der "Sozialistischen Partei Serbiens" (SPS), die Slobodan Milosevic gegründet hatte und die während der Kriegszeit im ehemaligen Jugoslawien an der Macht in Serbien war. Der junge Leader der "Liberaldemokratischen Partei" (LDP), Cedomir Jovanovic, gewann 5,6 Prozent. Jovanovic sagt als einziger serbischer Politiker offen, daß sich sein Land mit der Unabhängigkeit des Kosovo abfinden und unbelastet das Tempo der Annäherung an die EU fortsetzen sollte. Der Kandidat der ungarischen Minderheit in der nordserbischen Provinz Vojvodina, Istvan Pastor, gewann 2,7 Prozent. Alle anderen Kandidaten kamen nicht über ein Prozent hinaus.
Trotz der Niederlage gab sich Tadic nach den vorläufigen Endergebnissen siegessicher. "Wir müssen diesen historischen Sieg erringen" sagte der amtierende Präsident, der Serbiens Zukunft in der EU sieht. Obwohl er sich entschlossen und kampfeslustig zeigte, bekam er kein richtiges Lächeln zustande. Die Hoffnung schöpft Tadic aus der Tatsache, daß auch bei den Präsidentschaftswahlen 2003 Nikolic einen Vorsprung hatte und bei der Stichwahl deutlich verlor. Allerdings war Nikolics Vorsprung damals halb so groß, und die Wahlbeteiligung über zehn Prozent geringer, so daß auch der Spielraum für Tadics Aufholjagd diesmal wesentlich kleiner ist. Die Stichwahl wird Tadic auf ein Referendum für oder gegen Europa zuspitzen.
"Die Wende in Serbien ist greifbar nahe", erklärte der sichtlich müde Nikolic, der schon drei mal für das Präsidentenamt kandidierte, und der weiß, daß seine Chancen nie besser waren. Nikolic steht für einen Abbruch der Beziehungen mit der EU, falls deren Mitgliedsstaaten die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen und plädiert für eine engere Bindung an Rußland. Er spricht aber auch die unzähligen sozial ruinierten, unzufriedenen Menschen an, die zum Teil unter der Grenze der Armut leben. Für ihre Misere macht Nikolic das "korrumpierte" Regime verantwortlich, dessen Teil Tadic sei. Der Westen habe den Serben nur Bomben und Armut gebracht, sagt Nikolic.
Es heißt, wer einigermaßen gut lebt und etwas zu verlieren hat, wird für Tadic wählen, und wer nichts mehr zu verlieren hat, für Nikolic. Und das sind sehr viele Menschen in Serbien.
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