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Präsidentschaftskandidat Vladimír FranzPunkmusiker will in die Prager Burg

Er gilt als Musik-Ausnahmetalent und ist komplett tätowiert: Vladimír Franz ist der ungewöhnlichste Präsidentschaftsanwärter Tschechiens.

Wegen seiner Komplett-Tätowierung wird Vladimir Franz auch „Avatar“ genannt. Bild: Reuters

Als Vladimír Franz im Spätsommer des vergangenen Jahres ankündigte, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, dachte ganz Tschechien an einen Witz. Nicht, dass der Musikprofessor, der nebenbei auch noch promovierter Jurist ist, eine Witzfigur sei. Mit seinem komplett tätowierten Körper könnte man ihn eher als Gesamtkunstwerk bezeichnen. Ob der 53-jährige Prager als Staatsoberhaupt bestehen könnte, ist allerdings fraglich.

In der hohen Politik ist Franz ein blutiger Anfänger. Seine Kandidatur entwickelte sich aus einer Facebook-Kampagne, die um die 42.000 Fans zählt. Was ihn, außer seinen Distanz zur politischen Elite des Landes, für das höchste Amt im Staat qualifiziert, weiß allerdings keiner so genau.

Franz gilt als Ausnahmetalent der szenischen Musik und als prominenter Vertreter der modernen Klassik. Bislang hat er etwa 150 Theaterstücke musikalisch inszeniert. Seit Anfang der 1990er Jahre lehrt er an der Akademie der musischen Künste und der renommierten Prager Filmhochschule Famu.

Unter Studenten und Schülern hat Franz denn auch seine meisten Fans. Würden sie die ersten direkten Präsidentenwahlen entscheiden, könnte es Franz lässig auf die Prager Burg schaffen. Er selbst rechnet eher mit einem Abschneiden im Mittelfeld. Einen Achtungserfolg wird dem „Avatar“, wie Franz wegen seiner blauen Tätowierungen genannt wird, keiner nehmen.

Mit Skinheadszene konkettiert

Kritiker bezeichnen Franz als einen etwas hölzernen Phrasendrescher, der mit einer gehörigen Portion Arroganz gesegnet ist. „Würde er gewählt, so wäre er innerhalb kürzester Zeit entzaubert“, so die Einschätzung eines Bekannten aus der Prager Kunstszene. Wenig bekannt sind hingegen die politischen Überzeugungen von Franz.

Seine Glaubwürdigkeit erhielt einen herben Dämpfer, als bekannt wurde, dass Franz in den Jahren nach der „Samtrevolution“ mit der tschechischen Skinheadszene kokettierte. Seine Rede auf einem Konzert der Skinhead-Musiker von Orlík ist dokumentiert. Er habe keine Sympathien für neonazistisches Gedankengut, sagt Franz. Im Gegenteil – er habe Anfang der 1990er Jahre gehofft, Skinheads auf den richtigen Weg zu bringen.

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11 Kommentare

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  • A
    Alex

    David Frankfurter:

    nein, das ist eine Kneipenkategorie.

    Früher wurde Restaurants und Gaststätten in Kategorien von I bis IV eingeteilt. Auch heute noch nennt man versiffte Eckkneipen, die nicht viel mehr als Bier, Schnaps und eingelegte Würstchen anbieten "IV.Kategorie".

    LG

    Alex

  • DF
    David Frankfurter

    @Alex:

    Nur zum Verständnis: Was darf man unter der "Kategorie IV" verstehen? Sind damit die verschiedenen Prager Verwaltungsbezirke gemeint?

  • K
    Karl

    Skinheads gabs dort auch schon vorher.Orlik waren Patrioten und hatten schon auf der ersten ein Lied gegen Faschos.

    Die LP kam auf dem Major Label Monitor/EMI raus.

     

    Der Sänger tritt heute als Sänger Danila Landa auf(Sehr bekannt)mit Veröffentlichungen auf Monitor/EMI/COLUMBIA/SONY.Ausserdem ist er Schauspieler,Rallyfahrer und schrieb 2 Musicals.

     

    Ja er hat über Erfahrungen mit gewissen Leuten gesungen,das hat dort eine Punk Band auch gemacht und die spielte in Deutschland nur in Linken Läden.

