berliner szenen: Post vom Grell-Eck
Bruderliebe
Lieber, toller Franz Josef Wagner, wir, das heißt ich und mein Sohn Werner, wir müssen Ihnen mal wieder eine kleine Note zukommen lassen. Allerdings nicht, um sie zu loben, wie noch beim letzten Mal, sondern um Ihnen unsere Bedenken mitzuteilen. Dass sich der Klaus Wowereit geoutet hat, ist uns egal – wählen werden wir ihn so oder so nicht. Wenn Sie aber schreiben: „Mit Einschränkung der Nazi-Ulbricht/Honecker-Jahre wurden alle glücklich in dieser Stadt“, müssen wir uns doch wundern. Was ist denn mit den Landowskys und Diepgens und Nowackis? Die machen uns unglücklich, nein, die machen uns richtig fertig! Die klauen unser Geld, die machen, dass Berlin immer mehr in Verruf gerät. Berlin ist doch sehr geschunden! Armes Berlin. Aber war es unter Hindenburg und Wilhem zwo nicht auch sehr schwer, „geistig frei“ zu sein?
Dass aber wenigstens der Ralf in Kanada gewonnen hat, das hat uns doch sehr gefreut. Schade, dass die Schumis nicht aus Berlin kommen. Dann wären wir doch wieder wer! Dass er aber gleich seinen Bruder umgebracht haben soll, wie Sie das gestern geschrieben haben, das glauben wir nicht. Micha lebt! Außerdem muss man sagen, dass Werner, mein Sohn, froh wäre, wenn er ein Brüderchen zum Spielen gehabt hätte und natürlich auch zum Umbringen. Deswegen hat sich der Werner mit einem lachenden und einem weinenden Auge für den Ralf gefreut. Nicht überall, wo es Abels gibt, gibt es auch Kains, lieber Franz Josef Wagner! In der Hoffnung auf Besserung, verbleiben, wie immer herzlichst, Ihre
WERNER und THORSTEN SOHN
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