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Prämien für Fahrradtauglichkeit ausgelobtAutos im Weg

Die Grünen wollen einen Negativpreis für Fahrradinfrastruktur vergeben: die verbogene Felge. Radfahrer bräuchten mehr Raum auf der Straße.

Wenn höhere Mächte walten, helfen auch keine Prämien. Bild: DPA

Eine rostige Felge hat Claudia Hämmerling noch zu Hause liegen - Überbleibsel eines Fahrradunfalls vor ein paar Jahren. Nun soll das traurige Erinnerungsstück einen guten Zweck erfüllen: Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion möchte die Felge als Negativprämie für die schlimmste Radfahrsituation in der Stadt verleihen. Neben der "verbogenen Felge" soll bei der ADFC-Sternfahrt am 5. Juni auch ein "goldener Lenker" für die beste Infrastrukturlösung vergeben werden. "Auch wenn sie sicher nicht alle Engel sind - Radfahrer und Fußgänger sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer", sagte Hämmerling bei der Vorstellung der Kampagne am Montag.

Die Verkehrspolitikerin hatte vor einem Jahr dazu aufgerufen, Bilder von besonders lobenswerten und miserablen Stellen im Straßenverkehr einzuschicken. Für den "goldenen Lenker" habe sie noch fast keine Bewerbungen, sagte Hämmerling. Anwärter auf die "verbogene Felge" hingegen gebe es zuhauf, mehr als hundert Bilder liegen im Postfach der Grünen. Einsender der Gewinnerfotos erhalten einen Präsentkorb mit Biolebensmitteln.

Die meisten RadfahrerInnen ärgern sich laut Hämmerling über Falschparker, Lieferwagen auf Radstreifen, komplizierte und gefährliche Radwegeführung und Baustellen. Auch die Benutzungspflicht von Radwegen - durch ein blaues Schild mit weißem Fahrrad markiert - stößt auf: An der Potsdamer Straße etwa ist der Radweg kurvig, eng und gefährlich, trotzdem dürfen Radfahrer nicht auf der Straße fahren. Ein Radstreifen fehlt. Dabei darf nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur noch in Einzelfällen das blaue Schild angewendet werden. Abgebaut worden sei bisher aber kaum eines, klagte Hämmerling. An der Potsdamer Straße solle nun wohl zumindest ein Teilstück wahlfrei für Radler werden. Hämmerling schob der Verkehrslenkung Berlin (VLB) den Schwarzen Peter zu: "Die VLB nimmt keine Anregung auf und reagiert noch nicht einmal auf Hinweise", so Hämmerling.

Grundsätzlich fordert Hämmerling, Radfahrern mehr Raum zu geben. In manchen Bezirken liege der Radleranteil am Straßenverkehr inzwischen bei einem Fünftel, trotzdem seien Radfahrer selten als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer anerkannt. "Der Autoverkehr geht zurück, trotzdem wollen die Autofahrer nichts abgeben von ihrem Raum. Das geht nicht."

Beispiel Schönhauser Allee: Auf engen Spuren auf dem Gehweg müssen sich Fahrende durchschlängeln, Fußgänger von der Spur klingeln, plötzlich aufspringenden Autotüren ausweichen, sich an Baustellen Tunnelchen mit Fußgängern teilen. "Hier wollen wir eine gute Infrastruktur für Radfahrer auf der Straße", so die Politikerin.

Die Verkehrsverwaltung wies die Vorwürfe zurück. Sicherheit für Radfahrer habe Priorität, das zeige die Ausweisung von Fahrradstraßen, sagte Sprecher Mathias Gille. Zudem würden fast keine Autostraßen neu gebaut, von einer Bevorzugung der Autofahrer könne nicht die Rede sein.

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8 Kommentare

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  • L
    Lucanus

    @Geograph: prinzipiell hast Du natürlich recht, aber nicht stimmen tut die Aussage dass die starke Autolobby die fehlenden Fernbusse zu verschulden hat. Diese werden nicht erlaubt, um "bestehende Verkehrsmittel vor Konkurrenz zu schützen", wovon ganz besonders die DB sowohl mit ihrem Schienen- als auch mit ihrem Busverkehr profitiert, weshalb sie auch vehement gegen jedes Aufweichen dieser Verbote vorgeht. (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Fernbusverkehr_in_Deutschland )

  • R
    Robert

    Vielleicht mal wieder ein paar, Autofahrer störende rechtsstaatliche Fakten:

     

    Die ununterbrochene Mittellinie (Z. 295) und die Sperrfläche (Z. 298) sprechen zwar ein Überholverbot nicht unmittelbar aus. Ein Radfahrer darf aber darauf vertrauen, daß ein nachfolgender Kraftfahrer ihn nicht überholt, wenn dies bei dem gebotenen seitlichen Abstand nur durch Inanspruchnahme des abgegrenzten Fahrstreifens oder der Sperrfläche möglich ist (BGH, VI ZR 66/86).

     

    Ein Autofahrer hat beim Überholen eines Radlers mindestens 1,5 Meter Seitenabstand zu halten. Ein Autofahrer hatte einen Radfahrer verklagt, weil dieser beim Überholtwerden einen Schlenker gemacht hatte und der Autofahrer deshalb in den Straßengraben gefahren ist. Bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h hätte er sogar zwei Meter Abstand halten müssen (OLG Hamm, Az. 9 U 66/92).

