piwik no script img

■ QuerspaltePostleidqualen

Die Würfel sind gefallen. Fünfstellig! Post:modern. Post:seidank. Seit am Wochenende die neuen Postleitzahlen bekannt wurden, ist Berlin eine andere Stadt. Nun sind alle gleich: Der Erstsemester aus 7332 Eislingen muß sich nicht länger anpöbeln lassen, weil er nicht wußte, daß quer über den Oranienplatz die Sektorengrenze der beiden Kreuzbergs verlief. Vorbei die Zeit, in der man staunte, wenn sich nach der letzten Runde im EX die Spreu vom Weizen mit den Worten trennte: „Auf nach Kreuzberg!“ Aus und vorbei!

In den noch-36er WG-Küchen ist es bereits ausgemacht: Die Postleitzahlreform des Wolfgang Bötsch ist eine perfide Konterrevolution, ausgeheckt von den Konterstrategen der Bonner Umzugslobby. Wenn es um die Bekämpfung separatistischer Strömungen im Herzen der kommenden Bestie geht, ist einem nachgerade jedes Mittel recht. Nicht auszudenken: SO 36 plötzlich 10997, der Heinrichplatz in 10999, an den Wänden Graffitis der „969-Boys“ und die Punkkonzerte im „Esso 999“. Selbst die Initiative „Wir bleiben in SO 36“ muß neue Briefköpfe drucken. Da tröstet es auch nicht, daß es der verhaßten 61er Schickeria mit 10969 nicht besser ergeht. Aber auch den Osten hat es kalt erwischt. Die Überlegenheit der 58er Prenzelberger gegenüber den 55ern ist kaum gewonnen, schon zerronnen. Künftig zählt allein die Frage: 10, 12, 13 oder 14? Doch der Widerstand gegen das orwellsche Zahlenkalkül beginnt sich zu formieren: „Esso bleibt“ prangen die Kassandrarufe der altneuen Nostalgiker bereits seit Jahren an den Häuserwänden, und die autonome Szene bereitet gewohnt konspirativ den realrevolutionären Verteidigungskampf vor: „Keinen Fußbreit den Bötschisten“, heißt es in einem 10999er Flugblatt, „greift die neuen 11er an, organisiert die proletarische Verteidigung der 6er Telefonnummern in den Stadtteilen, verhindert die Bezirksreform!“ Uwe Rada

Siehe Bericht Seite 22

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen