piwik no script img

Präsident des Sparkassenverbandes"Große Banken können erpressen"

Der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes sagt: Zu große Banken sollen beaufsichtigt und Hedgefonds reguliert werden. Eine Transaktionssteuer könnte die Lasten der Krise gerechter verteilen.

Nur wenige Sparkassen haben mit Lehman-Zertifikaten gehandelt, sagt Haasis. Bild: Rupert Ganzer - Lizenz: CC-BY-ND
Interview von Stephan Kosch

Herr Haasis, die Banken haben kürzlich ihre aktuellen Quartalszahlen vorgelegt. Fast alle haben wieder Milliardengewinne verzeichnet. Müssen wir überhaupt noch über die Finanz- und Wirtschaftskrise reden?

Haasis: Ja, denn sie ist noch nicht überwunden und die Lehren wurden noch nicht gezogen. Zwar geht es den Sparkassen weiterhin gut, weil sie Geschäfte gemacht haben, die sie verstehen, mit Kunden, die sie kennen. Dieses eng an der Realwirtschaft ausgerichtete Geschäftsmodell hat sich bewährt – vor der Krise und während der Krise. Doch weltweit muss sich etwas ändern im Finanzsystem. Und ich habe Zweifel, dass das geschieht.

Warum? Haben die Banker nichts gelernt?

ap
Im Interview: 

Heinrich Haasis ist Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Er ist Mitglied der CDU.

Anfang Oktober war ich auf der Weltbank-Tagung in Istanbul, wo die Branchenvertreter aus der ganzen Welt zusammenkamen. Vor einem Jahr, in Washington, herrschte noch Totengräberstimmung. In diesem Jahr war das anders. Viele hatten offenbar das Gefühl, das alles vorbei ist und die Geschäfte weiterlaufen können, wie bisher. Höchstens ein Drittel zeigte sich nachdenklich und fragte nach den notwendigen Konsequenzen aus der Finanzkrise. Und dass wir wieder den Kunden in den Mittelpunkt stellen müssen, diese Einsicht war höchstens bei der Hälfte der Teilnehmer vorhanden. Fehler machen ist schon schlimm, nicht daraus zu lernen aber noch schlimmer..

Wo sitzen denn diejenigen, die nichts ändern wollen?

Vor allem in den weltweit tätigen Instituten, in den Investmentbanken. Vor einem Jahr dachten wir noch, die wird es bald nicht mehr geben. Und jetzt wird dort mit ähnlichen Produkten wieder viel Geld verdient. Das Geschäft mit den strukturierten Produkten, das ja einer der Gründe für die Krise war, läuft längst wieder an. Ebenso die Jagd nach kurzfristigen Renditen. Insofern befürchte ich schon, dass zumindest einige Marktteilnehmer wieder die Wege beschreiten, die uns an den Abgrund geführt haben.

Zählen Sie dazu auch konkrete Renditevorgaben, wie zum Beispiel die 25 Prozent, an denen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann weiterhin festhält?

Soviel Geld ist im Geschäft mit der breiten Kundschaft nicht zu verdienen. Wer so etwas proklamiert, hat andere Geschäftsmodelle im Blick. Das funktioniert bei Sparkassen nicht und das hat nach meiner Meinung auch mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

Wieviel Profit wollen Sie denn machen?

Wir haben eine Untergrenze von zwei Prozentpunkten über dem langfristigen Kapitalmarktzins definiert. Das ist ein grundlegender Paradigmenwechsel: Damit markieren wir, was die Sparkassen mindestens benötigen, um nachhaltig das Geschäftsmodell zu erhalten. Natürlich arbeiten wir daran, diesen Wert immer etwas zu übertreffen. 2009 werden wir oberhalb dieser Untergrenze abschließen, weil die Sparkassen in der Krise ein Stabilitätsanker sind.

In den letzten 15 Jahren waren die Sparkassen mit einer Durchschnittsrendite von gut sechs Prozent die profitabelste Bankengruppe in Europa. Der Grund ist, dass es bei uns das ständige Ab und Ab – von Höchstrenditen zu Maximalabstürzen – nicht gibt. Banken müssen aber verstehen, dass langfristig das Vertrauen und die Zufriedenheit der Kunden die Voraussetzung für gute Geschäftsergebnisse sind.

Befragen Sie auch die Kunden, denen ihre Sparkassen Lehmann-Zertifikate verkauft haben und die damit ihr ganzes Geld verloren haben?

Nur sehr wenige der rund 430 Sparkassen haben Lehman-Zertifikate verkauft. Wir bedauern natürlich, wenn Kunden Geld verlieren. Man aber auch sehr genau hinschauen: Wenn einer sicherheitsorientierten 78jährigen Frau empfohlen wird, für ihr Erspartes Lehmann-Papiere zu kaufen, ist das falsch. Aber es gibt eben auch Kunden, die schon einen größeren Geldbetrag angelegt und dann noch über das Internet bei einer Sparkasse Lehmann-Zertifikate gekauft haben. Diese Kunden wissen, was sie tun. Die betroffenen Sparkassen haben sich deshalb jeden Einzelfall genau angesehen. Dort wo Fehler erkennbar waren, haben sie zu ihrer Verantwortung gestanden. Einzelne Fälle müssen sicher noch geklärt werden.

