Präsidentschaftswahl in Kolumbien: Tanzen und singen an ihrer Seite
Francia Márquez könnte Kolumbiens erste schwarze Vizepräsidentin werden. Für viele Arme ist sie eine Hoffnungsträgerin.
D ie Frau, auf die viele Kolumbianer*innen ihre Hoffnungen setzen, wartet geduldig mit vor dem Bauch verschränkten Händen, bis der Senator seine lange Rede beendet hat. Fast schüchtern wirkt sie auf der Bühne, als sie dem Publikum winkt. Bis sie mit fester Stimme ansetzt: „Guten Abend, Cali! Seid ihr bereit, köstlich zu leben?“ Die Menge vor ihr antwortet mit Jubel.
Es ist ein Sonntagabend Mitte Mai. Seit zwei Uhr nachmittags haben Hunderte Menschen hier auf dem großen Platz vor der Schule Colegio Compartir in der prallen Tropensonne gefeiert, getanzt, Parolen gerufen – und auf Francia Márquez gewartet. Sie könnte Kolumbiens erste Schwarze Vizepräsidentin werden, sollte der linke Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro die Wahl am Sonntag gewinnen.
Zum ersten Mal überhaupt könnte Kolumbien einen linken Präsidenten bekommen. Gustavo Petro könnte sogar ohne Stichwahl gewinnen. Er liegt in allen Umfragen vorn. Bereits bei den Parlamentswahlen im März hat das linke Parteienspektrum deutlich zugelegt.
Die kolumbianische Gesellschaft ist im Umbruch. Die Pandemie hat Ungleichheit und Not verstärkt. Etwa 40 Prozent der Kolumbianer*innen sind arm. Vor allem die Jungen sind verzweifelt, weil sie keine Zukunft sehen und ein neues Kolumbien wollen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Gescheiterte Sicherheitspolitik
Präsident Iván Duque wird deshalb immer unbeliebter. Der Ultrarechte hat alles getan, um das Friedensabkommen zwischen dem Staat und der ehemaligen Farc-Guerilla zu torpedieren. Dessen Umsetzung würde große Verbesserungen für die Landbevölkerung bringen und die Ursachen des mehr als 50 Jahre währenden Konflikts angehen. Doch wo die Farc-Guerilla das Terrain räumte, hat der Staat keine Präsenz aufgebaut – dagegen andere bewaffnete Gruppen, die um die Vorherrschaft kämpfen.
Duques Sicherheitspolitik ist gescheitert. Zum Leid der Menschen auf dem Land. Fast täglich wird ein*e Aktivist*in oder ein*e frühere Farc-Kämper*in ermordet. Die Massaker und Massenvertreibungen nehmen zu. Kolumbien droht, wieder in die Gewaltspirale zurückzufallen. Niemand spricht das so klar aus wie Francia Márquez. Denn sie hat die Gewalt am eigenen Leib erlebt.
Francia Márquez ist Feministin, Umweltschützerin, Aktivistin, Anwältin. Und sie ist Vertriebene, Schwarz, arm, alleinerziehend. Sie hat viel gemein mit den Menschen, die da vor ihr im armen Osten der Großstadt Cali stehen.
Es sind Eltern mit ihren Kindern, die Kleinsten sitzen auf ihren Schultern. Gekommen sind auch Frauen-Kollektive, Anhänger*innen der Partei Comunes, die Partei der ehemaligen Farc-Guerilla, außerdem sieht man Indigene in traditionellen Gewändern – und sehr viele Junge. Darunter viele Menschen, denen man ansieht, dass ihnen nichts in den Schoß fiel. Ihre Hände sind abgearbeitet, manchen fehlen Zähne, ihre Kleidung ist billig und gepflegt. Viele von ihnen sind Schwarz. Cali ist die Stadt mit dem höchsten Afro-Anteil in Kolumbien.
