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Präsidentschaftswahl in GuineaSpannungen bei Stichwahl erwartet

Die Vertreter der beiden größten Volksgruppen erhalten die meisten Stimmen. Unruhen blieben aus, Beobachter sprechen von den freiesten Wahlen seit der Unabhängikeit.

Sie freuen sich über die ersten freien Wahlen seit 52 Jahren. Bei der nun erforderlichen Stichwahl könnte es aber zu ethnischen Spannungen kommen. Bild: rts

NAIROBI/CONAKRY taz | Bei der Präsidentenwahl in Guinea hat der ehemalige Premierminister Cellou Dalein Diallo die meisten Stimmen erhalten, muss sich aber in zwei Wochen dennoch einer Stichwahl stellen. Der 58-Jährige erhielt dem vorläufigen Ergebnis zufolge 39,72 Prozent der Stimmen, der zweitplatzierte Kandidat Alpha Condé 20,67 Prozent. Ex-Premier Sidya Touré kam auf 15,6 Prozent der Stimmen. Er gilt als Königsmacher.

Diallo gibt sich selbstsicher: "Ich rufe all meine Landsleute auf, als Teil meiner ,Union der demokratischen Kräfte' dazu beizutragen, dass wir mit einer deutlichen Mehrheit gewinnen." Die Verlierer hingegen fechten die Ergebnisse in einzelnen Regionen an, während internationale Wahlbeobachter die Wahl im Großen und Ganzen als gelungen bezeichnen. "Trotz logistischer Schwierigkeiten am Wahltag hat die Kommission die Abstimmung generell zufriedenstellend abgewickelt", so der Chef der EU-Wahlbeobachtermission, Alexander Graf Lambsdorff. Unruhen, die vergangene Wahlen gekennzeichnet hatten, blieben diesmal aus. Es scheint, als lasse die seit Ende 2008 regierende Militärjunta tatsächlich die freiesten Wahlen seit der Unabhängigkeit von Frankreich vor 52 Jahren zu.

Beobachter sind jedoch unsicher, ob das so bleiben wird. In der zweiten Runde, befürchtet die Analystin Lydie Boka, könnten ethnische Spannungen geschürt werden. Diallo, dem Kritiker vorwerfen, sich während des Regimes des Ende 2008 gestorbenen Präsidenten Lansana Conté bereichert zu haben, gehört der größten Ethnie der Fulani (Peul) an, die gut vierzig Prozent der Bevölkerung ausmachen. Mit seinem Wahlspruch "Jetzt sind wir dran" hatte Diallo im Wahlkampf Anführer kleinerer Ethnien vergrätzt, auf deren Unterstützung er jetzt angewiesen ist. Der 73-jährige Condé, der in seiner politischen Karriere erfolglos gegen alle Staatschefs angetreten ist, gehört zu den Malinké, die etwa ein Drittel der Bevölkerung stellen.

Besonders brisant ist der ethnische Wettstreit, weil der politische Einfluss der Fulani nach der Unabhängigkeit mit dem Argument verhindert wurde, eine Übermacht der größten Ethnie gefährde die nationale Einheit Guineas. Manch einer in Guinea glaubt, dass die Junta im Falle eines Diallo-Wahlsiegs auf diese "Foutah" genannte Politik zurückgreifen könnte, um selbst an der Macht zu bleiben. Es geht um viel Geld: Der Wert der anstehenden Verträge mit Minenunternehmen in dem armen, aber rohstoffreichen Land wird auf mehr als 8 Milliarden Euro geschätzt.

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1 Kommentar

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  • DP
    Daniel Preissler

    Es gibt in Guinea noch zwei weitere Argumentationslinien gegen die Wahl eines Pheul zum Präsidenten.

     

    Die eine (rein ethnisch) lässt sich grob zusammenfassen mit der häufigen Aussage: "Ein Pheul darf niemals Präsident in diesem Land werden, den die Pheul sind eigentlich gar keine Guineer!" Die Pheul sind tatsächlich gleichzeitig die größte Bevölkerungsgruppe und diejenigen, die zuletzt zugewandert sind - vor etwa 200 Jahren.

     

    Die andere (sozial/ökonomisch/ethnisch) besagt, dass die Pheul, die witschaftlich dominante Gruppe, die der Sage nach sämtliche (legalen und illegalen) Geschäfte im Hafen von Conakry abwickelt, deren Mitglieder die Fahrer, Mitarbeiter und Angestellten der Weißen im Land sind (weil sie als zuverlässig gelten), die die besten Schulabschlüsse haben und am meisten Geld verdienen, wenn sie nun auch noch den Präsidenten stellen, wirklich das ganze Land kontrollieren und der Rest hinten runterfällt.

     

    Diese zweite Linie ist nicht ganz von der Hand zu weisen, fügt sich aber andererseits in den westafrikanisch/guineisch-muslimisch-mandestämmigen (keine Ahnung, was dabei den Ausschlag gibt) "Entschuldigungsdiskurs" ein, bei dem die andern (meistens die Franzosen) einen immer übers Ohr hauen wollen oder einfach mehr Glück haben, als man selber.

     

    Vorbehalte gegen die Pheul in Guinea folgen häufig tatsächlich antisemtischen Vorlagen bei uns (zumindest, wie es sie früher gab). Gleichzeitig gesteht ihnen aber jeder zu, die Qualitäten des "strebsamen deutschen Arbeiters" ebenfalls in die Wiege (bzw. auf de Rücken der Mutter? :-) ) gelegt bekommen zu haben.

     

    Letztendlich wird Diallo aber höchstwahrscheinlich gewählt werden, entweder, weil ausreichen Wähler unterlegener Kandidaten zuhause bleiben, oder weil ausreichen Bewohner der Waldregion für ihn stimmen, um einen Malinke zu verhindern. Die Vorbehalte der Waldguineer den Malinke gegenüber wiegen m.M. schwerer als ihre Komplexe den Pheul gegenüber.

    Einzige Hoffnung Condés wird sein, dass die Susu aus der Hauptstadtregion sämtlich für ihn stimmen, um einen Pheul zu verhindern. Aber das wird wohl nicht reichen. Guinea wird vermutlich nach einem Malinke, einem Susu (und, wenn man ihn mitzählt, einem Camara aus dem Wald, also wohl einem Mischling) einen Pheul zum Präsidenten bekommen. Und das ist - wiederum ethnisch gedacht - ja auch irgendwie ok. Ein guter Präsident wird er vermutlich nicht sein. Dazu sind ihm die Wirtschaftsleute zu wichtig und das Volk zu egal.

    Aber wir werden sehen...

     

    Grüße, DP

     

    PS: Meine letzte Bemerkung zur Herkunft Condés muss ich nach Rücksprache mit einem Bewohner des genannten Dorfes etwas korrigieren: Es kommt wohl nur sein Opa oder Vater oder Ur-Opa aus Baro, er selbst hat in Niederguinea (und rankreich) gelebt und spricht Malinke mit einem Susu-Akzent.