Präsidentenwahlen in Finnland: Der Grüne kommt ins Finale
Pekka Haavisto schafft es in die Stichwahl um das höchste Staatsamt. Favorit Sauli Niinistö gewinnt die meisten Stimmen. Die "Wahre Finnen" sind abgeschlagen.
STOCKHOLM taz | Die Kampagnekasse ist schon nach der ersten Runde leer. Der Zuversicht tut das aber nicht den geringsten Abbruch. "Finnland will Veränderung", glaubt Pekka Haavisto. 1995 war er Europas erster grüner Minister auf nationaler Ebene. In zwei Wochen könnte er das erste grüne Staatsoberhaupt Europas sein. Am Sonntag kam Haavisto bei der ersten Runde der finnischen Präsidentenwahl bei acht an den Start gegangenen KandidatInnen mit 19 Prozent der Stimmen auf Platz 2 hinter dem favorisierten konservativen Sauli Niinistö (37 Prozent). Die als Mitfavoriten ins Rennen gegangenen Kandidaten der Sozialdemokraten, des Zentrums und der "Wahren Finnen" liess er deutlich hinter sich.
"Eine historische Wahl" kommentierte Helsingin Sanomat, die grösste Zeitung des Landes. Niinistö konnte 50 Prozent mehr Stimmen gewinnen, als die Kandidaten der Sozialdemokraten und der Linkspartei zusammen. Dabei konnte sich Haavisto weder auf einen starken Parteiapparat noch eine wohlgefüllte Kasse stützen - eine richtige "Volksbewegung" habe ihn nach oben gespült, konstatiert auch die Tageszeitung Hufvudstadsbladet. Allerdings auf eine ganz andereArt als die, mit der Finnland vor einem dreiviertel Jahr bei der Parlamentswahl Aufsehen erregte. Ein Fünftel der WählerInnen hatte für die ausländerfeindlichen "Wahren Finnen" gestimmt. Nun kam deren Vorsitzender Timo Soini bei einer um 2 Prozent höheren Wahlbeteiligung als bei der letzten Parlamentswahl mit knapp 10 Prozent nur noch auf die Hälfte der damaligen Stimmenzahl.
Den finnischen WählerInnen stellen sich für den zweiten Wahlgang am 5. Februar nun zwei EU- und Euro-freundliche Kandidaten. Niinistö, 63, Ex-Finanzminister und Ex-Parteivorsitzender der konservativen "Sammlungspartei", ist ein Mann der Wirtschaft. Er zehrt noch immer vom Ruf, in den 1990er Jahren mit einem strengen Sparkurs das nach dem Wegbrechen des sowjetischen Markts wirtschaftlich schwer gebeutelte Finnland wieder auf Kurs gebracht zu haben.
Und der grüne Haavisto, liberal mit sozialem Engagement und in vielen internationalen Vermittlungsaufgaben erprobt. Er gilt mit seinen 53 Jahren als "junger" Kandidat und hat versprochen den Kampf gegen soziale Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Abschottung zu Schwerpunkten seiner Präsidentschaft zu machen. Und er wäre der erste offen homosexuelle finnische Präsident.
Die Frage, ob Finland wirklich reif dafür ist, dass ein schwules Paar - Haavisto lebt mit seinem Mann Antonio Flores seit 2002 in "registrierter Partnerschaft" - in das Präsidentenschloss einziehen könnte und sie offizielle Auftritte und Auslandsreisen gemeinsam wahrnehmen würden, war bislang offen kaum debattiert worden. Doch angesichts der nun anstehenden Stichwahl für das oberste Repräsentationsamt des Landes, bei denen Boulevardzeitungen Niinistö und seine als "Finnlands Jackie Kennedy" gefeierte junge Ehefrau Jenni Haukio bereits als eine Art "finnisches Königspaar" hochgejubelt haben, tauchte schon in der Wahlnacht die "Schwulen-Frage" auf.
Gar nicht überschätzen könne man die symbolische Bedeutung einer solchen Wahlentscheidung meint der Philosoph Joel Backström. "Wird Haavisto gewählt, dann glaube ich, dass Finnland ein offenes, liberales Land ist - vorher nicht." "Wahre Finnen"-Vorsitzender Soini überraschte am Montag mit der Ankündigung, er werde wohl Haavisto seine Stimme geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“