  • A
    Alex

    Hallo Mirek,

    ich verstehe, Du bist Franz-Fan ;). Dennoch gibt es unter den Präsidentschaftskandidaten einige, die über sher lange Politerfahrung etc. verfügen. Franz hat keine, wie er ja selbst zugibt. Er redet halt und sieht interessant aus. Das ist aber wirklich alles. Und dass sogar seine Bekannten ihn als arrogant bezeichnen finde ich relevant. Genau so relevant, wie sein Kokettieren mit den Neonazis.

    Absoluter Blödsinn ist allerdings die Überschrift, da gebe ich Dir recht. Der Typ komponiert immerhin Opern.

    LG

    Alex

  • M
    MirekM

    Hallo Alex. Zu dem Artikel. Ich finde die Schlagzeile schon nicht so Richtig. Franz ist definitiv kein Punker, das er als Phrasendrescher bezeichnet ist, nun das passt fast für alle, die sich um dieses Posten bewerben haben. Daran zu hinweissen, was Bekannte in der Kunstszene über ihm denken, ist nicht gerade Proffesionell. Das er bei Orlik Konzert gewschwafelt hat, ist auch paar Järchen her. Der Artikel konnte auch in Blesk, AHA, iDnes oder Reflex erscheinen. Und konnte auch für alle gelten, die mit der Politik zu tun haben. Gut ist er deswegen nicht.

  • A
    Alex

    Lieber Mirek,

    es ist ganz normal, dass man, wenn man in einem Land lebt und darüber in der ausländischen Presse liest, immer alles besser weiss, ohne eigentlich konkret sagen können, was, warum und wie.

    Na Mělníku kenne ich gut, war da auch schon oft, als ich noch um die Ecke gewohnt habe.

    Die beste Kneipe auf der Letná ist aber eindeutig die "Prašivka" ;).

    Alex

  • M
    MirekM

    Liebe Alex. Mit dem Bier wird nichts, meine Bierzeit ist schon abgelaufen. Viel zu lange bei "Na Melniku" (pod Letnou))gesessen. Was ich ab und zu von Fr. Mostyn lese, denke ich, dass sie einfach nicht im Prag ist, sondern nur kurz verbei gefahren ist. Das ist meine Meinung.

  • A
    Alex

    Lieber Mirek,

    Hier geht es aber nicht um eine Definition von Neonazis.Ich versuchte Karl nur zu erklären, dass tschechische Skins mit der Neonazi-Szene verbändelt sind und nichts mit britischer Skin- Subkultur zu tun haben. Dass nicht nur Skins zu den Neonazis zählen (wie in jedem Land) ist klar. Ich lebe übrigens in Holesovice, da ist es weit bis in die Salons der Hauptstadt und umso näher in die IV.Kategorie, wo sogar ein Mährer weniger gilt, als ein Schwabe in Berlin. Da lade ich Dich gerne mal auf ein Bier ein.

    LG

    Alex

  • MM
    Mirek M

    Alex irrt. Die Neonazis kommen nicht aus der Reihen der Skins (nicht nur), sondern aus der Schicht der "netten Nachbarn" von denen man das nicht vermutet. Wenn es um die Hetze und Hass gegen Roma geht, sind diese voll dabei. Frau Mostyn soll mehr zwischen die normale Leute gehen und nicht Salon- Journalismus betreiben. Manchmal wundert mich, was sie über mein Heimat schreibt. Fast immer Richtig, aber nur Fast.

  • A
    Alex

    Der Artikel ist aus Tschechien. Die dortige Skinheadszene hat sich (aus bekannten Gründen) Anfang der 1990er Jahre entwicklet und bestand/ besteht ausschliesslich aus Neonazis.

  • K
    karl

    Was heiß denn hier "Skinhead" und im selben Atemzug "neonazistisches Gedankengut"?

    Nur weil sich irgendwann irgendwelche Naziaffen als Skins verkleidet haben, darf die Skinheadbewegung ja wohl trotzdem Ende der 60er von LINKEN Arbeiterkids in London gegründet worden sein! Und daß es reichlich Nachfahren gibt, dürfte doch wohl auch bekannt sein.

    Also bitte nicht auch hier noch für diesbezügliche Verwirrung sorgen liebe TAZ.