    Anm.: Der Seitenabstand beim Überholen wird in der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht genau geregelt, dort ist nur von "ausreichendem Seitenabstand" die Rede. Das Urteil aus Hamm bestätigt andere, ältere Urteile, die ebenfalls Größenordnungen von – je nach Sachlage – 1,5 bis 2 Meter vorschreiben. Die StVO regelt außerdem, daß der Überholte beim Wiedereinscheren nicht behindert werden darf.

     

    Bei Steigungen ist mit größeren Schwankungen von Radfahrern zu rechnen. Deshalb ist an Steigungen beim Überholen ein Mindestabstand von 2 Metern einzuhalten (OLG Frankfurt/Main, Az. 2 Sa 478/80).

     

    aus:http://www.pdeleuw.de/fahrrad/urteile.html#seitenabstand

     

    Einen schönen verletzungsfreien Frühling!

  • G
    Geograph

    @Klar!

     

    jaja "die da oben" schröpfen immer den armen Autofahrer..*gähn* Warum sollte ich auch für mein Rad Steuern bezahlen?!

    Sehen Sie es doch mal aus einer objektiven Perspektive (tue ich auch, habe schließlich auch meinen Lappen):

     

    Warum soll der Autofahrer nicht dafür bezahlen, dass er die Luft von JEDEM mit diversen Emmissionen verpestet, ungeheuer viel Platz verbraucht, alle anderen Verkehrsteilnehmer verdrängt und zu Bittstellern an Ampeln macht? Und das Wichtigste: er fährt eine potentielle Mordmaschine! Die Verkehrstoten sind ausschließlich der Nutzung von PKW/LKW zuzuschreiben! Aber Sie haben bestimmt schon von tödlichen Fahrrad-/Fußgängerunfällen (ohne KFZ-Beteiligung!) gehört...

    Außerdem verbitte ich mir die Bezeichnung "Radlrambos", das ist einfach nur frech!

    Nur der starken Autolobby haben wir so ein vergleichsweise schlechtes Nahverkehrssystem zu verdanken. (fehlende Fernbusse z.B.)

    Für ALLE gilt die STVO. Über Recht entscheiden Richter nicht Sie oder Ich. Mit irgendwelchen fiktiven Beispielen brauche Sie da gar nicht zu "argumentieren".

     

    Schönen Tag noch in der Rush Hour!

  • D
    Dirk

    @ von Klar!:

    Seit wann halten sich Autofahrer denn an den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsabstand (der übrigens genauso für Radfahrer gilt)? Im Gegenteil als Radfahrer wird man von Autofahrern weggehupt oder geschnitten, wenn man mal ausreichen Abstand zu den parkenden Autos hält. Gerade gestern ist mir das wieder passiert.

    Und ich finde es auch einen Unterschied, ob man als Radfahrer an einem z.B. in einer Schlange vor der Ampel stehenden Auto vorbei fährt oder ein Auto mit 40, 50 oder 60 Stundenkilometer an einem fahrenden Radfahrer vorbeifährt. Bei zweitem müßte der Abstand deutlich größer sein.

  • A
    alex

    "Zudem würden fast keine Autostraßen neu gebaut, von einer Bevorzugung der Autofahrer könne nicht die Rede sein."

     

    Welche Stadt baut denn heute noch Autostraßen? Abgesehen von Autobahnen und Kraftfahrtstraßen sind alle Straßen in Deutschland allen Verkehrsteilnehmenden gewidmet.

    Ausgerechnet Berlin, wo der PKW-Besatz seit Jahren rückläufig ist, hat ideale Voraussetzungen um noch mehr für den Umweltverbund zu tun. Dazu gehört auch, dass Zufußgehende nicht durch gemeinsame Geh-/Radwege von Radfahrenden gestört werden. Die VwV-StVO verbietet nicht grundlos die gemeinsame Führung, wenn die Gehbahn stark genutzt wird. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zudem im November 2010 noch mal deutlich gemacht, dass eine erheblich erhöhte Gefahrenlage auf Grund der örtlichen Verhältnisse nachgewiesen werden muss, wenn der Radverkehr von der Fahrbahn verbannt werden soll. Nur dann ist die Ausweisung der blauen Schilder mit dem Fahrrad drauf überhaupt zulässig.

    Der gemeinsame Geh-/Radweg ist zudem ein Treppenwitz, denn: Kann auf diesem mit dem Rad nicht so schnell gefahren werden, wie eigentlich gefahren werden könnte, ist auf die Fahrbahn auszuweichen.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Ich fahre nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.

  • K
    Kai

    Ich hoffe die AutofahrerInnen wehren sich gegen die immer weiter um sich greifende Gängelung. Der RadfahrerInnenlobby muss entschieden die Stirn gezeigt werden!

  • K
    Klar!

    Gerade das Beispiel Schönhauser Allee zeigt genau das auf wo die Radfahrer besonders auffallen. Zwischen den Fußgängern durchschlängeln, andere Fußgänger aus dem Weg klingeln. Er muß nicht plötzlich aufspringenden Autotüren ausweichen, denn ein guter Radfahrer rechnet mit solchen Aktionen.

     

    Jeder Autofahrer muß mit Radfahrern von allen Seiten rechnen. Er muß immer einen ausreichenden Sicherheitsabstand halten. Und selbst Radlrambos bekommen vor Gericht noch Schadensersatz und Schmerzensgeld zugestanden. Aber genau für die Scheint die STVO ja nicht zu gelten.

     

    Auch wird ganz vergessen, daß der Radfahrer weder eine Versicherung haben muß, noch irgendwelche Gebühren oder Steuern für das Fahrrad bezahlen muß. Der Autofahrer hingegen wird gemolken wie eine Kuh und soll am besten aus den Städten und von den Straßen verschwinden.