: Power-Frau an Siemens-Spitze
Den meisten Österreichern ist sie durch eine etwas unorthodoxe Wirtschaftsprognose bekannt. Jede Familie, so versprach Brigitte Ederer 1994 vor dem Referendum über den bevorstehenden EU-Beitritt, würde sich dank der Einbindung in die Union jährlich tausend Schilling ersparen. Der „Ederer-Tausender“ wurde sprichwörtlich und manche fragen sich heute noch, wo er denn bleibt. Ederer war damals Staatssekretärin für Integration und Entwicklungszusammenarbeit im Bundeskanzleramt und verantwortlich für die innerösterreichische Koordinierung der Beitrittsverhandlungen.
Die 1956 in Wiens Proletarierbezirk Floridsdorf geborene Tochter einer alleinerziehenden Mutter schaffte den sozialen Aufstieg nicht zuletzt dank der Öffnung der Universitäten während der Reformregierung des SPÖ-Kanzlers Bruno Kreisky. Sie studierte Volkswirtschaft und wurde in der SPÖ aktiv.
Nach dem EU-Beitritt wechselte sie in den Nationalrat, nach zwei Jahren in die Wiener Stadtregierung, wo sie für Finanzen, Wirtschaftspolitik und die Wiener Stadtwerke zuständig war.
2001 überraschte die Nachricht, dass sie in den Vorstand von Siemens Österreich aufgenommen wurde. 2005 folgte der Karrieresprung zur Vorstandsvorsitzenden der Siemens-AG Österreich. Spätestens seither gilt die vitale Sozialdemokratin als Power-Frau und rangiert ganz oben im Ranking der einflussreichsten Frauen des Landes.
Dass sie in ihrer Funktion die branchenüblichen Entlassungen zwecks Gewinnoptimierung absegnen musste, habe sie geschmerzt, beteuert sie in Interviews. Sonst mache ihr der Job Spaß, obwohl er extreme Disziplin erfordere. „Disziplin, Engagement und auch Glück“ gibt sie als persönliches Erfolgsrezept an. Auf Kinderglück mit ihrem Mann, dem SPÖ-EU-Abgeordneten Hannes Swoboda, musste sie verzichten, was sie manchmal vermerkt. Anders wäre die Karriere kaum möglich gewesen.
Ab Juli wird Ederer in der Konzernzentrale in München sitzen: als Konzernvorstandsdirektorin für das Europageschäft. In dieser Funktion wird sie für das Personalressort zuständig sein. Weitere Massenentlassungen dürften ihr wegen der Krise der IT-Branche bevorstehen. RALF LEONHARD