Die Leute schwenken Fahnen, haben Plakate gebastelt, Collagen erstellt. Da schwebt die Taube vom Kirchenkalender zwischen zwei Bildern der Kandidatin, auf T-Shirts ist Francia Márquez zur Zeichentrickfigur aus dem Disney-Film „Encanto“ geworden. „Entzücken“ oder „Verzauberung“ heißt das wörtlich. Aus der Menge ruft immer wieder jemand: „Ich liebe dich, Francia!“
Für Márquez ist der Abschluss des Wahlkampfs im Osten von Cali ein Heimspiel. Es sei der Ort, „der uns aufnimmt, wenn der Krieg uns aus unserem Zuhause vertreibt“, sagt sie. So hat sie es selbst erlebt. 2014 musste sie mit ihren beiden Kindern aus der Konfliktregion Cauca nach Cali fliehen und kam hier unter.
Francia Elena Márquez Mina, 40 Jahre alt, stammt aus der afrokolumbianischen Gemeinschaft La Toma in den Bergen nahe der Pazifikküste, wo bewaffnete Gruppen aktiv sind. Diese alten Gemeinschaften, die von Sklav*innen abstammen, stehen theoretisch wie indigene Gemeinschaften in Kolumbien unter besonderem Schutz. Der Kampf um ihre Rechte wurde zu Márquez’ Lebensaufgabe.
Als Kind steht sie dort mit einer Schüssel im Ovejas-Fluss und schürft Gold, um Geld zu verdienen. Wie so viele. Als Teenagerin beginnt sie, sich im Umweltschutz zu engagieren – in Kolumbien ist das bis heute lebensgefährlich. Eine Bergbaugesellschaft will den Ovejas-Fluss, von dem die Existenz ihrer Gemeinschaft abhängt, zu einem Stausee umleiten. Es gelingt, das zu stoppen. Doch die Regierung hat Lizenzen an Bergbaukonzerne vergeben, ohne die Gemeinschaften vor Ort zu konsultieren. Das ist illegal.
Bergleute kommen in Scharen in die Gegend, fällen Bäume, wühlen die Erde um und vergiften den Fluss mit Quecksilber. Tausende Menschen werden vertrieben. Ein Video dazu ging vor Kurzem viral. Die junge Márquez spricht darin davon, dass die Konzerne Wohlstand versprachen und Elend brachten.
Mit 16 wird sie zum ersten Mal schwanger, weil sie keine Sexualerziehung hatte. So erzählt sie es Tausenden Menschen in diesem Wahlkampf, als mahnendes Beispiel. Nur dank der Unterstützung ihrer Familie kann sie weiter die Schule besuchen. Später studiert sie Jura, um die Rechte ihrer Gemeinschaft besser durchsetzen zu können.
Denn der Fluss und das Leben der Menschen werden weiter angegriffen. 2014 trommelt Márquez rund 80 Afrofrauen aus ihrer Gemeinschaft zusammen. Sie gehen zu Fuß bis in die Hauptstadt Bogotá, über 600 Kilometer weit, und protestieren dort 20 Tage lang für ihre Rechte. Der „Marsch der Turbane“, benannt nach den Kopfbedeckungen der Frauen, hat Erfolg: Die illegalen Bergleute werden vertrieben, ihre Maschinen zerstört. 2018 erhält Francia Márquez für ihr Engagement den Goldman-Preis, der als Umwelt-Nobelpreis gilt.
Das Private ist politisch, das gilt auch bei Francia Márquez. Ihre Lebensgeschichte gleicht der von Millionen Kolumbianer*innen. Sie macht ihnen Hoffnung. Zumindest darauf, dass sie endlich jemand versteht. Manche in der Menge an diesem Abend haben zwischen den Begeisterungsrufen Tränen in den Augen.
Auf der Bühne sind den ganzen Nachmittag Bands aus der Nachbarschaft aufgetreten, wo Armut, Gangs und Gewalt Alltag sind. „Sie haben Kunst statt Gewalt gewählt“, sagt Márquez, als sie ihnen in ihrer Rede dankt.
Dann fordert sie kostenlose und gute Bildung. Sie erzählt, dass sie sieben Jahre brauchte für den Abschluss als Anwältin. „Nicht, weil es mir an Fähigkeiten fehlte, sondern weil ich den Lebensunterhalt für mich und meine Kinder verdienen musste.“ Sie weiß, wie es ist, wenn man zwischen dem Geld für den Bus zur Uni und einer Mahlzeit entscheiden muss. Damit spricht sie vielen Jungen aus der Seele, die 2021 auf die Straßen gingen und unter anderem für mehr Bildung protestierten.
