GASTKOMMENTAR: Posthumes Recht
■ Die Rehabilitierung Bucharins
Vor knapp 50 Jahren, am 15.März 1938, war Nicolai Bucharin erschossen, genauer gesprochen: auf Befehl Stalins ermordet worden. Vorangegangen war einer jener Schauprozesse, mit denen die neue, die stalinistische Herrschaft ihren Bruch mit der revolutionären Vergangenheit des Regimes demonstrierte.
Lenin hatte Bucharin in seinem „Testament“ als „überaus wertvollen und bedeutenden Theoretiker“ und als „Liebling der ganzen Partei“ bezeichnet. Daran hatte Gorbatschow in seiner Ansprache zum 40.Jahrestag der Oktober-Revolution im November 1987 erinnert. Schon zu diesem Anlaß war die Rehabilitierung Bucharins, für die seine Frau Anna Larina und sein Sohn Juri seit mehr als 20Jahren kämpfen, in Moskau allgemein erwartet worden. Offenbar waren da die Widerstände noch zu groß. Deshalb ist es ein sehr ermutigendes Zeichen für das Voranschreiten der obersten Gericht der UdSSR tatsächlich vorgenommen worden ist.
In der Moskau-News war im Dezember gefordert worden, das Urteil von 1938 aufzuheben und – was der nächste Schritt wäre – seine „Partei-Rehabilitierung zu überdenken“. Damit würden Bucharins Theorien in der Sowjetunion wieder zitierfähig: etwa seine Betonung der Notwendigkeit von Marktelementen in der sozialistischen Wirtschaft, sei Sowjetunion Alternativen gegeben hätte. Das aber wäre von immenser Bedeutung dafür, daß die Perestroika sich historisch legitimieren kann und die überall noch anzutreffenden Überreste des Stalinismus überwunden werden. Walter Süß
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