Sie fordern in ihren Reden immer wieder, dass eine Folge der Finanzkrise die Schrumpfung des Bankensektors sein muss. Die Institute sollen sich wieder regionaler organisieren und auf den Kunden ausrichten. Kann denn die globalisierte Finanzwelt tatsächlich so arbeiten wie die Sparkasse Castrop-Rauxel?

Globalisierung kann doch nicht bedeuten, dass Banken immer größer und immer risikoreicher für die Volkswirtschaften insgesamt werden.

Der Befund ist doch eindeutig: Die Finanzwirtschaft ist in den letzten Jahren wesentlich stärker gewachsen als die Realwirtschaft. Der Grund dafür waren virtuelle Geldgeschäfte ohne eine reale Kundenbasis. Das hat uns in die Krise geführt und das muss zurückgedreht werden. Alle Regierungen reden davon, dass einzelne Banken nicht so groß werden dürfen, dass ihr Konkurs ganze Staaten in den Ruin treibt. Das hat auch die Bundeskanzlerin vor und nach dem G20-Gipfel gefordert. Die Wirklichkeit sieht aber anders auch. In den USA zum Beispiel hat die Krise für noch viel größere Banken gesorgt. Und in Deutschland wird mit Staatshilfe eine börsennotierte Bank noch größer und damit systemrelevanter gemacht.

Und nun? Sollen die neuen Bankenriesen wieder zerschlagen werden?

Zu große Banken können Regierungen erpressen. Das Mindeste sind deshalb Regularien, mit denen große Banken besonders beaufsichtigt, mit höheren Eigenkapitalanforderungen belegt und notfalls auch abgewickelt werden können. Das sehe ich bisher aber nicht, trotz mancher gegenteiliger Aussagen. Der Trend geht doch schon wieder in Richtung Größe.

Bei den Landesbanken, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, gibt es aber auch Fusionen. Von neun Instituten sollen nur noch drei übrig bleiben.

Fusionen bei Landesbanken sollen ein Mittel sein, um Risiken und damit Größe zurückzufahren. Die Landesbanken sollen wieder stärker Dienstleister für die Sparkassen und für deren Kunden sein. Die Sparkassen wollen, dass sich die Landesbanken künftig weitgehend auf Geschäfte mit realwirtschaftlicher Grundlage konzentrieren und die reinen Finanzgeschäfte abbauen .

Wann werden wir nur noch drei Landesbanken haben?

Das ist schwer zu sagen. Im Moment steht im Vordergrund, die von der Krise betroffenen Landesbanken wieder auf solide Beine zu stellen. Diese Unsicherheit bremst Fusionsüberlegungen. Auch mit Brüssel gibt es noch einiges zu klaren, denn es sind ja auch Beihilfen geflossen. Bevor die Vorgaben der EU-Kommission nicht umgesetzt sind, wird sich nicht viel verändern. Und dann müssen wir ja auch noch mit den Ländern als Miteigentümern einig sein.

Aber ist das nicht ein generelles Problem der Krisenbewältigung? Alle sagen, es müsste ganz viel passieren, aber nichts geschieht. Die Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer haben bislang vor allem viel bedrucktes Papier produziert. Verliert die Politik nicht zu viel Zeit?

Die Zeit wurde vor der Krise verloren. Deutschland hatte ja schon vor zwei Jahren auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm versucht, das Thema Hedgefonds und Regulierung der Finanzmärkte auf die Tagesordnung zu bringen. Aber die Vertreter der USA und Großbritanniens haben es abgelehnt, überhaupt darüber zu reden. Ich sehe es als großen Erfolg an, dass die G20 jetzt auf ihren Gipfeln eine gemeinsame Haltung zu diesen Themen suchen. Das ist ein absolutes Novum. Man muss aber realistisch bleiben: Schließlich geht es um Regeln, die 20 souveräne Staaten miteinander vereinbaren müssen.

Das gilt auch für eine Steuer für alle Transaktionen auf den Finanzmärkten, die früher von Attac und vor der Wahl sogar vom Bundesfinanzminister gefordert wurde. Die Banken sind bislang dagegen. Wie stehen sie dazu?

Natürlich wünschen wir uns das nicht. Ich sehe eine solche Steuer aber als eine Möglichkeit, alle Akteure an den Finanzmärkten an den volkswirtschaftlichen Lasten der Finanzkrise zu beteiligen. Früher war das Gegenargument, dass eine solche Steuer unrealistisch ist, weil alle Länder mitmachen müssen. Durch das Instrument der G20 ist das aber nun möglich.

Deutschland hat seit kurzem eine neue Bundesregierung, die über eine neue Rekordverschuldung Steuersenkungen finanzieren will. Ist das eine nachhaltige Finanzpolitik?