Márquez hat wie so viele Generationen vor ihr als Hausangestellte geputzt und auf fremde Kinder aufgepasst, um die eigenen durchzubringen. Sie sei stolz darauf, sagt sie. Und dass sie mehr vom Leben wolle.
„Sie haben sich über sie lustig gemacht, weil sie Schwarz und eine Frau ist. Sie sagten, dass Petro jetzt eine Köchin hat“, sagt die Afrokolumbianerin Elizabeth Cáracaz, die mit ihrer feministischen Garde bei allen Veranstaltungen in Cali das Sicherheitskonzept unterstützt hat. „Francia will, dass wir Frauen endlich Teil der Politik werden“, fügt sie hinzu.
Sie habe nicht darum gebeten, in die Politik zu gehen, sagt Márquez auf der Bühne. „Aber die Politik hat sich mit mir angelegt. Und jetzt legen wir uns mit der Politik an. Weil sie uns immer gesagt haben, dass die Politik nichts für uns Frauen ist. Dass wir Schwarze Frauen als Hausangestellte bei einer Familie arbeiten sollen. Wir müssen diese Ketten der Unterdrückung durchbrechen.“
Im Viertel Llano Verde am Rand der Großstadt, wo die Armen gestrandet sind und bewaffnete Banden um ihre Kinder werben, wurden am 11. August 2020 fünf Jungen ermordet in einem Zuckerrohrfeld gefunden. Kein Einzelfall in dieser Gegend. Für Francia Márquez war Llano Verde der Wendepunkt. Vier Tage nach dem Mord an den Jungen verkündete sie, dass sie Präsidentin von Kolumbien werden wolle. Ein Grund: „Ich will, dass unsere Kinder keine Angst haben müssen, ermordet zu werden.“ Damals dachten wohl viele, sie habe mit ihrer Kandidatur den Verstand verloren.
Anderthalb Jahre später denkt das niemand mehr. Am 23. März wählten die Kolumbianer*innen den Kongress und bestimmten zugleich die Präsidentschaftskandidaten der aussichtsreichsten Wahlbündnisse. Francia Márquez holte überraschend 783.000 Stimmen für den Pacto Histórico (Historischer Pakt), die drittmeisten insgesamt. In einem anderen Bündnis wäre sie damit Präsidentschaftskandidatin. Ohne aus einer der einflussreichen politischen Familien zu stammen, ohne Geld für teuren Wahlkampf. Der linke Kandidat Gustavo Petro machte sie zu seiner Vize.
Sie hat das Land bereits verändert
Márquez zielt in ihrem Wahlkampf auf Frauen, Junge und Erstwähler*innen sowie Indigene und Afrokolumbianer*innen. Es ist ihr sogar gelungen, die sozialen Bewegungen hinter sich zu versammeln. „Der Moment ist gekommen, um Politik von unten zu machen. Denn so können wir das Land wirklich verändern. Last uns gemeinsam diesen Wandel bewirken!“, ruft sie in Cali über den Platz.
Egal, wie es am Sonntag für sie ausgeht: Sie hat das Land bereits verändert. Nach ihrem Erfolg bei den Vorwahlen haben plötzlich auch andere Präsidentschaftskandidaten Schwarze Vizekandida*innen nominiert.
Ihre Kandidatur macht einige nervös in Kolumbien. Noch immer gehört Gewalt zum politischen Geschäft. In ihre Herkunftsregion kann Márquez nicht zurück. Zu viele bewaffnete Gruppen kämpfen in Cauca mittlerweile um die Vorherrschaft. 2019 überlebte Márquez dort ein Attentat unverletzt. Sie hatte sich mit anderen Führungspersönlichkeiten der Region versammelt, um die Verhandlungen mit der Regierung wegen der indigenen Minga vorzubereiten. Bewaffnete Männer erschienen, beschossen die Gruppe und warfen eine Granate. Zwei Leibwächter wurden verletzt. Erst vor Kurzem wurde ein Anführer ihres Wahlbündnisses im Cauca ermordet.
Im Wahlkampf erhielt sie mehrere Morddrohungen. Ein Trupp von Leibwächtern weicht nicht von ihrer Seite. Während ihrer öffentlichen Reden flankieren sie zwei dieser Männer mit schweren Metallschildern, sollte jemand aus dem Publikum etwas werfen oder sie – wie zuletzt in Bogotá – mit einem Laserpointer attackieren.
Niemand betont die afrokolumbianischen Wurzeln so wie sie – und niemand wird deshalb so angefeindet. Der Senatspräsident sagte ohne Beweise, dass sie mit Unterstützung der ELN-Guerilla nominiert wurde – eine Unterstellung, die die arme Landbevölkerung und alle, die in Kolumbien für ihre Rechte auf die Straße gehen, nur zu gut kennen. Eine ultrarechte Senatorin legte ihr nahe, ihren Vornamen zu ändern, denn es sei unpassend für sie, wie eine ehemalige Kolonialmacht zu heißen. Eine bekannte Sängerin beleidigte Márquez als „King Kong“.
Wenn man sich bei Menschen in Cali umhört, die sie von früher kennen, weil sie sich dort jahrelang in sozialen Bewegungen engagierte, sagen diese, dass sie nie gedacht hätten, dass Márquez in die Politik gehen würde. „Sie war genau wie wir anderen Frauen“, sagt eine, die sie von Arbeitstreffen kennt. Eine Anführerin an der Basis.
Damals trug Márquez noch öfter Jeans und T-Shirt. Heute kleidet sie ein 23-jähriger Designer von der Pazifikküste ein, der sich von Mustern aus Afrika inspirieren lässt – in leuchtenden Farben. Eines dieser jungen Talente, die eine Chance verdienen, wie es laut Márquez so viele in Kolumbien gibt.
Beim Wahlkampfabschluss in Cali trägt sie eine hochgeschossene senffarbene Bluse mit geschlitzten Ärmeln und einen knallig bunt bedruckten Rock mit seitlichen Rüschen. Dazu wie immer Armbänder und große Ohrringe.
Ihr krauses Haar hat sie nie geglättet. Allein das ist eine politische Botschaft in einem Land, wo eine Fernsehjournalistin einen Skandal verursachte, als sie auf einmal mit Afronaturlocken auf dem Bildschirm erschien – und wo eine der bekanntesten Anhänge*innen der rechten Regierungspartei mit Haarglättungs-Chemikalien ihr Geld verdient.
Nicht nur wegen der bunten Kleidung sticht sie aus der politischen Landschaft heraus. Márquez spricht unangenehme Wahrheiten aus. Sie hat eine neue Sprache in den Wahlkampf gebracht – die der afrokolumbianischen und indigenen Gemeinschaften, der Menschen vom Land. An ihrer Seite tanzen und singen bei den Auftritten die Mayoras, die weisen alten Frauen, die in den Afrogemeinschaften so geschätzt werden.
Ein politisches Amt hatte Francia Márquez noch nie. Ihre Unerfahrenheit wird am häufigsten an ihr kritisiert. Für die Menschen auf dem Platz spielt das keine Rolle. „Viele Leute, die jetzt an der Macht sind, hatten oft auch keine Erfahrung, sondern kamen auf ihre Posten, weil sie aus einflussreichen Familien stammen“, sagt Jorge Enrique Caicedo, 39 Jahre alt, ein afrokolumbianischer Anwalt, der früher Streifenpolizist war, es aber wegen Korruption, Machtmissbrauch und Rassismus bei der Polizei nicht mehr aushielt. Die seit Jahrzehnten regierende politische Klasse habe Kolumbiens Probleme nicht gelöst. Im Gegenteil.
Für Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro, der Márquez nur gegen Widerstand nominierte, wurde sie der große Trumpf – auch bei Frauen im bürgerlichen Milieu. „Ich denke wie meine Enkelin: Ich werde für Francia stimmen – und den Präsidenten, der mit ihr kommt“, sagt die 72-jährige Nancy Ruiz bei einer Wahlkampfveranstaltungen in Medellín. Die hellhäutige Dame mit dem sorgsam frisierten Haar, der dunklen Brille und dem Goldschmuck erinnert an einen Hollywoodstar.