Zumindest werden die Staatsschulden uns noch nachhaltig beschäftigen. Das ist schon beängstigend. Aber man muss fair bleiben. Wir sind im Jahr der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die Bundesregierung hat die Folgen abgemildert, indem sie Geld in die Hand genommen hat. Und solide finanzierte Steuererleichterungen können natürlich helfen, das Wachstum zu beschleunigen. Das kann aber nur gut gehen, wenn die Bundesregierung den Mut hat, bei einem beginnenden Aufschwung Geld zu sparen und dann bei den Ausgaben zu kürzen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • JK
    Juergen K.

    1)

    Wieso zahlen die Banken nicht

    ALLE Kosten der Krise ?

     

    2)

    Wieso gibt der Staat Geld im NULL % Bereich an die Banken,

     

    VERLANGT ABER ETWA NICHT,

    dass die Staatsschulden genau zu diesem Zeitpunkt

    auch im NULL % Bereich verzinst werden.

     

    3)

    Wie kann ein Volk nur zulassen, dass seine Regierung jegliches Lenken

     

    Optionsscheinen auf Nahrung und Energie, Optionsscheinen auf Optionsscheine auf Steuerhinterziehung übereignet ?

  • A
    andyconstr

    Risiko für alle? Das kann nur eine internationale Verschwörung der Kapitalisten sein, die Lohn.-, Sicherheits.- und Sozialstandarts senken oder abschaffen wollen. Wenn der Staat dann pleite ist kommen sie und bestimmen was passiert.Wenn dann die Politiker nichts mehr machen können, dann werden sie die Massen wieder zusammenknüppeln wie im Osten.Gut das viele Amerikaner die Waffe im Schrank haben, die werden ihre Freiheit verteidigen.Wenn dann die Macht wieder aus den Gewehrläufen kommt, dann werden wir wieder da sein wo wir waren, mit nichts zukunftsweisenden.

  • M
    mathilda

    "to big to fail" - diese "aufforderung" kommen die banker aktuell doch nach. logische konsequenz wäre natürliche regulierung nach oben. ansonsten werden erpressungen zur rettung weiterhin an der tagesordnung sein. neben fehlenden moralischer verantworung. wer soll das zahlen? kurzarbeiterlöhne? arbeitslose? oder die niedriglöhner; 1,- eurojobber?

  • MN
    mein Name

    "Das kann aber nur gut gehen, wenn die Bundesregierung den Mut hat, bei einem beginnenden Aufschwung Geld zu sparen und dann bei den Ausgaben zu kürzen."

     

    Wie wäre es, wenn der Staat mal aufhören würde sich Geld von den Privatbanken zu leihen und sich die Geldschöpfung zurückholen würde?

    Oder wie in China - wo der Staat Kredite an Unternehmen vergibt, die aber de facto nie wieder zurückgezahlt bekommen möchte...

     

    Warum folgt aus der Krise eine verschärfte neo-liberale Politik (siehe zB Gesundheitssystem), welche die Kosten auf die Bürger abwälzt?

    Ich bin der Meinung, dass sich das mitnichten zwangsläufig so ergibt, sondern genau so gewollt ist !

  • H
    Horst

    So ein Blödsinn....

     

    Die Sparkassen nehmen die Kunden doch genauso aus wie andere Banken:

     

    Dispozinssatz Berliner Sparkasse: 11,5% / Leitzins 1,0%

    Gebühren für Geldabheben im Ausland: 7,50 € / kosten: 0,69 €

  • AD
    Axel Dörken

    Das Positive, welches ich sehe und wofür Herr Haasis noch nicht offen zu sein scheint:

     

    1. Es scheinen schon 1/3 der Banker nachdenklicher zu sein und andere Ansätze annehmen zu wollen.

     

    2. Es scheinen schon 50% der Banker den Kunden wieder in den Mittelpunkt stellen zu wollen.

     

    Und da wird noch immer formuliert, dass aus der so genannten Krise NICHTS gelernt wurde?

    Weniger als erhofft haben aus der Krise erlernt, das sehe ich auch so.

     

    Die Gier ist noch immer oft gegenwärtig. Interessanter Weise auch gerade bei den Menschen, die über ein weniger achtsamen Umgang mit ihren Geldern zetern, aber auch jetzt schon wieder maulen, wenn ihnen Renditemöglichkeiten angeboten werden, die unterhalb ihrer Erwartungen liegen.

     

    Mein Reden: Folgt der schwedischen Landesbank! Einführung des Sollzinses auf Sparguthaben. Einen Vorteil im aktuellen Zinssystem haben eh nur die, die mehr als 230.000 € Geld ihr eigen nennen. – Daher, noch sinnvoller, lasst uns das gesamte Zinssystem abschaffen...

     

    Oder eben dazu übergehen, dass nur noch die Anlage monetäre Renditen abwirft, die auch eine Wertschöpfung mit sich bringt.

     

    Dann würde die Abschöpfung der Wertschöpfung durch Geld-in-Geld-Anlagen endlich aufhören. Denn sie und das hinter ihr verborgene Welt- und Menschheitsbild sind die Ursachen für all die platzenden Spekulationsblasen und das Elend auf der Welt.

     

    Wie wäre es mit einem Bewusstseinswandel in Sachen "Wahrnehmung" UND „Finanzen“?

     

    Liebe Grüße