Tatsächlich war sie früher Geschäftsführerin und lange Jahre in der Gewerkschaft aktiv. Es freut sie, dass die jungen Frauen und Mädchen heute mehr für ihre Rechte eintreten. Im Lions Club und in ihrer Familie stehe sie ziemlich alleine mit ihren Ansichten da. „Sie leben in ihrer Blase, mit ihrer Finca und ihrer Pension, und denken, weil es ihnen gut geht, geht es allen so.“
Nicht immer ganz glücklich
Ruiz hat ihrer Enkelin die Studiengebühren und den Bus bezahlt und erzählt empört, dass die jungen Generation in Kolumbien trotz Qualifikation nur Dreimonatsverträge bekomme.
Gustavo Petro gilt in Kolumbien als Linker. In Deutschland würde man ihn eher als Sozialdemokraten mit Hang zum Populismus einstufen. In seiner Jugend war er Mitglied der urbanen M-19-Guerilla, später Bürgermeister von Bogotá, zuletzt Senator. Als Bürgermeister kümmerte er sich verstärkt um die ärmeren Bevölkerungsschichten. Er ist seit Jahrzehnten Berufspolitiker – und kämpft gegen seinen Ruf als Macho. Nicht immer ganz glücklich.
Im Wahlkampf veröffentlichte er einen sogenannten Dokumentarfilm: „Die Politik der Liebe“. In dem schildert er neben Monologen vor der heimischen Bücherwand auch ausgiebig seine Verführungstaktiken und lässt sich beim Engtanz mit seiner Frau filmen. Da hilft es wenig, dass Tochter Sofía ein flammendes Plädoyer für ihren Vater hält. Zumindest in seinen Ansprachen sind Frauen und Gleichberechtigung mittlerweile präsenter als früher.
Es ist Petros dritter Anlauf auf die Präsidentschaft, auch 2018 hatte er kandidiert. Damals zog er mit der bekannten Feministin und Sozialpolitikerin Angela María Robledo als Vize ins Rennen. Das ging nicht gut. Robledo attestierte Petro später Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung. Mittlerweile hat sie sich wieder hinter ihn gestellt – vor allem wegen Francia Márquez.
Tatsächlich ist Márquez in ihren Ansichten radikaler als Petro. Beide wollen nicht nur mit der ELN-Guerilla, sondern mit allen bewaffneten Gruppen Friedensgespräche führen. Dazu eine echte Reform der Sicherheitskräfte, die für Menschenrechtsverletzungen berüchtigt sind. Und sie wollen die heimische Landwirtschaft stärken.
Márquez setzt sich anders als Petro bedingungslos für ein liberales Abtreibungsrecht ein. Wenn es nach ihr geht, soll die Legalisierung von Drogen auch deutlich weiter gehen, um dem Drogenhandel die Geschäftsgrundlage zu entziehen, der für viel Gewalt im Land verantwortlich ist. „Wir werden keine Entwicklung schaffen, wenn wir den Krieg in diesem Land nicht stoppen“, sagt Márquez, die in Havanna bei den Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Farc-Guerilla dabei war.
Petro unterlag vor vier Jahren dem jetzigen Amtsinhaber Iván Duque, dem politischen Ziehsohn des mächtigen Ex-Präsidenten Álvaro Uribe. Uribe ist immer noch mächtig, aber zum ersten Mal einer Verurteilung nähergerückt. In seine Amtszeit fallen mindestens 6.402 Morde an unschuldigen Zivilist*innen, die die Armee als Guerilla-Kämpfer*innen verkleidete (falsos positivos). Die Sonderjustiz für den Frieden und die Wahrheitskommission decken Stück für Stück auf, was der Grund der Gewaltspirale ist.
Präsidentin will sie selber eines Tages immer noch werden, das hat Francia Márquez deutlich gesagt. Doch erst einmal strebt sie das Amt der Vizepräsidentin an. Deren Aufgaben hängen davon ab, wie der Präsident das Amt zuschneidet. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich Francia Márquez mit Händeschütteln und symbolischen Ehrungen zufrieden geben wird. Petro hat angekündigt, dass Márquez im Falle eines Wahlsiegs auch an der Spitze eines neuen Gleichberechtigungsministeriums stehen werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus